Das Gerüst der Architektur
Goldener Löwe für raumlaborberlin
Deutlich weiger spektakulär als andere Büros präsentierte sich raumlaborberlin bei der 17. Architekturbiennale in Venedig. Seine Installation im Arsenale verhalf dem Kollektiv dennoch zu einem Goldenen Löwen für den besten Beitrag der Hauptausstellung. Grundlage von „Instances of Urban Practice“ ist eine Perspektivverschiebung, die den Blick weg vom gebauten Projekt und hin zum Prozess des Entstehens lenkt. Architektur wird zur Handlung, mit der eine gesellschaftliche Position eingenommen wird.
Gallerie
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigen zwei Projekte, die mithilfe von Fotografien und Zeichnungen sowie einem Zeitstrahl, der die Kooperationen, Netzwerke und Ereignisse darstellt – und so die Momentaufnahmen darüber in einen Kontext einbindet –, präsentiert werden. Befestigt sind die einzelnen Elemente auf zwei Seiten einer Gerüstkonstruktion. Diese formt zugleich ein Tor, durch das die Besuchenden eine rote Blase betreten, in der Sitzgelegenheiten zum Verweilen und Austauschen einladen.
Gerüst und Blase nehmen Bezug auf eines der gezeigten Projekte: die „Floating University“, die 2018 als ein „temporäres innerstädtisches Labor für kollektives, erfahrungsorientiertes Lernen und transdisziplinären Austausch“ geschaffen wurde. Was in dieser Beschreibung zunächst etwas sperrig daherkommt, ist tatsächlich ein lebendiger Ort auf einem Regenrückhaltebecken des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Das ursprünglich als reine Infrastruktur geschaffene Becken war 60 Jahre lang unzugänglich – die Landschaft verwilderte, das Wasser ist unter den Algen kaum sichtbar. In Form der Floating University wird der Mensch Teil dieses Ökosystems – als Forscher und Beobachter.
Das zweite gezeigte Projekt – das Haus der Statistik am Alexanderplatz – dreht sich um ein ehemaliges DDR-Gebäude, das ursprünglich bereits für den Abriss vorgesehen war. Durch die Initiative von raumlaborberlin und anderen Akteurinnen und Akteuren kann es erhalten werden und zukünftig Raum für „solidarische, nachhaltige und weltoffene” Nutzungen bieten, die in der Stadt sonst wenig Raum finden – Wohnungen für Geflüchtete, Ateliers, Bildungsangebote, offene Versammlungsorte etc. Ein umgenutzter ehemaliger Fahrradladen dient als Werkstatt für die Mitwirkung und Beteiligung interessierter Berliner/innen am Planungsprozess.
Die zentrale Frage der Biennale – „How will we live together?“ –
wird von raumlaborberlin auf eine Weise thematisiert und mit Inhalt
gefüllt, die in der Architektur sonst selten ist. Nicht das gebaute
Ergebnis soll nach der Methode Zauberstab etwas bewirken, die
Aushandlung über die Zukunft eines Ortes rückt in den Mittelpunkt
und ist der Fokus des Interesses. Bei den gezeigten Projekten soll
es Einzelpersonen und Gruppen möglich sein, sich einzubringen und
den kollektiven Raum mit ihren Perspektiven und ihrer Expertise zu
bereichern. Sie erlauben komplexe Formen zur Unterstützung
aufstrebender Gemeinschaften bei der Mitgestaltung der zukünftigen
Stadt.