Zentralgebäude der Leuphana Universität Lüneburg
Akademische Schräglage
Die Entstehungsgeschichte des neuen Zentralgebäudes der Leuphana Universität in Lüneburg lässt sich auf zwei Weisen lesen: als Wirtschaftskrimi, in dem von massiven Baukosten- und Bauzeitüberschreitungen, Korruption und der Forderung nach Rücktritt der Hochschulleitung die Rede ist und als rauschende Erfolgsstory, in der sich eine kleine, feine Universität mit rund 9.000 Studenten, die in der Lehre neue Wege beschreitet, auch architektonisch hervorheben möchte. Das tut sie im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Sustainable University“ mit einer neuen Campuszentrale aus der Feder von Daniel Libeskind, der an der Leuphana nicht nur lehrt, sondern in Workshops erarbeitete Ideen seiner Studenten in den Entwurf hat einfließen lassen.
Gallerie
Das Ergebnis nach voraussichtlich zehnjähriger Planungs- und Bauzeit ist ein achtgeschossiger, spektakulärer Betonbau mit allseitig geneigten Außenwänden und den Libeskind-typischen schräg gesetzten Fenstern. Scharfkantig schneidet er sich in das Gelände und bildet einen bewussten Kontrast zum umgebenden Gebäudeensemble des Universitätscampus, einer ehemaligen Kaserne mit streng geordneter Backsteinarchitektur.
Der Gebäudekomplex besteht aus vier sich verschneidenden
Bauteilen: Forschungszentrum, Seminarzentrum, Studierendenzentrum
und Auditorium Maximum. Die Gesamtnutzfläche beträgt 13.200
Quadratmeter, das Auditorium bietet bis zu 1.200 Besuchern Platz.
In der vorlesungsfreien Zeit dient es der Hansestadt Lüneburg zudem
als vielseitig nutzbarer Veranstaltungssaal.
Gerüste und Schalungen
Obwohl das anfangs komplizierte Gebäude im Planungsprozess
zugunsten von Nachhaltigkeitsaspekten in der Höhe leicht reduziert
und die Neigung der Fassaden beispielsweise den
Sonnenschutzlösungen angepasst wurden, blieb die Geometrie des Baus
herausfordernd genug. Um den außergewöhnlichen Entwurf
kosteneffizient realisieren zu können, basierte das dreidimensional
angepasste Schalungs- und Gerüstkonzept auf der flexiblen
Verwendung mietbarer Systemkomponenten. Die Tragwerksplanung,
Arbeitsvorbereitung, Schalungs- und Gerüstplanung sowie die
Betonverarbeitung mussten gemeinsam und aufeinander aufbauend
betrachtet und durchgeführt werden, was eine lückenlose
Baustellenbetreuung durch alle beteiligten Fachplaner
erforderte.
Ein umfassendes 3-D-Realisierungskonzept unterstützte zudem die Ausführungsarbeiten. Schalungs- und Traggerüst, Deckenstützen, Tragkonstruktionen und Schwerlasttürmen wurden damit an die geometrischen und statischen Erfordernisse optimal angepasst. Das universell einsetzbare Gerüstsystem diente auch als Treppenturm. Während der Bauphase wurden die Detaillösungen wie auch die Materialbereitstellung flexibel auf den tatsächlichen Bedarf abgestimmt. Um die Wände mit unterschiedlichen Neigungswinkeln betonieren zu können, dienten sogenannte Gespärrekonstruktionen zur Aufnahme der hohen Schalungs- und Frischbetonlasten sowie als temporäre Bauwerksabstützungen. Variable Einstellmöglichkeiten und die Kombination mit einer Träger-Wandschalung ermöglichten die maßgenaue Herstellung innerhalb des engen Toleranzbereichs. Die hohen Qualitätsansprüche an den Sichtbeton (teils SB 4) wurden durch ein definiertes Anker- und Fugenraster mit aufgedoppelter, von hinten verschraubter Schalhaut erreicht.
Das Gebäude war erst tragfähig, nachdem alle Bauteile
miteinander verknüpft waren. Bis dieser Zustand erreicht war,
führten Abtriebslasten aus den bis zu 25 Grad geneigten Wänden zu
erheblichen horizontalen Lasten. Zudem erforderten weitgehend
stützenfreie Räume sowie filigrane, stark bewehrte Wand- und
Deckenscheiben eine aufwändige Tragwerksplanung.
Bautafel
Architekten: Daniel Libeskind, New York (Entwurf); rw+ Gesellschaft von Architekten, Berlin (Ausführung)
Projektbeteiligte: Schmitz Reichert, Aachen (Projektsteuerung); Peri Berlin u. Düsseldorf, (Projektbetreuung); Boll und Partner, Stuttgart; (Tragwerksplanung); karres en brands mit arbos Freiraumplanung, Hilversum (Außenraumplanung)
Bauherr: Stiftungsuniversität Leuphana, Lüneburg
Standort: Scharnhorststraße 1, 21335 Lüneburg
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Peri, Weißenhorn; Leuphana, Lüneburg; rw+ Gesellschaft von Architekten, Berlin