Große Tierhaltungsanlagen
Einordnung und Beispiel Reitanlage
Üblicherweise stehen der Schutz bzw. die Rettung von Menschenleben im Mittelpunkt des Brandschutzes – sowohl vorbeugend, organisatorisch wie abwehrend. Meist ist in diesem Zusammenhang von „Bewohnern und Bewohnerinnen” bzw. „Nutzern” die Rede. Dass es sich bei letzteren auch um Tiere handeln kann, zeigt ein Blick in die Muster-Bauordnung (§14 MBO): Hier ist explizit die „Rettung von Menschen und Tieren” als Schutzziel definiert.
Gallerie
Brandschutzkonzept
Genehmigungsanträge für Sonderbauten erfolgen grundsätzlich im
Vollverfahren – d.h. vereinfachte Verfahren, wie sie die Musterbauordnung vorsieht und Landesbauordnungen
je nach Gebäudeklasse ermöglichen, sind hier nicht
möglich. Das Brandschutzkonzept ist dabei fester Bestandteil
der im Zuge eines Bauantrags einzureichenden Unterlagen. Dieses hat
neben dem Nachweis der Brandvermeidung, der Brandbekämpfung auch
betriebliche Belange, Abläufe und Besonderheiten zu berücksichtigen
und ist gem. § 66 der MBO von einem Prüfsachverständigen zu
erstellen.
Gebäudeklassen, Sonderbau – baulicher Brandschutz
Die Anforderungen an den Brandschutz ergeben sich zunächst aus der Definition der jeweiligen Gebäudeklasse gemäß § 2 Abs. 4 in Verbindung mit § 51 MBO. Tierhaltungsanlagen sind zwar nicht explizit genannt, fallen aber bei mehr als 1.600 m² Geschossfläche gem. § 2 Abs. 4 Pkt. 3 unter die Einordnung als Sonderbau.
Entsprechend der jeweiligen Gebäudeklassen sind die Brandschutzanforderungen bzw. Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile wie tragende Konstruktionen, Gebäudetrennwände und Brandwände, Wände und Decken, die den Stall von Technik- und Nebenräumen trennen und dgl. definiert. Stalleinbauten müssen – in Abhängigkeit von Tierart und Haltungsform – vorrangig aus nicht brennbaren Materialien bestehen.
Für die meisten Sonderbauten gibt es bundesweit gültige Musterrichtlinien, wie z.B. für Schulbauten (Muster-Schulbau-Richtlinie – MSchulbauR), Hochhäuser (Muster-Hochhaus-Richtlinie – MHHR), Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättVO) oder Industriebauten (Muster-Industriebau-Richtlinie – MIndBauRL). Für Tierhaltungsanlagen existiert jedoch keine solche einheitliche Regelung; die Muster-Industriebau-Richtlinie (MIndBauRL) beschreibt explizit, dass diese nicht auf Tierhaltungsanlagen anwendbar ist. Vor diesem Hintergrund haben einzelne Bundesländer und Landkreise eigene Richtlinien erlassen, insbesondere jene mit großen landwirtschaftlich genutzten Flächen, großen Mastbetrieben und Pferdezucht- und Reitanlagen wie beispielsweise Bayern, Nordrhein-Westfalen und insbesondere Niedersachsen.
Welche baurechtlichen Vorgaben bezüglich des Brandschutzes zu beachten sind, zeigt exemplarisch der Blick in die Landesbauordnung Niedersachsen (NBauO) und die entsprechende Durchführungsverordnung zur Niedersächsischen Bauordnung (DVO-NbauO). Niedersachsen ist deshalb ein geignetes Beispiel, weil es mit einem Anteil von knapp 23 Prozent das Bundesland mit den meisten Pferden und Reitanlagen in Deutschland ist.
Reitanlagen
Bei Pferdeställen ist durch deren relative hohe Brandlast (durch Einstreu, eingebaute Holzbauteile und dergleichen) neben der Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile insbesondere die Rettungsweglänge der zu evakuierenden Pferde zu berücksichtigen. Es wird empfohlen, die Pferdeboxen mit direkten Ausgängen ins Freie vorzusehen, wobei die Ausgänge für Pferde eine Mindestgröße von 1,25 x 2,50 Meter haben müssen. Die maximale Entfernung ins Freie darf gemäß § 12 der DVO-NBauO an keiner Stelle mehr als 35 Meter betragen. Reithallen sind grundsätzlich mit einer inneren Brandwand gemäß § 8 DVO-NBauO von den Pferdeboxen abzutrennen.
Betrieblicher und organisatorischer Brandschutz
Auf der Reitanlage ist ein abgesperrter Bereich als Evakuierungsfläche für die Pferde im Brandfall vorzuhalten. Dieser Bereich ist so zu bemessen, dass er mindestens 50 Prozent der Tierhaltungsfläche innerhalb der Stallanlage einnimmt. Der Evakuierungsbereich muss eingezäunt und beleuchtet sein und ist innerhalb des Brandschutzkonzepts als Lageplan darzustellen. Ebenso ist ein Feuerwehrplan mit Brandschutz- und Tierrettungsplänen als Lageplan mit Wasserentnahmestellen, Zufahrten, Türen und ggf. Brandabschnitten vorzulegen. Auf der Anlage ist ein Feuerwehrschlüsselkasten mit Schlüsseln für die gesamte Reitanlage vorzuhalten.
Brandbekämpfung
Neben der Darstellung von Art, Anzahl und Anordnung von Feuerlöschern ist der Nachweis über die benötigte Löschwassermenge zu erbringen. Hierzu müssen mindestens 800 Liter pro Minute über zwei Stunden verfügbar sein, hierbei mindestens 50 Prozent im Umkreis von 150 Metern, weitere 50 Prozent im Umkreis von 300 Metern.
Die befestigten Flächen für die Feuerwehr (Aufstellflächen) und Bewegungsflächen sind mindestens zweiseitig am Gebäude vorzusehen.
Neben den erwähnten baulichen Rechtsgrundlagen gibt auch die Publikation Brandschutz in Reitbetrieben – VdS 2551: 1998-01 des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV) wertvolle Hinweise zu den spezifischen Brandschutzanforderungen bei Reitanlagen. Der Leitfaden enthält wesentliche Informationen in kompakter Form und ist kostenlos als pdf-Download verfügbar (siehe Surftipps).
Fachwissen zum Thema
Surftipps
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