Hochhaus der Teamplayer in Berlin
Denkmalgerechte Sanierung
Dass auch Hochhäuser aus der Nachkriegszeit als schützenswerte
Bestandteile unserer Baukultur unter Denkmalschutz gestellt werden,
zeigt beispielhaft die Wohnanlage Siegmunds Hof des
Studierendenwerks Berlin. Errichtet 1961 nach Plänen von Peter
Poelzig und Klaus Ernst, liegt das Gebäudeensemble in Hochschulnähe
zwischen Spree und Tiergarten; auf der anderen Seite der
S-Bahntrasse befindet sich das Hansaviertel mit
Architekturklassikern von Oscar Niemeyer, Egon Eiermann oder Werner
Düttmann. Mittelpunkt der Anlage ist das von Klaus Ernst geplante
Hochhaus der Teamplayer, Haus 12. Mit 130
Wohneinheiten und 12 Stockwerken überragt es sämtliche Bauten der
Nachbarschaft.
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Schadstoffbelastete Bausubstanz
Bereits 2007 erhielt das Berliner Architekturbüro Die Baupiloten den Auftrag für die energetische Sanierung und Modernisierung der gesamten Wohnanlage. Bei der Bestandsuntersuchung zeigte sich, dass PAK- (Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), KMF- (künstliche Mineralfasern) und asbesthaltige Bauteile eine Komplettsanierung erforderten. Für die Planenden keine einfache Aufgabe, denn das komplette Ensemble steht unter Denkmalschutz, was die konzeptionellen, gestalterischen und konstruktiven Möglichkeiten der Sanierung und des Umbaus stark einschränkte. Zusätzlich sorgten die extrem dünnen Aufbauten von Wänden und Böden für schlechte Schallschutzbedingungen – auch dies durch die Anforderungen der Denkmalpflege kaum wirtschaftlich zu ertüchtigen.
Partizipativer Planungsprozess
Um trotz der schwierigen Ausgangslage den individuellen Lebensstilen der Studierenden gerecht werden zu können, wurde den Planungen ein Partizipationsverfahren vorgeschaltet. Im Ergebnis leben heute Menschen mit ähnlichen Wohn-, Arbeits- und Freizeitvorstellungen in jeweils einem Gebäude zusammen. Es gibt ein Haus für urbane Gartenfreunde, ein Haus für Fitness- und Musikfreunde, ein Haus für Partytiger und Kaffeetrinker und Ruhiges Wohnen am Wäldchen in drei- bis viergeschossigen Gebäuden sowie das zentrale Hochhaus der Teamplayer. So konnten insbesondere hinsichtlich der Schallschutzmaßnahmen die jeweiligen Bedürfnisse unterschiedlich berücksichtigt werden und der bauliche Aufwand – je nach Anspruch – minimiert bzw. maximiert werden.
Hochhaus der Teamplayer
Die Bewohnerinnen und Bewohner des Hochhauses wünschten sich möglichst große Gemeinschaftsbereiche und nahmen dafür auch minimierte Individualbereiche in Kauf. Selbst Schlafsäle wären für sie vorstellbar gewesen – nicht jedoch für das Studierendenwerk. So einigte man sich schließlich auf einen Kompromiss: Zehn Quadratmeter kleine Apartments mit Duschen auf den Gängen und große Gemeinschaftsküchen, die sich über jeweils zwei Etagen erstrecken. Je Regelgeschoss sind vier Einzelapartments mit eigenen Sanitärbereichen und neun Einzelzimmer mit Gemeinschaftsbädern organisiert. Das 11. und 12. Stockwerk bietet Platz für Wohngemeinschaften – einmal für vier, einmal für fünf Personen. Im Erdgeschoss wurden zwei Wohnungen rollstuhlgerecht ausgeführt und bieten zusätzlich Raum für eine Betreuung. Hier sind auch die studentische Selbstverwaltung, eine Fahrradwerkstatt, ein kleines Atelier sowie ein Waschsalon untergebracht. In den darüber liegenden drei Etagen sind zwölf Apartments für Sehbehinderte und Hörgeschädigte vorgesehen.
Farbe und Atmosphäre
Die über zwei Geschosse reichenden Teamküchen sind Kern des von der Lichtdesignerin Anne Boissel konzipierten Farb- und Lichtkonzepts für das Wohnhochhaus. Ihre Anordnung wird über die farbige Belichtung auch von außen sichtbar. Ein Farbverlauf, der vom Boden bis zum Dach von Gelb über Grün zu Blau und Bronze reicht, bestimmt die nächtliche Erscheinung des gesamten Gebäudes. Passend dazu sind die Einbaumöbel, Bodenbeläge, Türen und die Zimmerwände zu den Fluren in den gleichen Farben gestaltet.
