Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel
Wo Historie, Architektur, Landschaft und Energiewende aufeinandertreffen
Wer regelmäßig auf Deutschlands Autobahnen unterwegs ist, weiß um die architektonische Belanglosigkeit vieler Raststätten, die lediglich funktionalen Ansprüchen genügen. Es mangelt an kreativen Konzepten und Aufenthaltsqualität. Eine Ausnahme bildet die Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel an der Bundesautobahn A71 bei Sömmerda in Thüringen, die im Rahmen der IBA Thüringen entstanden ist. Bemerkenswert ist die Lage des Ensembles unmittelbar neben einer bedeutenden archäologischen Fundstätte aus der frühen Bronzezeit, dem Leubinger Fürstenhügel. Die Heizungswärme in dem Gebäude stammt aus einem Eisspeicher.
Gallerie
Im Zuge eines internationalen Wettbewerbs wurden 2015 interdisziplinäre Planungskonzepte für die Architektur, Landschaftsarchitektur und das Kommunikationsdesign der gesamten Anlage gesucht. Die Herausforderung bestand darin, die Tankstelle und die Raststätte in die flachwellige Hügellandschaft einzubetten und einen Bezug zur besonderen Geschichte und Identität des Ortes herzustellen. Den Wettbewerb für sich entscheiden konnte eine junge Planer*innengemeinschaft aus Berlin, bestehend aus Mono Architekten, Planorama Landschaftsarchitektur und Mus Studio, deren Entwurf im Einklang mit den Empfehlungen der IBA Thüringen umgesetzt wurde.
Entspannende Rast mit historischem Bezug
Die Architektur der Tank- und Rastanlage ist von einem Langhaus
aus der Bronzezeit inspiriert, das in einer benachbarten Gemeinde
von Sömmerda stand, und entsprechend einfach. Dadurch soll eine
entspannende Atmosphäre für die Reisenden geschaffen und
gleichzeitig Rücksicht auf den historischen Fürstenhügel genommen
werden. Der Baukörper setzt sich aus zwei Flügeln zusammen, die in
einem stumpfen Winkel zueinander stehen. Der Westflügel verläuft
orthogonal zur Fahrbahn und bildet eine Überdachung für die
Tankanlage, die gleichzeitig als Toreinfahrt zur Rastanlage dient.
Der östliche Flügel beherbergt die Raststätte, die dank einer
großzügigen Glasfassade den Blick auf den historischen Fürstenhügel
lenkt. Beide Flügel sind durch ein polygonal gefaltetes Dach
verbunden, das allmählich ansteigt und über dem Speise- und
Gastraum seinen höchsten Punkt erreicht. Hier befinden sich
verschiedene Sitzinseln, ein Tresen, ein Lounge-Bereich auf der
Galerie und eine Spielnische.
Gallerie
Eine zentrale Rolle bei der Erschließung des Ensembles spielt der überdachte Laubengang auf der Nordseite. Er leitet die Ankommenden vom Parkplatz und der Tankanlage zu den beiden Haupteingängen, die in den langgestreckten Ausstellungsraum führen. Dieser dient als Foyer und als Verteiler zu allen öffentlichen Funktionen. Im Ausstellungsraum finden Interessierte alle Informationen über den Fürstenhügel und über die frühbronzezeitliche Kultur an einer großen Holzwand. Draußen setzt sich die Ausstellung als Lehrpfad fort: Ein etwa 500 Meter langer Spazierweg führt als Zeitstrahl mit Details zu archäologischen Funden der Region und geschichtlichen Meilensteinen von der Raststätte bis zur erhabenen Landmarke des Fürstenhügels.
Reduzierter Materialkanon
Um das 48 m lange Tankfeld stützenfrei zu überspannen, wurde für
das Tankstellendach ein leicht wirkendes Raumfachwerk aus Stahl
konstruiert. Die Raststätte besteht aus einer
Stahlrahmenkonstruktion mit Betonfertigteilen. Die Gebäudehülle ist
mit vorpatinierten Aluminiumblechen, das Dach mit Stehfalzdeckung
bekleidet. Das Schattenspiel der gekanteten Metallhaut gliedert das
langgestreckte Volumen durch eine feine vertikale Textur. Innen
sorgen helle Vollholzbekleidungen an Wänden und Decken für eine
warme Atmosphäre, während ein durchgehender, hellgrauer
Estrichboden alle Bereiche miteinander verbindet und einen
gestalterischen Bezug zu Vorplatz, Laubengang und Lehrpfad
herstellt. Der Einsatz weniger, dafür langlebiger Materialien soll
den ruhigen Gesamteindruck unterstreichen.
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Regeneratives Energiekonzept
Die Temperierung des Gebäudes erfolgt durch zwei strombetriebene Sole-Wasser-Wärmepumpen. Die Wärmeenergie dafür liefert ein Eisspeicher mit einer im Erdreich vergrabenen, mit Wasser befüllten Betonzisterne. Im Inneren zirkuliert durch Leitungsspiralen frostsichere Flüssigkeit (Sole), die mit einem Entzugswärmetauscher und einem Regenerationswärmetauscher verbunden sind. Während des Betriebs entzieht der eine Wärmetauscher dem Wasser Energie und leitet sie an die Wärmepumpen weiter, die die Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. Sobald das Wasser seine Wärme an den Entzugswärmetauscher abgibt, sinkt seine Temperatur und es gefriert allmählich.
Um den Eisspeicher zu regenerieren, nutzt die Anlage einen glycoldurchströmten Energietisch auf dem Grundstück. Er nutzt die Wärmenergie aus der Umgebungsluft sowie der Sonnenstrahlung. Diese wird mithilfe des Regenerationswärmetauschers dem Wasser in der Betonzisterne zugeführt. Dadurch wird aus dem Eis wieder flüssiges Wasser. Der Eisspeicher stellt außerdem die im Sommer zur Raumkühlung benötigte Energie passiv zur Verfügung, eine zusätzliche Kältemaschine wird also nicht benötigt. Die Lüftungsanlagen schließlich – mit Ausnahme der Anlagen für die Fettabsaugung in Shop und Restaurant – gewinnen mindestens 75 Prozent der Wärmeenergie aus der Abluft zurück.
Bautafel
Architektur: MONO Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: ee concept, Darmstadt (Energiekonzept, Bauphysik); Brückner Dietz, Darmstadt (Tragwerk); GIG, Bremen (Haustechnik); ETB Nord, Ratekau (TGA/ELT Tanktechnik); Heister – Ronkartz, Hückelhoven (Brandschutz); Artelia, Hamburg (Projektsteuerung); Planorama, Berlin (Landschaftsarchitektur); MUS Studio, Berlin (Ausstellungsdesign); IBA Thüringen (Kooperationspartner)
Bauherr*in: Shell Deutschland, Hamburg (Tank- und Rastanlage); Bundesrepublik Deutschland (Außenanlagen)
Fertigstellung: 2021
Standort: A71, 99610 Sömmerda
Bildnachweis: Gregor Schmidt, Berlin; Thomas Müller, Weimar; MONO Architekten, Berlin; ee concept, Darmstadt
Fachwissen zum Thema
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