Lebenszyklusanalyse (LCA)

Ein nagelneues Elektroauto oder ein benzinbetriebener Gebrauchtwagen – welche Kaufentscheidung wäre für die Umwelt die günstigere? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten und hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem davon, wie lange das Auto genutzt wird. Jeder Einsatz eines Produkts hat weitreichende Konsequenzen in Bezug auf Nachhaltigkeitskriterien, die von der Produktion über die Nutzung bis hin zur Entsorgung oder Wiederverwendung reichen. Die Lebenszyklusanalyse (engl. Life Cycle Assessment, abgekürzt LCA, auch Ökobilanz) versucht die Umweltwirkungen wie Emissionen oder Ressourcenverbrauch über die gesamte Lebensdauer eines Produkts einzuschätzen und kann dabei unterstützen, eine informierte Entscheidung zu treffen.

Gallerie

Von den drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Wirtschaft und Soziales – fokussiert sich die LCA in erster Linie auf die Ökologie, wobei weitere Aspekte hinzugenommen werden können. Die Lebenszyklusanalyse kann nicht nur für Produkte, sondern ebenso für Dienstleistungen, Organisationen, Lebensstile oder Länder angewendet werden. Ziel der Methode ist es, mögliche ökologische Risiken und Schwachstellen aufzuspüren sowie Optimierungspotenziale aufzuzeigen.

Ökobilanz

Man unterscheidet drei verschiedene Arten der Ökobilanz: Erstens die Lebenszyklusanalyse, die ein einzelnes Produkt bewertet. Zweitens die vergleichende Ökobilanz, welche die Analyse mehrerer Produkte gegenüberstellt und drittens die ganzheitliche Bilanzierung, die auch wirtschaftliche, technische oder soziale Aspekte mit einbezieht. Die Richtlinien für die Erstellung einer Lebenszyklusanalyse sind in der ISO-Norm 14044 festgelegt. Eine vollständige Ökobilanz nach ISO-Norm umfasst vier Schritte: Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen, Sachbilanz, Wirkungsabschätzung und Auswertung.

Definition des Ziels und Untersuchungsrahmens

Da die Ökobilanz eines ausgewählten Produkts stark vernetzt ist, werden im ersten Schritt die Systemgrenzen festgelegt. Sie definieren, welche Lebensphasen Teil der Untersuchung sind – beispielsweise Produktion bis Entsorgung – sowie was als funktionelle Einheit betrachtet wird. Dieser erste Schritt hat einen entscheidenden Einfluss auf die gesamte Auswertung, denn je nach Setzung von Systemgrenzen und funktioneller Einheit können die Resultate der LCA verschieden ausfallen. Angenommen, es sollen zwei Kühlschränke miteinander verglichen werden: ein großer Kühlschrank mit dem Energielabel A+ und ein kleines Modell mit dem Energielabel B. Betrachtet man den Kubikmeter gekühlten Raum als funktionelle Einheit, schneidet der große Kühlschrank besser ab, da er weniger Kühlverluste hat. Doch definiert man den gesamten Kühlschrank als funktionelle Einheit, so punktet der kleine Kühlschrank, weil er insgesamt weniger kWh pro Jahr verbraucht.

Sachbilanz (Life Cycle Inventory) und Wirkungsabschätzung

Die anschließende Sachbilanz listet alle Inputs (Ressourcen, Materialien, etc.) und Outputs (Emissionen, Abfall usw.) quantitativ auf. Diese Liste nennt sich Life Cycle Inventory (LCI) und gibt selbst noch keine Anhaltspunkte zur Umweltwirkung des Produkts. Erst im dritten Schritt, der Wirkungsabschätzung, werden die Daten der Sachbilanz in einen Kontext gesetzt und ökologisch bewertet: Die LCI-Daten werden sogenannten Einflusskategorien zugeordnet, beispielsweise Klimaerwärmung, Versauerung, Ausbeutung der Ressourcen oder Toxizität. Mit Hilfe von Inventaren, die den ökologischen Einfluss in Umweltbelastungspunkten angeben, können der Sachbilanz die jeweiligen Umweltwirkungen als Zahl zugewiesen werden. Für die Klimaerwärmung kann man die Daten in CO₂-Äquivalente umrechnen. So entspricht etwa 1kg Methanemission 23kg Kohlenstoffdioxid.

