Rettungszentrale in Reus
Ressourcenschonendes und LEED-zertifiziertes Energiekonzept
Direkt an der spanischen Autovia del Noroeste, einem 10 km langen Autobahnabschnitt zwischen den südkatalanischen Städten Tarragona und Reus, wurde die Rettungszentrale 112 Emergències nach Plänen von ACXT Architekten aus Barcelona errichtet. In dem Neubau werden erstmals die wichtigsten Einrichtungen und Notfallzentralen der Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und des Gesundheitswesens aus ganz Katalonien unter einem Dach vereint, die zuvor in weiten Teilen der Region verstreut waren. Übergeordnetes Ziel ist eine Verbesserung der Koordination und des Managements in Notfallsituationen – 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.
Gallerie
Die Rettungszentrale setzt sich aus verschiedenen Gebäudeteilen zusammen: Einem Turm und einem quaderförmigen Hauptgebäude, die auf einem Sockel thronen und mit diesem knapp 15.000 m² Gesamtfläche ergeben. Der lang gestreckte Sockel fügt sich fast komplett in den Hang ein – bleibt also in einigen Teilen sichtbar, in anderen unsichtbar. Er nimmt Parkplätze für die Mitarbeiter, Stellplätze für die Rettungsfahrzeuge, Umkleide- und Pausenbereiche, den Serverraum sowie weitere Haustechnik- und Lagerräume auf. Richtung Osten endet er in einem leicht erhöht angelegten Hubschrauberlandeplatz.
Auf dem Sockel ist das Hauptgebäude angeordnet: Über seinem fast vollständig verglasten Erdgeschoss kragt ein weißer Quader mit einer Hülle aus transparentem Kunststoff aus. Der ebenfalls zu dem Ensemble gehörige Beobachtungsturm scheint, daraus hervor zu wachsen. Erschlossen wird das Gebäude über ein Rampen- und Treppensystem an der langgstreckten Südwestseite. Auch der Eingang liegt an dieser Seite, er führt in einen zentralen Raum, der als Lobby und Foyer fungiert. Um diesen gruppieren sich ein Auditorium und Besprechungsräume, die allen Mitarbeitern der verschiedenen Einheiten sowie der Öffentlichkeit für Schulungen zur Verfügung stehen. Richtung Osten ist das hausinterne Restaurant untergebracht, es öffnet sich zur Landschaft hin. Von hier gelangt man auch auf die extensiv begrünte Terrasse auf dem Sockelgeschoss. Durch ihre erhöhte Lage kann man von hier den weiten Blick über das Land genießen.
Die Obergeschosse eins und zwei bilden die eigentliche Rettungszentrale, die sogenannte operative Ebene aus. Hier sind die Büros und Notfallzentralen der einzelnen Einheiten untergebracht. Wie schon im Erdgeschoss legen sich alle Räume um ein zentrales Volumen. Dieses ist hier als großflächig verglastes Atrium ausgebildet, welches sich bis ins dritte OG erstreckt und über Oberlichter natürlich belichtet und belüftet werden kann. Manche der Notrufzentralen sind ebenfalls geschossübergreifend angelegt, wodurch die Kommunikation und Koordination zwischen den einzelnen Einheiten und Ebenen verbessert und gefördert werden soll. Die dritte (oberste) Etage wird nur teilweise für Büroflächen genutzt, da hier größtenteils Technikräume untergebracht sind. Im Nordwesten gelangt man zu dem weiß verkleideten Aussichtsturm, der sich über sechs Geschosse emporstreckt. Er bildet eine Art Landmarke, auf dessen Schacht weiß auf schwarz, deutlich erkennbar, die Nummer der Notrufzentrale 112 appliziert wurde.
