Architecture & Micropolitics
Four Buildings 2010-2022. Farshid Moussavi Architecture
Park Book, Zürich 2022
Texte in englischer Sprache
588 Seiten, 471 Farb- und 936 S/W-Abbildungen, Pläne, Diagramme und Grafiken, Format 22 x 33 cm, Paperback
Preis: 68 EUR; 75 CHF
ISBN 978-3-03860-194-4
Farshid Moussavi, gebürtige Iranerin, ist eine international
tätige Architektin mit einem Büro in London und zudem Professorin
in Harvard an der Graduate School of Design. Nach ihren bisherigen
Publikationen über Stil, Ornament und Form befasst sie sich in
ihrem vierten Buch Architecture and Micropolitics mit dem
Zusammenspiel von Gebäude, Nutzern und Kontext.
Anders als bei einer werkimmanenten Architekturkritik, die sich auf architektonische Ausprägungen wie Form, Material, Konstruktion und Proportionen bezieht, untersucht Farshid Moussavi die Micropolitics, die auf den Entstehungsprozess von Architektur einwirken. Architekturpraxis wird als fortlaufende Interaktion dargestellt, die geprägt ist von unterschiedlichsten subjektiven Faktoren, kreativen Potenzialen, Zufallsereignissen und Flexibilität in der alltäglichen Inbesitznahme von Architektur. Die Offenheit für Zufälle kann den Entwurfsprozess stimulieren und erdet die Bauten in der Mikropolitik des Alltagslebens.
Mit Flussdiagrammen, Piktogrammen, Mock-ups, Modell- und
Baustellenfotos, aber auch fotografischen Studien zum
Nutzerverhalten wird erläutert, dass Entwerfen keine lineare oder
gar vorherbestimmte Handlung ist, sondern offen für kontinuierliche
Änderungen bleibt. Varianten der Grundrisse, Schnitte und Details,
oftmals mit Datumsangaben versehen, lassen diese Prozesshaftigkeit
ebenso nachvollziehen wie Kommentare der Nutzer, die sich zu
individuellen Wünschen und ihren Erfahrungen äußern.
Insbesondere die Hülle mit Fenstergrößen und deren Anordnungen,
die Zugänge und die Rolle der Türen, aber auch die Schaffung von
verschiedensten Zwischenräumen stehen dabei im Fokus. So werden
etwa verschiedene Fensteröffnungen einander gegenübergestellt –
diagonale Schlitze, senkrechte Fensterbänder und Cluster aus
Dreiecken, – um die Wirkung der Fassade jeweils in Abhängigkeit von
Zuschnitt, Höhe, Ausrichtung und Ausblick auf den umgebenden
öffentlichen Raum zu vergleichen.
Für die Untersuchung, wie Zwischenzonen zwischen öffentlichen
Bereichen und Privatsphären gebildet werden können, zeigt die
Autorin unterschiedliche Anordnungen von transparenten, abgestuft
transluzenten und verspiegelten Paneelen vor Fenstertüren,
Laubengängen, Loggien und Balkonen. Die Grenzen zwischen Innen und
Außen verschwimmen oder lösen sich auf, je nach Blickwinkel,
Tageszeit und Witterung.
Fotografische Serien zeigen, inwieweit Karusselltüren von den Nutzern als Einladung oder Barriere wahrgenommen werden. Großformatige Klapptore für die Anlieferung und andere Dienstleister werden wiederum verspiegelt, um sich den anderen Öffnungen in der Fassade unterzuordnen. Veranden unterschiedlicher Größe sind eine weitere Strategie zur Gestaltung von offenen und wandelbaren Räumen für diverse Nutzungen. Die Farben und Formen des Himmels, der Wolken sowie der Vegetation werden als weitere Dimension von Raum, Weite und Zeit einbezogen, beispielsweise in der Anordnung von Spiegeln mit natürlichen Oberflächen wie Hölzern sowie tatsächlich als hellblaue Farbe.
Anhand von vier ihrer Bauten verdeutlicht die Autorin ihren
methodischen Ansatz:
- The Museum as Urban Living Room: MOCA Cleveland
- Separation and Unity in a Multistorey Residential Block: Lot 19 Residential Block, La Défense - Nanterre
- Crafting Pleasure and Curiosity in Affordable Housing: Folie Divine, Monpellier
- A Muslim Community Center as a Cultural Common: Ismaili Center Houston
Für ihre Verdienste als Architektin wurde Farshid Moussavi 2018 von der Queen zum Officer of the Order of the British Empire (OBE) ernannt. -sj