Hausboot Fang Song in Berlin
Netzautark in See stechen
Fang Song – chinesisch für „Entspannen“ – so taufte Marianne Friese ihr neues Hausboot. Nachdem sie jahrzehntelang in Städten ohne Küsten oder Gewässer lebte – zuletzt in Peking – war ihr Wunsch gewachsen, ein autarkes Leben auf dem Wasser zu führen. Eine Idee, die auch vor dem Hintergrund pandemiebedingter Reisebeschränkungen, der anhaltenden Energiekrise und der enormen Wohnungs- und Flächenknappheit in vielerlei Hinsicht verlockend wirkte.
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Fünf Jahre alt war es, als die Weltenbummlerin 2020 das gebrauchte Hausboot erstanden hatte. Sowohl die Größe – ausgelegt ist es für bis zu zwei Personen plus Gäste – als auch die äußere, an einen Omnibus erinnernde Gestaltung weckten Marianne Frieses Interesse. Gemeinsam mit dem chinesisch-deutschen Büro Crossboundaries entwickelte sie anschließend das neue Tiny-House-Konzept sowie das netzautarke Energiesystem des schwimmenden Hauses. Es soll zunächst auf dem Stößensee in Berlin vor Anker liegen und von dort später verschiedene urbane Gebiete in Europa per Wasserweg erreichen.
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Maximal wandelbar
Auf einer Gesamtlänge von etwa 15 Metern und einer maximalen Breite von vier Metern umfasst das Boot einen einzelnen, kompakten Raum. Lediglich das Badezimmer ist in einem separaten Volumen untergebracht. Der Innenraum ist in hohem Maße anpassbar, Dank der maßgeschneiderten und wandelbaren Einbaumöbel, die die weitestgehend offenen Bereiche des Boots je nach Bedarf und Funktion definieren. Grob unterteilt ist das Hausboot in ein äußeres und ein inneres Deck, einen Wohn- und Arbeitsbereich und einen Koch- und Essbereich. Die beiden letzteren Zonen lassen sich durch eine Schiebetür voneinander trennen.
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Drei Möbel definieren die Funktionen des Raums immer neu: Im zum Arbeiten und Wohnen vorgesehenen Bereich lassen sich aus dem Schrank ein Schreibtisch samt Beleuchtung sowie ein Regal herausfalten. Darüber hinaus findet sich hier ein Sofa, das bei Bedarf unter einem ausklappbaren Doppelbett verschwindet. Der zweite große Innenbereich, mit der Küchenzeile, birgt das dritte Möbel: Wird das Boot nicht bewegt, liegt der Steuerstand hinter einer raumhohen Trennwand verborgen. In diesem Zustand ist das Anbringen einer Tischplatte möglich, die ansonsten hinter einer Schiebewand Platz findet. An Schienen geführt, kann das Objekt zudem in den Raum geschoben und mit einer Klappbewegung in ein Bett verwandelt werden. Die Liegefläche schwebt dann über dem Steuerstand, sodass von hier aus ein weiter Blick aufs Wasser möglich ist. Außerdem wird dadurch die technische Anmutung des Cockpits verdeckt, was für eine wohnlichere Atmosphäre sorgt.
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Chinesischer Flair in Farben und Mustern
Inspiriert von ihrem langjährigen Aufenthalt in China und den kaiserlichen Farben des Landes, wählte die Eigentümerin ein übergreifendes Farbkonzept aus leuchtendem Gelb und kräftigem Bordeauxrot. Dieses Farbspiel zieht sich durch alle Bereiche, bis hin zum Badezimmer mit seinen quadratischen gelben Mosaikfliesen und zum Außendeck mit seinen roten Samt-Polsterbänken und leuchtend-gelben Wänden. Textilien mit teils floralen, teils geometrischen Mustern sollen dabei das Zusammenspiel natürlicher und handwerklich hergestellter Elemente widerspiegeln, das traditionelle chinesische Gärten charakterisiert. Die Stoffe stammen aus der persönlichen Sammlung der Eigentümerin, die sie im Laufe der Jahre auf ihren Reisen aufgebaut hatte.
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Effizienz: Fläche, Energie und Ressourcen
In Sachen Effizienz kann sich das schwimmende Mini-Haus sehen lassen: Bedingt durch seinen Standort auf dem Wasser mussten keine weiteren Flächen in der Stadt versiegelt werden. Darüber hinaus ergibt sich durch die funktionale Mehrfachbelegung des Innenraums ein geringer Flächenbedarf pro Kopf – eine mögliche Antwort auf die Herausforderungen des städtischen Wohnraummangels.
Die Planenden verstanden das Hausboot als Erweiterung bzw. Einheit des Stadtraums. Bereits vor dem Umbau war es solarbetrieben. Um mehr Leistung zu erreichen, wurde die solartechnische Ausstattung um weitere PV-Paneele auf dem Dach und an den Seitenwänden ergänzt. Damit kann das schwimmende Haus völlig autark betrieben werden. Von März bis November sowie an sonnigen Tagen im Winter legt es etwa 50 km pro Tag zurück, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 7 km/h. Überschüssigen Strom nimmt ein Batteriespeicher auf, der sowohl die Motoren, als auch die Haushaltsgeräte versorgt. Ein zusätzlicher Netzanschluss sichert die Stromversorgung an bewölkten Tagen ohne ausreichende Sonneneinstrahlung über das öffentliche Netz.
Der Heizbedarf wird regenerativ mit einem Pelletofen gedeckt. Für die Lagerung der Holzpellets ist ein Raum unter dem Fußboden vorgesehen – auf Booten Bilge genannt. In Betrieb und Wartung ist die Anlage mit Öl- und Gasheizungen vergleichbar, während der CO2-Ausstoß wesentlich geringer ist. Der Ofen ist zudem mit einem Smart-Home-System verbunden und kann über eine App ferngesteuert werden.
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Bereit für die Zukunft
Über die vorhandene energietechnische Ausstattung hinaus sind weitere ökologische Verbesserungen geplant: Dazu gehören unter anderem ein Wasserreinigungssystem, das Fluss- oder Seewasser in Trinkwasser umwandelt. Zudem ist die Integration einer biologischen Kläranlage zur Wiederaufbereitung von verbrauchtem Wasser zu Trinkwasser vorgesehen. Dadurch steigt die Unabhängigkeit vom Festland, was in der Folge längere Fahrten bei ressourcen- und energieeffizientem Betrieb ermöglicht. -si
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Bautafel
Architektur: Crossboundaries, Peking/Frankfurt
Projektbeteiligte: Brettmen, Berlin (Tischlerarbeiten); Benedikt Riepe, Berlin (Beratung technische Ausstattung); Mirko Kriebel, Berlin (Beratung, Malerarbeiten, Installation Badezimmer); Woitha, Berlin (Beratung, Installation Pelletofen); Werberitter, Berlin (Bedruckte Glasfolien)
Bauherr/in: Marianne Friese, Berlin
Fertigstellung: 2022
Standort: Stößensee, Berlin
Bildnachweis: Johanna Link, München; Crossboundaries, Peking/Frankfurt
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