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Brandschutzaspekte
Das Entfernen der Asbestdämmung und die grundsätzliche Neustrukturierung der Apartments erforderte sowohl im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes als auch des konstruktiven Brandschutzes einen völlig neuen Planungsansatz. Ständig galt es, zwischen gestalterischen, nutzungstechnischen, denkmalpflegerischen, bauphysikalischen, brandschutztechnischen und statischen Belangen abzuwägen. Dies führte unweigerlich zu einem enormen Aufwand in Planung und Ausführung. Nicht selten kollidieren dabei verschiedene Anforderungen und Normen miteinander.
Die Bausubstanz entsprach zum Großteil nicht den heutigen brandschutztechnischen Anforderungen, angefangen bei Fassadenmaterialen, über Wand- und Deckenstärken, bis hin zu Raumgrößen und -anordnungen. Hier die Balance zwischen funktionaler Nutzung der Räumlichkeiten und allen sicherheitstechnischen Anforderungen zu finden, war eine große Herausforderung für die Planerinnen und Planer.
Neuorganisation der Brandabschnitte
Durch die Neugestaltung der Wohneinheiten mussten die Apartments, Einzelzimmer, Küchen und Funktionsräume entsprechend der Anforderungen der Landesbauordnung und des Brandschutzkonzepts als Teil des vorbeugenden Brandschutzes in verschiedene Nutzungseinheiten gefasst und brandschutztechnisch getrennt werden. Die Wände zwischen den jeweiligen Einheiten wurden mit F90-Anforderung ausgeführt, Türen mit T30-RS-Klassifizierung. Von einer brandschutztechnischen Ertüchtigung der Geschossdecken mittels Brandschutzputz wurde abgesehen, da die Bestandsdecken das zusätzliche Gewicht des Putzes statisch nicht mehr hätten tragen können. Verbindungstreppen innerhalb der notwendigen Flure wurden entfernt, die Deckenöffnungen geschlossen. Die doppelte Geschosshöhe in den Gemeinschaftsküchen blieb aus denkmalpflegerischen Gründen erhalten. Sie bilden nun jeweils eigene Nutzungseinheiten.
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Erschließung der Geschosse
Da das ursprüngliche Gebäude bereits mit einem Sicherheitstreppenhaus mit separater Schleuse und Öffnungen ins Freie ausgestattet war, konnte auf eine zweite Treppenerschließung verzichtet werden. Neu hinzu kamen jedoch zwei Aufzugsanlagen, wobei ein Aufzug als Feuerwehraufzug ausgebildet wurde. Hierbei konnte von den geforderten Mindestabmessungen des Aufzugsvorraumes (5,3 m² statt 6 m²) abgewichen werden, da die Bestandsituation keine Möglichkeit bot, diese Dimensionierungen umzusetzen. Beide Aufzugsschächte verfügen zudem über jeweils eine voneinander unabhängige RWA im Dachbereich.
Da die beiden Wohngemeinschaften in den obersten beiden Geschossen brandschutztechnisch jeweils als eine „Wohnung” gelten, konnte dort auf zusätzliche notwendige Flure zur horizontalen Flucht im Brandfall mit den entsprechenden Anforderungen verzichtet werden.
Anlagentechnischer Brandschutz
Zusätzlich zu den Maßnahmen des vorbeugenden und baulichen Brandschutzes erhielt das Wohnhochhaus eine Brandmeldeanlage mit Aufschaltung zur Feuerwehr für alle notwendigen Flure, Aufzugsräume, Gemeinschaftsbereiche, Abstell- und Putzmittelräume sowie die internen Flure der Wohngemeinschaften und das komplette Untergeschoss. In Zimmern und Apartments sind autarke Rauchwarnmelder installiert, in barrierefreien Geschossen mit zusätzlicher optischer Alarmfunktion.
Bautafel
Architektur: Die Baupiloten, Berlin / Team: Marlen Kärcher (Projektleitung); Susanne Hofmann, Max Graap, Mathias Schneider, Anna Kasper, Kirstie Smeaton, Omorinsola Otubusin, Martin Mohelnicky, Merle Sudbrock
Projektbeteiligte: Biller und Lang Architekten, Berlin (Bauleitung); Marzahn & Rentzsch, Berlin (Tragwerksplanung); Ingenieurbüro Hetebrüg, Nuthetal (TGA); Anne Boissel, Berlin (Lichtdesign); Peter Stanek, Berlin (Brandschutz)
Bauherr/in: Studierendenwerk Berlin
Fertigstellung: 2018
Standort: Siegmunds Hof 4, 10555 Berlin
Bildnachweis: Jan Bitter, Berlin
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