Sanierung eines ehemaligen Faktorenhauses in Schönbach
Pelletheizung für 250 Jahre altes Umgebindehaus
Ein denkmalgeschütztes Gebäude zu sanieren, ist eine
Herausforderung für jeden Bauschaffenden. Für Atelier ST kam diese
Herausforderung in Gestalt eines 250 Jahre alten Hauses In
Schönbach in der Oberlausitz daher, das seit gut 25 Jahren leer
stand und sich in entsprechend schlechtem Zustand befand. Das
bauhistorisch besondere Umgebindehaus sollte zum Verwaltungssitz
eines mittelständischen Unternehmens umgebaut werden – unter
ausnahmsloser Verwendung natürlicher und nachhaltiger Materialien.
Das schloss auch die Gebäudetechnik ein, weshalb die Beheizung nun
über eine Pelletheizung erfolgt.
Gallerie
Eine besondere Typologie
Umgebindehäuser verbinden Blockbau-, Fachwerk- und
Massivbauweise miteinander. Sie zeichnen sich durch die bauliche
Trennung von (beheiztem) Stubenkörper im Erdgeschoss und
(unbeheiztem) Ober- und bzw. Dachgeschoss aus. Charakteristisches
Merkmal ist ein hölzernes Stützensystem, welches an zwei oder drei
Seiten um die Blockstube des Hauses herumgeführt wird. Obergeschoss
und Dach ruhen somit auf einem Stützgerüst aus Holzständern (den
Umgebindejochen), das sich im Außenbau als typische
Rundbögen zeigt. Erd- und Obergeschoss sind in diesem Bereich also
statisch unabhängig. Die Blockstube wird traditionell aus
waagerecht übereinander geschichteten Hölzern errichtet, der
Wirtschaftsbereich hingegen in Massivbauweise (meist aus
Feldsteinmauerwerk). Diese besonderen, vor allem in Niederschlesien
über die Oberlausitz und Nordböhmen bis ins Elbsandsteingebirge
verbreiteten Haustypen stehen heute unter Denkmalschutz.
Das 1785 errichtete Umgebindehaus in Schönbach diente
ursprünglich als Wohnhaus eines Tuchhändlers, der die Region mit
Stoffen und Garnen versorgte und es damit Ende des 18. Jahrhunderts
zu Wohlstand brachte – wovon das stattliche Gebäude zeugt. Der
Denkmalschutz forderte weitestgehend die Wiederherstellung des
erbauungszeitlichen Zustands der Außenansicht, allerdings mit
einigen Ausnahmen. Der Bauherr wünschte sich außerdem, nicht nur
die Unternehmensverwaltung unterzubringen, sondern die Blockstube
mit Küche für öffentliche Nutzungen vermieten zu können.
Räumliche Ordnung
Für die Verantwortlichen ging es also um ein Bewahren und
gleichzeitig ein zeitgenössisches Fortschreiben. Deshalb haben sie
das Bauwerk zunächst von sämtlichen hinzugefügten Elementen befreit
und im Inneren alle nichttragenden Teile entfernt. Die so
entstandene Großzügigkeit konnten sie nun gezielt mit dem minimal
Notwendigen füllen. Im Obergeschoss sind die Büroräume nur durch
Glaswände separiert. Das Erdgeschoss ist fortan ein
halböffentlicher Bereich mit der Blockstube als Herzstück, deren
Struktur beibehalten und in einen Gastraum mit offener Küche und
Kamin transformiert wurde.
Gallerie
Wiederverwendetes und Hinzugefügtes
Bestehendes haben die Architekturschaffenden teilweise
wiederverwendet. Alles neu Hinzugefügte besteht überwiegend aus
natürlichen bzw. recycelbaren und langlebigen Materialien, wie die
Fachwerk-Ausfachung aus Lehmstein, Lehm- und Kalkputzwände,
Eichendielen (zum Teil aus recycelten Bestandshölzern) und
Zementbodenfliesen oder auch die Bronzebeschläge für die Holztüren
und -fenster. In den Besprechungsräumen wurden allerdings
Teppichböden zur Schallabsorption verlegt. Ferner bilden spiegelnde
Chromoberflächen einen klar artikulierten Kontrast zu den
bestehenden Strukturen. Die allgemeine Farbgebung ist reduziert auf
warme, gebrochene Weiß-, Schwarz- und Holztöne, lediglich in den
Sanitärräumen wurden intensive Farben wie Violett, Purpur und
Türkis eingesetzt.
Vom Originalputz an den Fassaden war nicht mehr viel übrig,
weswegen dieser neu interpretiert wurde, als Pinselanstrich mit
einer Sumpfkalkschlämme auf Spritzbewurf als Haftgrund. Das
zwischenzeitlich vermauerte Umgebindetragwerk wurde komplett
freigelegt und das Obergeschoss mit einer neuen, verkohlten
Holzlattung versehen. Die drei kleinen Hechtgauben im Dach
schließlich wurden durch eine große ersetzt, wodurch jetzt viel
Licht in den Innenraum fällt. Bei den Biberschwanzziegeln handelt
es sich ausnahmslos um wiederverwendete Bestandsziegel.
Wärme in allen Räumen dank Pelletheizung
Das historische Gebäude war zuvor lediglich mit Kohleöfen
ausgestattet, andere gebäudetechnischen Anlagen gab es nicht. Die
gesetzlichen Anforderungen zum Zeitpunkt der Sanierung verlangten
KfW-55-Standard, weshalb im Keller eine Pelletheizung mit einer
Leistung von 24 kW eingebaut werden konnte, was der Denkmalschutz
sogar ausdrücklich begrüßte. Das speziell für den Kellerraum
angefertigte Pelletlager hat ein Fassungsvermögen von rund fünf
Tonnen und ist am Boden mit vier Saugsonden ausgestattet. Die
Wärmeübergabe in den Räumen erfolgt per Fußbodenheizung, wobei
jedes Geschoss einen oder zwei Heizkreisverteiler hat. Die Zeiten, in denen nur
die Blockstube beheizt wurde, sind somit glücklicherweise passé.
Die Energieströme von Heizung und Beleuchtung werden von einer
zentralen Gebäudeautomation gesteuert. Auch an einen
gewissenhaften Umgang mit der wertvolle Ressource Wasser wurde
gedacht: Das Regenwasser wird in einer Zisterne gesammelt und in
wassersparender Sanitärtechnik wiederverwendet.
Mit der umfassenden Sanierung hat Atelier ST Bestehendes und Neues zu einer selbstverständlichen Einheit verbunden. Diesen respektvollen und einfühlsamen Umgang mit Bestandsbauten würde man sich bei einigen anderen Projekte mitunter auch wünschen. -tg
Bautafel
Architektur: Atelier ST, Leipzig
Projektbeteiligte: Ulrich Thaut, Zwickau (Brandschutzkonzept); Lothar Jugl, Großpostwitz (Tragwerksplanung); Ingenieurbüro für Gebäudetechnik Krüger + Müller, Löbau (Haustechnik- HLS); Ingenieur- & Planungsbüro Mehlhose, Ebersbach-Neugersdorf (Haustechnik- ELT); Annekathrin Bernstein, Bautzen (Landschaftsplanung)
Bauherr/in: Möbel Starke GmbH vertreten durch den Geschäftsführer Uwe Starke
Fertigstellung: 2021
Standort: Beiersdorferstraße 18, 02708 Schönbach
Bildnachweis: Robert Rieger, Berlin; Atelier ST, Leipzig
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