Schnellbahnhof in Kenitra
Dreiecksförmige Isolierverglasungen zwischen UHPC-Beton
In Marokko wird aktuell ein Hochgeschwindigkeitszugnetz als
königliches Bauprojekt realisiert, welches bis zum Jahr 2035 eine
Länge von insgesamt 1.500 Kilometern erreichen soll. Es ist
dem französischen TGV-Netz nachempfunden und soll zwei
Hauptstrecken umfassen. Ein Hauptabschnitt ist die
Schnellfahrstrecke LGV Tanger-Kenitra (kurz für Ligne à grande
vitesse Tanger-Kénitra). Mit einer Länge von 200 Kilometern
führt sie seit 2018 von Tanger nach Kenitra. Zweck der
Neubaustrecke ist es, die bereits bestehenden, stark beanspruchten
und kurvenreichen Strecken zwischen den Wirtschaftsmetropolen
Casablanca/Rabat und Tanger zu entlasten. Mit der Verlagerung des
Personenfernverkehrs auf die Schnellfahrstrecken soll die
freiwerdende Kapazität auf den atlantischen Altbaustrecken für den
Güterverkehr zum Hafen Casablanca und zum Containerterminal
Tanger-Med genutzt werden.
Gallerie
Der Bahnhof als multifunktionaler Knotenpunkt
Der Bahnhof in Kenitra wurde durch Silvio d’Ascia Architecture als „Schmuckkästchen” entworfen und orientiert sich in seinem Baustil an der islamischen Architektur. Das Gebäude dient nicht nur dem Reiseverkehr, sondern ist räumlich und funktional auch als Zentrum für das alltägliche öffentliche Leben konzipiert. Bewohner der angrenzenden Stadtviertel konnten bislang nur über einen schmalen unterirdischen Durchgang die nördlich gelegene Altstadt erreichen. Heute hingegen erfolgt die Verbindung bequem zu Fuß entlang zahlreicher Geschäfte.
Fassadenkonstruktion in islamischem Muster
Besonderes Augenmerk wurde auf die Gestaltung der Fassade
gelegt, welche als Neuinterpretation der Maschrabiyya – jene
traditionellen dekorativen Holzgitter in der islamischen
Architektur – verstanden wird. Mit einer Länge von 200 Metern
(entspricht der Standardlänge eines Hochgeschwindigkeitszuges) und
einer Höhe von 12 Metern besteht die Fassade aus mehr als 800
dreieckigen Elementen aus faserverstärktem, ultrahochfesten Beton
(UHPC). Durch diese optisch massiv ausgebildete Gitterstruktur
werden im Innenraum des Bahnhofsgebäudes die starken
jahreszeitlichen Schwankungen der Außentemperatur sowie die direkte
Sonneneinstrahlung kompensiert. Entlang des Bahnhofvorplatzes wird
die Fassade durch acht imposante und verglaste Bögen
unterschiedlicher Geometrie unterbrochen.
Dreiecksförmige Isolierverglasungen
Die Fassadenkonstruktion besteht aus einer Stahlgittertragschale aus HEA 260 Trägern, um welche die UHPC-Elemente schalenartig angeordnet sind. Ausgefacht werden die resultierenden Zwischenräume durch dreiecksförmige Zweifach-Isolierverglasungen mit Kantenlängen von ca. 1.170 Millimetern. Der Glasaufbau besteht aus einer Verbundsicherheitsverglasung auf der Innenseite und einer Einfachverglasung auf der Außenseite. Zwecks Reduzierung der solaren Einstrahlung und zum Wärmeschutz wurden die Gläser mit einer speziellen Kombinationsschicht ausgeführt. Im Dachbereich, welcher grundsätzlich identisch zur Fassade ausgeführt wurde, sind zur Energieerzeugung in die Verglasungen zusätzlich Photovoltaikzellen integriert.
In den bogenartigen Aussparungen in der dreiecksförmigen
Fassadenkonstruktion wurden Pfosten-Riegel-Konstruktionen
eingesetzt. Die Ausfachung dieser Fassade erfolgte bei gleichem
Glasaufbau mit Gläsern im quadratischen Format von 2,4 x 2,4
Metern. Insgesamt wurden an dem Projekt 6.000 Quadratmeter Fläche
verglast.
Bautafel
Architektur: Silvio d’Ascia Architecture, Paris; Omar Kobbite Architectes, Casablanca
Projektbeteiligte: Jet Contractors, Skhirat (Fassadenbau); Ductal, Clamart (UHPC Fassadenelemente); Khephren Ingénierie, Arcueil (Tragwerksplanung); Saint Gobain Glass, Stolberg (Glashersteller)
Bauherrschaft: ONCF – Office National des Chemins de Fer
Fertigstellung: 2019
Standort: Ave des FAR, Kenitra, Marokko
Bildnachweis: Takuji Shimmura, Paris, Silvio d’Ascia Architecture, Paris
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