Bürogebäude in Gräfelfing
Haus ohne Heizung
Ganze 65 cm stark sind die Außenwände des Büro- und
Verwaltungsgebäudes auf dem Inoveo-Campus in Gräfelfing, einer
Gemeinde am westlichen Stadtrand Münchens. Dank der
temperaturregulierenden Eigenschaften der hochwärmedämmenden
Porenleichtziegelwände kommt der Neubau ganzjährig ohne
technisierte Heizung und Klimatisierung aus. Für den Entwurf
verantwortlich zeichnet das Nürnberger Büro Schwarz.
Gallerie
Der schmale quaderförmige Baukörper befindet sich auf einer Parzelle am östlichen Rand von Gräfelfing, die direkt an einen Wald grenzt. Er setzt sich aus vier Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss zusammen, unterirdisch gibt es zwei Parkebenen mit 67 Stellplätzen. Die ersten vier Geschosse sind weiß verputzt, das Staffelgeschoss grau. Die tiefen Fensterlaibungen sind gelb akzentuiert und an der Nordseite angeschrägt, wodurch sie den Tageslichteinfall erhöhen.
Durch die Staffelung des obersten Stockwerks, ist im Süden eine
Dachterrasse entstanden, die es den Mitarbeitenden ermöglicht, ihre
Pausen im Freien zu verbringen. Das Gebäude beherbergt eine große
Mietpartei im südlichen Teil und eine kleinere im nördlichen, die
durch einen gemeinsamen Erschließungs- und Sanitäranlagenkern
miteinander verbunden sind.
Low-Tech-Bürogebäude
Damit das Gebäude auf technische Heiz-und Kühlsysteme verzichten
kann, wurde jeder Mietpartei ein möglichst zusammenhängender Raum
zugewiesen, in dem die Luft frei zirkulieren kann. So kann die
Raumtemperatur auf einem konstanten Niveau gehalten werden. Das
Gebäude verfügt über ein Belüftungssystem mit motorisierten
Fensterklappen, die durch eine intelligente Steuerung abhängig vom
CO2-Gehalt der Raumluft durch kurzzeitiges Öffnen und
Schließen für ein gesundes Raumklima sorgen. Für die Einrichtung von
Einzelbüros oder Besprechungsräumen wurden Überströmelemente an den
Kopfseiten der tragenden Wandscheiben entwickelt, wodurch auch für
abgetrennte Räume eine dauerhafte Querlüftung bei gleichzeitiger
Schallreduzierung möglich wurde.
Gallerie
Menschen und Computer als Heizung
Da das Gebäude mit keinem technischen Heizsystem ausgestattet
ist, müssen die internen Wärmelasten für die Temperaturregulierung
ausreichen. Wärmequellen sind beispielsweise die Gebäudenutzenden,
Lampen, PCs, weitere elektronische Geräte und alle
Einrichtungsgegenstände, die Abwärme produzieren. Diese Energie
wird in den 65 cm dicken Außenwänden gespeichert und langsam an das
Innenraumklima wieder abgegeben. Im Sommer wird mittels geöffneter
Lüftungsklappen auf Nachtauskühlung gesetzt. Durch eine PV-Anlage
auf dem Dach wird außerdem ein großer Teil des benötigten Stroms
selbst erzeugt und in das Netz des Hauses eingespeist.
Gallerie
Wärmegedämmte Hohllochziegel für angenehme Temperaturen
Die 65 cm dicke Ziegelhülle sorgt dafür, dass die
Innenraumtemperaturen des Gebäudes konstant bei 22°C bis maximal
26°C bleiben. Die spezifische Trägheit des Mauerwerks ermöglicht
die natürliche Temperaturspeicherung von Wärme im Winter und Kühle
im Sommer. Die Außenwände wurden als zweischaliges Mauerwerk
konstruiert. Für die äußere, dämmende Schale wurden 30 cm dicke,
recycelbare Hohllochziegel mit integrierter mineralischer
Dämmstofffüllung mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,10 [W/(mK)] und einem
U-Wert
[W/(m2K)] von 0,25 verbaut. Die innere, tragende Schale besteht
ebenfalls aus 30 cm starken, gefüllten Hohllochziegeln, die eine
Wärmeleitfähigkeit von 0,08 [W/(mK)] und einen U-Wert [W/(m2K)] von
0,21 aufweisen. Durch die Druckfestigkeit von 5 MN/m² (Festigkeitsklasse
12) garantiert er auch bei fünf Geschossen eine sichere
Tragfähigkeit der Außenwand. Weitere 5 cm kommen zusammen durch die
trennende Mörtelfuge von 1,5 cm, Kalkzementputz auf der Außen- und
Kalkputz auf der Innenwand von 2,0 bzw. 1,5 cm.
Laut der Architekturschaffenden soll das Gebäude ein Zeichen gegen die Überfrachtung von Bauten mit Technik setzen. Die Planerinnen und Planer plädieren für einen Gesinnungswandel in der Gebäudetechnik, hin zu einfachen, intelligenten und möglichst wartungsfreien Gebäuden mit geringen Folgekosten. -lw
Bautafel
Architektur: Schwarz Architekturbüro, Nürnberg
Projektbeteiligte: C+P Schlüsselfertiges Bauen, Angelburg; (Fachplanung); Dr. Peter Widerin, St. Gallen (Bauphysik); Oehmke + Herbert, Nürnberg (Brandschutz); Leipfinger Bader, Puttenhausen (Mauerwerk)
Bauherr/in: Reifen Kabholz KG
Fertigstellung: 2021
Standort: Seeholzenstraße 12, 82166 Gräfelfing
Bildnachweis: Heiko Stahl, Nürnberg
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