Das Sockelgeschoss sowie die Erschließungskerne sind in Massivbauweise errichtet. Im Inneren des Hauptgebäudes leiten v-förmige Stützen die vertikalen Lasten ab. Das V-Motiv wurde in der Fassade der oberen Geschosse übernommen und prägt das Gebäude in seiner Gestaltung: Zusammen mit der V-Konstruktion bildet ein weißes, feinmaschiges Kunststoffnetz die Außenhaut. Das Gitternetz wirkt der sommerlichen Überhitzung entgegen und vermeidet unerwünschte Effekte wie Blendung am Arbeitsplatz. Die transluzente Fassade ist zu allen Seiten geschlossen und gleich ausgebildet, sodass auf den ersten Blick keinerlei Öffnungen sichtbar sind.
Gebäudetechnik
Die Energieversorgung der Rettungszentrale ist so konzipiert, dass
sie bis zu fünf Tage vollkommen unabhängig vom katalanischen Strom-
und Wassernetz agieren kann. Sollte die Stromzufuhr aussetzen oder
unterbrochen werden, schalten sich automatisch Kraftstoff
betriebene Generatoren ein, die dann die benötigte elektrische
Energie erzeugen. Die Trinkwasserversorgung erfolgt im Notfall über
die Anbindung an einen nahegelegenen Stausee.
Die Beheizung der Innenräume sowie die Warmwasseraufbereitung erfolgen zu 80% über Wärmerückgewinnung und zu 20% über geo- und solarthermische Anlagen. Große Mengen der Abwärme des Rechenzentrums werden zur Erwärmung des Wassers genutzt. Dies erfolgt über Wärmetauscher, die der warmen, nicht mehr gebrauchten Luft ihre thermische Energie entziehen. Das Wasser wird durch Zuführen der Energie erwärmt und kann anschließend genutzt werden. Zusätzlich nutzen Solarkollektoren auf dem Dach der Zentrale die einfallende Sonnenstrahlung ebenfalls zur Warmwasseraufbereitung.
Die Beheizung der Innenräume erfolgt über oberflächennahe Geothermie. Über ein im Fußboden installiertes Rohrsystem wird die gewonnene Wärme beispielsweise zum Beheizen der Umkleidekabinen im Sockelgeschoss genutzt. In den Sommermonaten wiederum kann das System zum Kühlen der Räume genutzt werden, da die Erdwärme weitaus kühler ist als die sommerlichen Außentemperaturen in Spanien.
Eine 198 m² große Photovoltaik-Anlage auf dem Dach versorgt das Gebäude mit Strom (Leistung 26 kW). Die einzelnen Module sind gen Süden in einem Winkel von 25 Grad ausgerichtet.
Über die große Terrasse auf dem Dach des Sockelgeschosses wird Regenwasser aufgefangen und in einer unterirdischen Zisterne gelagert. Dieses Wasser wird zur Bewässerung der Grünflächen, zur WC-Spülung und für die Duschen in den Umkleidekabinen verwendet. Im Gebäude anfallendes Grauwasser, etwa vom Abfluss aus Duschen oder Waschtischen, wird in einer zweiten Zisterne gesammelt. Ein ausgeklügeltes Recyclingsystem reinigt und bereitet das Wasser wieder so auf, dass es wieder zur WC-Spülung oder für Reinigungszwecke genutzt werden kann.
Als erstes öffentliches Gebäude innerhalb der spanischen
Landesgrenzen erhielt die Rettungszentrale die
LEED-Zertifizierung in Silber.
Bautafel
Architekten: ACXT Arquitectos, Barcelona
Projektbeteiligte: Pablo Jorge Vispo, Barcelona (Umwelttechnik); Mercedes González Carrascosa, Linea de la Conception/E (Lichtplanung); Alex Boada, Barcelona (Elektroplanung); Serge Ferrari, La Tour du Pein (Fassade)
Bauherr: Relacions Institucionals I Participació, Generalitat de Catalunya
Fertigstellung: 2010
Standort: Reus
Bildnachweis: Adriá Goula, Barcelona