Besucherzentrum Bauhaus-Denkmal in Bernau
Mit Liebe zum Detail
Dem Funktionalismus streng verpflichtet war der zweite
Bauhausdirektor Hannes Meyer. Sein Credo „Bauen ist nur
Organisation: soziale, technische, ökonomische, psychische
Organisation“ verkörpert die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen
Gewerkschaftsbunds (ADGB) in Bernau eindrücklich: Die von Hannes
Meyer und seinem Büropartner Hans Wittwer geplante und zwischen
1928 und 1930 realisierte Bildungsstätte entstand unmittelbar aus
den Funktionsdiagrammen heraus und sollte „lediglich eine
plastische Übersetzung der sozialpädagogischen Funktionen“ sein.
2017 wurde das Bauwerk in das UNESCO-Welterbe Das Bauhaus und
seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau aufgenommen. Seither
stieg die Zahl der Besucher*innen und damit der Bedarf nach einer
zentralen Anlaufstelle auf dem Gelände. Ein neues Besucherzentrum
deckt diesen Bedarf. Das Stuttgarter Büro Steimle Architekten
entwarf es in Form eines ruhenden, riegelförmigen Pavillons, der
die ideologischen Ansätze Meyers zeitgenössisch übersetzt.
Gallerie
Landschaftlich integriert, formreduziert und mit sichtbarer
Konstruktion, ordnet sich das Besucherzentrum einerseits dem
Denkmalensemble unter, behauptet sich aber zugleich als
eigenständige architektonische Landmarke. Als thematisch wie
räumlicher Auftakt führt es in die Weltkulturerbestätte ein und
erlaubt durch eine fließende, lineare Raumabfolge die schrittweise
Erkundung der kulturell bedeutenden Geschichte des Ortes. Diese
Organisation ist eine Analogie an Hannes Meyers „psychologische
Effekte“ – er begriff Architektur weniger als abgeschlossenes
ästhetisches Objekt, sondern vielmehr als eine Serie von Vorgängen
oder Erlebnissen.
Gallerie
Den Ort erleben
Von lichten Kiefern umgeben, liegt der Pavillon um zwei Stufen erhöht am Rande der Gesamtanlage. Eine raumhohe Verglasung umschließt das Gebäude fast vollständig, den oberen Abschluss bildet ein mächtiges Betondach. Mit großer Geste kragt das massive Vordach weit über den Eingang im Norden hinaus und lädt das Publikum zum Eintauchen ein. Entlang der gesamten Westfassade verläuft eine großzügige Terrasse, dahinter ein Parkplatz.
Die schottenartig in regelmäßigem Abstand eingestellten
Querwände rhythmisieren den Innenraum und unterstreichen die
lineare Grundrissorganisation und Gebäudeform. Gleichzeitig dienen
sie der Präsentation der Exponate. Einige der Betonwände sind in
Längsrichtung mit Holztrennwänden geschlossen und nehmen die
dienenden Räume auf. Nach Osten hin lassen sie über die gesamte
Gebäudelänge einen großen, flexibel nutzbaren Raum mit freiem Blick
auf das Baudenkmal entstehen.
Gallerie
Klare Konstruktionsprinzipien
Die tragende Konstruktion des Besucherzentrums ist unverkleidet und nachvollziehbar. Das massive Dach und die beiden Außenwandscheiben an den Stirnseiten des Bauwerks bestehen aus Dämmbeton und wirken wie aus einem Guss. Den Lastabtrag übernehmen schwarze, filigrane Rundstützen vor der Glasfassade sowie die Wandscheiben der Nebenräume zusammen mit Beton-Unterzügen an der Decke.
Gallerie
Passgenaue Umsetzung
Charakteristisch für das Gebäude sind die klare, reduzierte
Formensprache sowie die handwerklich präzise und detaillierte
Ausarbeitung, etwa an den Fügestellen der Fassaden-Rundstützen zum
Dach. Zum stimmigen Gesamteindruck tragen das geradlinige
Schalungsbild auf den Sichtbetonoberflächen und das lineare
Deckenrelief bei. Diese Sorgfalt in der Umsetzung zieht sich bis zu
den Elektroinstallationen durch: Eingesetzt wurden puristische
Schalter und Steckdosen in Mattschwarz. Eine passgenaue Vertiefung
im Beton rahmt die Schalter und stärkt den soliden Eindruck des
Bauwerks. Neben den klassischen Elektroinstallationen erlaubt ein
KNX-Taster und -Raumcontroller die zentrale Steuerung von
Raumfunktionen wie Temperatur, Beschattung und Beleuchtung.
Bautafel
Architektur: Steimle Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: Liapor, Hallerndorf (Außenwände, Dachkonstruktion Dämmbeton/Sichtbeton); Jansen, Oberriet und Schüco, Bielefeld (Pfosten-Riegel-Konstruktion); Warema, Marktheidenfeld und Mermet (Sonnenschutz); joro türen, Renchen (Innentüren); Franz Nüsing, Münster (Trennwände Ausstellungsraum); FSB, Brakel (Beschläge); Parkett Hinterseer, Putzbrunn (Eichendielen); LTS Licht & Leuchten, Tettnang (Deckeneinbauleuchten); Jung, Schalksmühle (Schalter, Steckdosen: LS 990 und KNX Kompakt-Raumcontroller F 50)
Bauherrschaft: Stadt Bernau bei Berlin
Fertigstellung: 2022
Standort: Hans-Wittwer-Straße 1, 16321 Bernau bei Berlin
Bildnachweis: Brigida González; Steimle Architekten
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