Büro- und Verwaltungsgebäude mit Atrien
Einordnung und Maßnahmen zur Erfüllung der Schutzziele
Zeitgenössische Büro- und Verwaltungsgebäude zeichnen sich oftmals durch eine offene und großzügige Architektur aus. Nicht selten wird die innere Erschließung über geschossübergreifende Lufträume – also Atrien – geführt. Büro- und Verwaltungsbauten gelten gemäß Musterbauordnung (MBO) § 2 (4) Pkt. 5 und Pkt. 6 ab einer Bruttogrundfläche einzelner Räume von mehr als 400 m² sowie bei Vorliegen von Räumen mit einer Nutzung durch mehr als 100 Personen als Sonderbau. Da es für Büro- und Verwaltungsgebäude keine Sonderbauverordnung gibt, die Anforderungen und Erleichterungen für diese Gebäude regelt, stellen sie ungeregelte Sonderbauten dar. Demzufolge existieren zu den Atrien in solchen Gebäuden keine über die bauordnungsrechtlichen Anforderungen hinausgehenden Regeln bzw. Erleichterungen für den Brandschutz. Laut MBO § 31 (4) „Decken“ sind Öffnungen jedoch nur innerhalb derselben Nutzungseinheit mit nicht mehr als insgesamt 400 m² Bruttogrundfläche in nicht mehr als zwei Geschossen zulässig. Zusätzliche Vorgaben zum baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Brandschutz kommen ggf. hinzu, wenn im Gebäude auch eine Versammlungs-, Verkaufs- oder Beherbergungsstätte mit geregelter Sonderbauverordnung oder eine Arbeitsstätte vorliegt.
Gallerie
Welche Rolle spielen Brandschutzkonzepte für Büro- und
Verwaltungsgebäude mit Atrien als ungeregelte Sonderbauten und wo
liegen die Grenzen einer offenen Gestaltung?
Werden Atrien brandschutztechnisch als Fassaden zu Außenräumen oder
als Innenräume definiert? Die Definition kann nur unter Betrachtung
des architektonischen Entwurfs durch den Fachplaner für Brandschutz
bestimmt werden. Zunächst sind die baulichen Anforderungen und
damit die Schutzziele gemäß § 14 MBO zu erfüllen – der Entstehung
eines Brandes vorzubeugen und bei einem Brand die Rettung von
Mensch und Tier sowie wirksame Löscharbeiten zu ermöglichen. Bei
einem Büro- und Verwaltungsgebäude wird von einem normalen
Brandentstehungsrisiko ausgegangen. Die Entstehung eines Brandes
kann durch die anwesenden Nutzer frühzeitig entdeckt werden. Die zu
betrachtenden Schwerpunkte innerhalb eines Brandschutzkonzeptes für
Büro- und Verwaltungsbauten mit Atrien bilden die Brandabschnitte,
die Flucht- und Rettungswegeführung einschließlich der Alarmierung
sowie die Entrauchung.
1. Brand- und Rauchabschnittsbildung
Das Atrium verbindet unmittelbar die Geschossebenen. Schutzziel ist, den Brandüberschlag sowie die Rauchausbreitung über die Geschosse zu verhindern. Eine Brandausbreitung kann z.B. durch horizontal auskragende, nichtbrennbare Deckenfelder verhindert werden, die Rauchausbreitung durch die Bildung horizontaler Rauchabschnitte (mit Rauchschutzvorhängen), die die Lufträume gegeneinander abschotten. Eine weitere Möglichkeit der Brand- und Rauchabschnittsbildung wäre eine Abtrennung des Atriums vom übrigen Gebäude mittels Trennwänden entsprechend der Gebäudeklasse.
2. Flucht- und Rettungswege
Bei Sonderbauten sind gemäß MBO § 33 „Erster und zweiter Rettungsweg“ zwei bauliche Rettungswege erforderlich. Das Atrium wird meist als vertikaler Erschließungskern und damit zumindest als ein Flucht- und Rettungsweg genutzt. Es fungiert als Hauptverteiler auf die einzelnen Geschossebenen und ist mit Aufzugsanlagen ergänzt. Das Atrium verbindet damit räumlich und visuell mehrere Geschosse, sorgt für gute Orientierung und eine großzügige, helle Raumwirkung.
Sind jedoch die Flucht- und Rettungswege über geschossübergreifende Bereiche gesichert? Die Möglichkeit der Offenheit von Flucht- und Rettungswegen wird entscheidend durch ihre Nutzbarkeit als Rettungswege beeinflusst. Um eine Freihaltung von Feuer und Rauch zu gewährleisten, ist eine brandschutztechnische Abtrennung der Nutzungseinheiten und der offenen Bereiche erforderlich. Dies kann z.B. durch eine Trennung der Geschossebenen vom offenen Bereich mit Brandschutzverglasungen erreicht werden. Auch Sprinkler- oder Sprühnebelanlagen, ausgelöst durch Rauchwarnmelder, können eine Rauchfreihaltung der offenen Flucht- und Rettungswegezonen über alle Geschosse (Atrium) gewährleisten. Hierbei ist zu beachten, dass eine Brandmeldeanlage (BMA) mit Weiterleitung an die Feuerwehr erforderlich wird. Ein wesentlicher Aspekt bei der Entscheidung für die Anlagentechnik sind jedoch die Folgekosten durch eine normgerechte Wartung und Sachverständigenprüfung, wie sie in den Bundesländern gefordert wird. Nicht selten erfolgt auf Grund enormer Unterhaltungskosten des Gebäudes eine Entscheidung für bauliche Brandschutzmaßnahmen (z.B. Sicherheitstreppenräume mit Sicherheits-Überdruck-Lüftungsanlage – SÜLA – gegen Raucheintritt).
3. Anlagentechnik (Entrauchung)
Werden die Atrien als Rettungswege genutzt, ist die Rauchableitung insbesondere für einen wirksamen Löschangriff der Feuerwehr erforderlich. Die Entrauchung erfolgt meist über Rauchmelder gesteuerte Rauch- und Wärmeabzugsanlagen in der Dachverglasung des Atriums. Hierbei ist ausreichende Zuluft notwendig. Entscheidend ist, dass die benötigte raucharme Schicht oberhalb des höchstgelegenen Flucht- und Rettungsweges angesetzt werden muss.
Fazit: Bei modernen Bürogebäuden, die ungeregelte Sonderbauten sind, sind grundsätzlich objektspezifische Lösungen in Abstimmung mit Behörden und Brandschutzprüfern zu finden. Die Schutzziele sind im Einzelfall genau zu analysieren und ggf. mit adäquaten Mitteln zu erreichen. Der Brandschutz in ungeregelten Sonderbauten ist bereits in der Entwurfsphase ein wichtiger Aspekt, um das Gebäude sicher und funktionsfähig zu gestalten.
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