Das zweite Leben des Heidelberger Tankturms
Umbau eines Industriedenkmals zum kulturellen Identifikationsort
Seit 1973 stand der Wasserturm auf dem Heidelberger Bahnhofsgelände leer. Früher wurden hier die Dampflokomotiven mit Wasser versorgt. 2014 erwarb das Architekturbüro AAg Loebner Schäfer Weber den Industriebau, erarbeitete ein neues Nutzungskonzept und baute das Denkmal um.
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Das Architekturbüro ist in den Ostflügel eingezogen, das Heidelberger Klangforum für zeitgenössische Musik erhielt Probe- und Geschäftsräume im westlichen Trakt. Weitere Räumlichkeiten stehen heute im Tankturm für öffentliche, halböffentliche und private Nutzungen zur Verfügung – etwa Konzerte und Theater im großen Saal, Lesungen im früheren Wassertank, Workshops und Tagungen in den Seminarräumen. Im Untergeschoss bietet die hauseigene Kantine Essen an für Mitarbeiter und Gäste des Hauses wie für Besucher aus der Nachbarschaft. Mit diesem integrativen Konzept strahlt das ehemalige Industriegebäude in sein Umfeld aus.
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Öffnung zum Umfeld
In seiner äußeren Gestalt erscheint der Ziegelbau von 1928 fast
unangetastet. Sichtmauerwerk, Werksteinsockel und Fensterbänke
blieben beim Umbau unverändert. Auch die bestehenden
Sprossenfenster wurden lediglich neu eingeglast – ein
wesentlicher Beitrag für die Erhaltung des Fassadenbildes. Nur
wenige Eingriffe in die Bausubstanz machen das zweite Leben des
Bahnwasserturms von außen ablesbar. Das Dach wurde neu eingedeckt,
ein schmales Fensterband durchzieht heute die Dachfläche.
Stählerner Fluchtbalkone schieben sich aus der Turmfassade und im
Erdgeschoss erlaubt ein großes Schaufenster Einblick in den
Veranstaltungssaal.
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Das Neue wird sichtbar gemacht
Im Gebäudeinneren sind die Eingriffe tiefgreifender, doch die ursprüngliche Baustruktur bleibt ablesbar. In den Tankturm wurde ein skulpturales Erschließungssystem mit Treppen und Stegen aus schwarzem Stahl eingebaut. Eine Plattform dient als Galerie und leitet in den hohen, Kathedrale genannten Turmraum. Die Haltung der Planenden war, das Vorhandene zu bewahren, aber nichts nachzubauen. Alles Neue sollte sichtbar gemacht werden.
Fugen, Öffnungen und Verbindungen
So setzt sich das neue Erschließungssystem im Turm konsequent
von der ursprünglichen Bausubstanz mit seinen rohen
Betonoberflächen ab. Durchblicke entstehen in und durch die inneren
Räume hindurch, nach oben und unten sowie nach außen. Eine
Spindeltreppe erschließt den ehemaligen Wassertank. Als zentrales
Element des Gebäudes wird er nun als Veranstaltungsraum genutzt.
Indem der Tank über ein Drittel seiner Breite aufgesägt wurde, kann
nun auch Tageslicht einfallen.
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Umgang mit Fenstern und Beschlägen
Die Fenster des Turmbaus und der beiden Anbauten
blieben fast vollständig erhalten. Für die Verbesserung der
Wärmedämmung wurden die Bestandsfenster zum Innenraum hin
aufgedoppelt. Die Rahmen zusätzlicher neuer Fenster sind
flächenbündig mit der Wand des Innenraums eingesetzt. Durch die
neuen Fenster schaue man nun „wie durch eine Vitrine auf die
alten“, so Stefan Loebner. Auch die meisten der ursprünglichen
Beschläge der Bestandsfenster werden weiter verwendet.
Mängelbehaftete und nicht mehr funktionsfähige Fensteroliven wurden
durch neue Griffe in einer reduzierten geraden T-Form aus
gebürstetem Edelstahl ersetzt.
Für die neuen Innenfenster entschieden sich die Planenden
ebenfalls für Edelstahl-Fenstergriffe; hier jedoch mit einer
minimalistisch gebogenen L-Form, die sich deutlich von den
Ersatzoliven der Bestandsfenster absetzen. Beide Ausführungen sind
in ihrer puristischen Ausformung eindeutig zeitgenössisch
zuzuordnen und führen das architektonische Konzept der räumlichen
Reduktion bis ins Detail fort. Dies ist auch an den neuen Türen mit
Griffen aus gebürstetem Edelstahl in einer abgeschrägten Form und
einem Langschild ohne Schlüsselausfräsung ersichtlich. Die
Grundsätze des Gesamtentwurfs wurden hier vom Großen ins Kleine
übertragen.
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Kulturelle Landmarke im neuen Stadtquartier Bahnstadt
Die Erscheinung und Charakteristik des historischen Bauwerks ist erhalten geblieben. Die Räume im Inneren hingegen stehen heute für vielfältige und zeitgenössische Nutzungen zur Verfügung und wurden nach außen geöffnet. An seinem Standort innerhalb der Heidelberger Bahnstadt kommt dem Industriedenkmal als Kultur- und Veranstaltungszentrum eine wichtige Identifikationsaufgabe zu. Die Bahnstadt ist eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in Deutschland. Auf einer Fläche von etwa 116 Hektar entstehen hier Wohnungen für rund 5.000 Menschen, Flächen für Wissenschafts- und Forschungsunternehmen sowie Firmensitze im Passivhaus-Standard. Als eines der wenigen erhaltenen historischen Bauwerke wirkt der Tankturm im neuen Stadtquartier als kulturelle Landmarke und verkörpert gleichzeitig die ursprüngliche Nutzung des Ortes.
Bautafel
Architektur: AAg LoebnerSchäferWeber BDA Freie Architekten, Heidelberg
Projektbeteiligte: Schlosserei Löw, Michelstadt (Stahl, Kunstschmiede und Schlosserei); BWS Rhein-Neckar, (Fußboden); Otto Rossmanith Fensterbau, Heidelberg (Türen); Pavatex, Freiburg (Holzfaserdämmplatten); Bauder, Stuttgart (Diffusionsoffene Metalltrennlage); Randi by Eco Schulte, Menden (Fenstergriffe: T-Serie; Randi-Line 1703; Türdrücker: Randi-Line 1028 mit Langschild: Randi-Line 1202)
Bauherr/in: Wasserturm Grundstücksverwaltungs GbR
Standort: Eppelheimer Straße 46, 69115 Heidelberg
Fertigstellung: 2015
Bildnachweis: Thomas Ott (Fotos); Siegmund Schleiss/AAg LoebnerSchäferWeber, Heidelberg; AAg LoebnerSchäferWeber BDA Freie Architekten, Heidelberg (Pläne)
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