Beautiful Games – Roman Entrances
Steidl Verlag, Göttingen 2023
104 Seiten, gebunden im Format 18,5 x 22 cm, 60 Abbildungen
Erläuterungstext von Elisabetta Cristallini in englischer Sprache
Preis: 38 EUR
ISBN 978-3-96999-060-5
Etwa ab den 1950er bis zum Beginn der 1970er-Jahre erlebte Italien einen enormen ökonomischen Aufschwung, der mit dem westdeutschen Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichbar ist. Die Stadt Rom wuchs in dieser Zeitspanne um mehr als eine Million auf knapp 3 Millionen Einwohner*innen. Folglich wurden zahlreiche neue Stadtviertel errichtet, insbesondere entlang des etwa 60 Kilometer langen Autobahnring Grande Raccordo Anulare, der zeitgleich entstand.
Wie in der Peripherie zahlreicher Metropolen stehen auch in Rom unendlich viele triste und gesichtslose Wohnblocks. Doch unter den Neubauten fällt ein Typ namens Pallazzina auf. Ein Pallazina ist ein freistehendes, vier- bis fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus, das gestalterisch zwischen Pallazzo, Villa und individuell gestaltetem Stadthaus changiert und an die wohlhabendere Mittelschicht adressiert ist. Dieser Typ entstand bereits in den 1920er und 1930er Jahren und wurde im Bauboom wiederbelebt.
Heiner Thofern, der als Jurist und langjähriger Diplomat mehrere Jahre in Rom lebte und arbeitete und darüber hinaus ein ausgezeichneter Architekturfotograf ist, interessierte sich mehr und mehr für das Rom außerhalb des Zentrums mit seinen antiken Ruinen, Renaissance und Barock. Er berichtet, dass er lange Streifzüge durch die von Touristen eher nicht besichtigten Viertel wie Vigna Clara, Cassia, Parioli, Monteverde oder auch Balduina unternahm, also Wohngegenden der Einheimischen. Die Pallazine, die er hier entdeckte, beeindruckten ihn durch ihre unverwechselbar prägnanten, eleganten wie auch künstlerisch ausgearbeiteten Portale, Türen und Eingangsbereiche. 59 seiner Fotografien sind für dieses Buch ausgewählt worden, unter anderem mit Unterstützung durch Ute Eskildsen, die Leiterin der fotografischen Sammlung und stellvertretende Direktorin des Museum Folkwang in Essen.
Thofern entdeckte Gittertore, Eingangstüren, Entrées, Lobbies und Vorräume von Treppenräumen mit geometrischen Linien-Mustern sowie asymmetrischen Kompositionen aus Kreisen, Ellipsen, Dreiecken und Trapezen. Seine Fotografien zeigen in diesen Übergängen zwischen öffentlichem Straßenraum und privatem Eingangsbereich Skulpturen, Reliefs, Mosaike und Keramiken sowohl als futuristische Verzierungen als auch als nutzbare Elemente wie Treppengeländer, Beschläge und Briefkästen. Damit harmonieren sorgfältig abgestimmte silbrig-graue und braun-beige-senf-schlammfarbene Farbpaletten. Gold-orange und sogar blutrote Akzente erzeugen spannungsreiche Kontraste. Diese erstaunlichen räumlichen Konstellationen wecken mit einem Hauch von Retro Assoziationen an Eingänge zu Fine-Art-Kunstgalerien, glamourösen Bars oder diskret-luxuriös gestylten Flagship-Stores – es sind aber tatsächlich „nur“ die Eingänge von Mehrfamilienhäusern.
Im Anhang sind einige der Straßen und Viertel aufgelistet sowie
die Architekt*innen und Künstler*innen mit ihren Lebensdaten
verzeichnet. -sj