Gallery House Community Center in Bansberia
Von bengalischen Terrakottatempeln inspirierte Mauerwerksfassade
Die Architektur der im ostindischen Bundesstaat Westbengalen
liegenden 100.000-Einwohner Stadt Bansberia ist geprägt durch
quaderförmige Volumen. Von dieser Umgebung hebt sich das Gallery
House Community Center nach Plänen von Abin Design Studio mit
seinen abgerundeten Ecken, den großen bogenförmigen Öffnungen und
der ornamentalen Mauerwerksfassade, die sich als schützende Hülle
um den Betonkern legt, deutlich ab.
Gallerie
So außergewöhnlich wie das Aussehen des Neubaus ist auch seine
Entstehungsgeschichte: Der Bauherr, dessen Villa gleich auf der
anderen Straßenseite steht und ebenfalls von Abin Design Studio
entworfen wurde, wollte auf der Parzelle eigentlich eine Garage
sowie Zimmer für seine Angestellten verwirklichen. Der Architekt
Abin Chaudhuri stammt ursprünglich aus Bansberia und nutzte sein
Wissen um das soziale Milieu des Ortes, um seinem Klienten einen
Vorschlag zu machen. Anstatt lediglich ein privates Gebäude zu
errichten, überzeugte er ihn davon, im Obergeschoss einen
öffentlichen Mehrzweckraum für die Nachbarschaft einzurichten und
so der Gemeinde etwas zurückzugeben.
Ein kleines Amphitheater für die Straße
Das Gebäude erstreckt sich bis weit in die Tiefe des schmalen
Grundstücks. Zur Straßenseite wirkt es, als seien große Stücke aus
dem Volumen herausgeschnitten worden. Auf diese Weise sind
großformatige Öffnungen entstanden, die sich im Spannungsfeld
zwischen Außen- und Innenraum sowie zwischen Ziegelhülle und
Betonkern bewegen. Die linke Öffnung ist über eine breite
Freitreppe aus Beton erreichbar, die auch eine soziale Funktion
erfüllt: Jedes Jahr gibt es in der Stadt einen festlichen Umzug
durch die schmalen Straßen. Aus den Häusern und von den
Straßenrändern aus verfolgen die Menschen diese bunte Festlichkeit.
Während des Umzugs sitzen die Besucher auf den Stufen und die
Treppe wird somit zu einer Art Miniatur-Amphitheater. Bereits im
Verlauf der Bauphase wurde die fertiggestellte Treppe auf diese
Weise genutzt. Dem Bauherrn gefiel dies derart gut, dass er sich
kurzfristig entschloss, die geplante Garage wegzulassen und
stattdessen im Erdgeschoss einen Gemeindesaal einzurichten. Dadurch
ist das Gebäude nun ganz der öffentlichen Nutzung gewidmet.
Im Parterre des Hauses befindet sich neben dem Gemeindesaal noch
ein kleiner Laden. Über eine schmale Treppe zwischen Kern und Hülle
erreicht man das Obergeschoss, wo Sanitärräume, eine Küche und
Mehrzweckräume untergebracht sind. Sie werden tagsüber für
Yogastunden oder andere Gruppenaktivitäten genutzt und verwandeln
sich nachts in die vom Bauherrn gewünschten Schlafräume für seine
Angestellten. Die gesamte Dachfläche wird zudem als Terrasse
genutzt und bietet damit die Möglichkeit zum sichtgeschützten
Aufenthalt im Freien.
Auch manche der Innenwände aus Beton weise ebensolche Rundungen
auf wie die Fassade des Hauses. Die Betondecken wurden wie die
Wände unverkleidet belassen. Akzente in den Grundfarben Gelb, Rot
und Blau bringen Farbe in die Räume und helfen bei der
Orientierung. Die Böden sind zum Teil mit glänzend weiß glasierten
Keramikscherben belegt, die sanft schimmern.
Zusammenarbeit mit Keramikkünstler
Das einzigartige Nutzungskonzept verlangte nach einer besonderen, identitätstiftenden architektonischen Ausdrucksform. Neben der Kubatur gelingt dies vor allem durch die kunstvoll gestaltete Mauerwerksfassade mit Keramikeinlagen, die als Neuinterpretation der bengalischen Terrakottatempel verstanden werden möchte. Dafür arbeiteten die Architekturschaffenden mit dem Keramikkünstler Partha Dasgupta zusammen. Gemeinsam haben sie alte Keramikblöcke aus Industrieabfall herausgesucht und wiederverwertet. Die Tonziegel stammen von einer nahegelegenen Ziegelei. Lokale Handwerker setzten die Mauersteine und die Keramik zu variantenreichen Mustern zusammen, die in ihrer Kombination äußerst kunstvoll wirken.
Nahezu jeder Reihe ist anders gestaltet als die darüber- bzw. darunterliegende. Zum Teil sind die Mauersteine mit Lücken aufgestellt worden, sodass sich perforierte Wandflächen ergeben, die für eine angenehme Luftzirkulation sorgen. Dann wieder wurden sie liegend, oder im Fischgrätmuster vermauert. Auch die Farbigkeit variiert zwischen Ocker- und Rottönen und sorgt für noch mehr Varianz. -sh
Bautafel
Architektur: Abin Design Studio, Kalkutta
Projektbeteiligte: Sohomdeep Sinha Roy und Qurratul Ain Maryam (Designteam); Soma Kazi (Konstruktion); Debjit Samanta, Debkishor Das und Dipankar Mondal (Projektkoordination); Partha Dasgupta (Keramikkünstler)
Bauherr/in: Privat
Fertigstellung: 2020
Standort: Bansberia, Westbengalen, Indien
Bildnachweis: Edmund Sumner, London
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Entenfangweg 15
30419 Hannover
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