Entryways of Milan – Ingressi di Milano
Taschen Verlag, Köln 2021
384 Seiten, Hardcover, 27 x 35 x 4 cm, Sprache: Englisch und Italienisch
Fotografen: Matthew Billings, Delfino Sisto Legnani, Paola Pansini
Ko-Autoren: Brian Kish, Daniel Sherer, Fabrizio Ballasio, Grazia Signoni, Lisa Hockemeyer, Penny Sparke
Preis: 50 EUR
ISBN 978-3-8365-6418-2
Ausgelöst durch die industrielle Revolution, erlebte Mailand um die vorletzte Jahrhundertwende einen enormen Schub und daraus resultierend einen ökonomischen Aufschwung, der bis weit ins 20. Jahrhundert andauerte. Die Entwicklung zu einer erfolgreichen Industrieregion brachte städtebauliches Wachstum und gesellschaftlichen Wandel. Es entstand eine wohlhabende bürgerliche Schicht, die sich weniger Paläste und Villen als vielmehr einen neuen und modernen Typus repräsentativer urbaner Wohngebäude errichten ließ. Beauftragt wurden Architekten, Designer und Künstler wie beispielsweise Giovanni Muzio, Gio Ponti, Vico Magistretti, Giulio Minoletti, Adolfo Wildt, Carlo Aymonino und Aldo Rossi.
Das vorliegende Buch Entryways of Milan – Ingressi di Milano porträtiert in großformatigen Fotografien 144 Eingangsbereiche dieser innerstädtischen Apartmentgebäude, die zwischen den 1920er und den 1970er-Jahren entstanden. Auf Grundrisse, Schnitte und Wandabwicklungen wurde verzichtet, doch dies ist angesichts der Fotografien kein Manko.
Die Bereiche zwischen dem Portal als der Hauseingangstür und dem Treppenhaus sind repräsentativ und transitorisch, also mehr Durchgangsräume als Schwelle, und vielmehr mittelgroße und kleine Säle statt einfacher Hausflure. Diese sehr städtisch-modernen Räume, auch androne genannt, vergleichbar mit einem für alle Bewohner gemeinschaftlichen Entrée oder Vestibül, stehen als Vermittler zwischen der Öffentlichkeit des Straßenraums und der Privatsphäre der Wohnungen. Sie sind diskrete Orte und wahre Schätze hinsichtlich Architektur, Design, Kunst sowie der Perfektion des ausführenden Handwerks. Stilistisch umfasst die Dokumentation Elemente des Jugendstils, sehr viel Art Déco aus den 1930er-Jahren, jedoch auch den italienischen Rationalismus, Zitate und Spolien aus Renaissance und Barock, Anklänge an das Bauhaus bis zum Brutalismus.
Die hervorragenden Fotografien lassen Oberflächen, Materialien, Farben, Muster und deren Kombinationen im räumlichen Zusammenhang genauestens ansehen. Schwerpunktmäßig fallen Bodenbeläge und Wandverkleidungen aus regionalen Natursteinen auf. Mosaike, dreidimensionale Keramik, Reliefs, Skulpturen, Spiegel, Beschläge aus Bronze, Messing, Edelstahl, Teppiche und ausgesuchte Sitzmöbel fügen sich zu beeindruckenden Kompositionen. Geradezu erwartungsgemäß für italienisches Interior Design gibt es Wand- und Deckenfelder in sattem pompejanischen Rot und natürlich auch viele subtile Creme-Greige-Nuancen à la Giorgio Armani. Die Dekoration umfasst außerdem echte exotische Pflanzen wie Monstera, Calathea und Fatsia japonica in sorgfältig gestalteten Pflanzbecken. Durch Geometrie und Proportion werden wirkungsvolle symmetrische wie umgekehrt asymmetrische Wege- und Sichtachsen geschaffen.
Die fotografierten Eingangsbereiche sind elegant und prächtig, stylish bis glamourös, aber überhaupt nicht protzig angeberisch, eher eine visuelle Lektion in Understatement durch handwerkliche Perfektion.
Die architekturgeschichtliche wie soziokulturelle Bedeutung wird
zwar in begleitenden Essays kommentiert, doch anschaulicher ist ein
Stadtplan, auf dem alle androni verzeichnet sind, und der
die Möglichkeit bietet, sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen.
-sj