Auswertung und Interpretation

Die Resultate der Wirkungsabschätzung können ebenfalls für die Einschätzung der abschließenden Konsequenzen in den drei Kategorien menschliche Gesundheit, Natur und Ressourcen verwendet werden. Als jeweilige Messgrößen dienen dabei der Verlust von erwarteter Lebenszeit, der Verlust der Biodiversität und die Erschöpfung von Ressourcen sowie die zusätzliche Energie, welche aufgewendet werden muss, um weiterhin Ressourcen zu gewinnen. In der abschließenden Auswertung werden die Daten und Resultate interpretiert und Schlussfolgerungen und Empfehlungen formuliert. Die Ökobilanz wird je nach späterer Nutzung und Art der Veröffentlichung zusätzlich durch unabhängige Gutachter*innen geprüft.

Defizite der LCA

Mithilfe der gesamtheitlichen Betrachtungsweise kann die Lebenszyklusanalyse entscheidende Hinweise für Produzent*innen und Verbraucher*innen liefern. Allerdings weist die Methode auch einige Defizite auf: So ist die Vorgehensweise bei der LCA immer identisch – egal ob es sich um einen Joghurt oder um ein Gebäude handelt, obwohl sich das Leben beider Produkte und die damit verknüpften Dienstleistungen stark unterscheiden.

Insbesondere bei der Ökobilanz von Gebäuden ergeben sich Unsicherheiten. Die Betonproduktion kann beispielsweise je nach verwendeten Technologien sehr unterschiedliche Ökobilanz-Werte aufweisen. Die  entsprechenden Datenbanken bieten hier aber nur einen ungefähren Wert, der nicht auf individuelle Abweichungen eingeht. Zudem ist die genaue Lebenszeit eines Gebäudes meist unbekannt. Ebenso unklar ist, welche Recyclingmethoden in 50 oder 100 Jahren zum Einsatz kommen können. Zudem bleibt die LCA-Berechnung insofern statisch, da alle Emissionen aufsummiert werden, ohne zu differenzieren, zu welchem Zeitpunkt sie anfallen. Beispielsweise werden bei der Herstellung von Holz – also dem Wachstum des Baumes – keine Emissionen freigesetzt, sondern erst dann, wenn das Holz nach 100 Jahren verbrannt wird. Diese zeitliche Verschiebung kann aber ausschlaggebend sein, um Kohlenstoff in Baumaterialien zu speichern und dadurch das Klima durch nicht getätigte Emissionen zu kühlen (siehe Artikel Was bedeutet nachhaltiges Bauen?).

Es ist daher zentral, die Faktoren der LCA und deren Berechnung genau zu verstehen, um sich den Möglichkeiten und Grenzen der Methode bewusst zu sein. Die Lebenszyklusanalyse führt nicht zu einer richtigen, eindeutigen Antwort, sondern kann dabei helfen Probleme, Risiken und mögliche Lösungen besser zu verstehen. -sh

Fachwissen zum Thema

Die einfache Trennbarkeit von Konstruktionen mit Materialien unterschiedlicher Lebensdauer ist ein wichtiges Kriterium der Rückbaubarkeit.

Die einfache Trennbarkeit von Konstruktionen mit Materialien unterschiedlicher Lebensdauer ist ein wichtiges Kriterium der Rückbaubarkeit.

Baustoffe/​-teile

Rückbaubarkeit

Je einfacher ein Gebäude wieder in seine Bestandteile zerlegt werden kann, umso besser ist seine Eigenschaft „Rückbaubarkeit“ zu...

Schätzungsweise 30-40 Prozent des zukünftigen Bauens wird in informellen Siedlungen stattfinden.

Schätzungsweise 30-40 Prozent des zukünftigen Bauens wird in informellen Siedlungen stattfinden.

Einführung

Was bedeutet nachhaltiges Bauen?

Bauen ist Teil der globalen Nachhaltigkeitsziele. Ob ein Bau nachhaltig ist, hängt unter anderem davon ab, ob er sich im Globalen Norden oder im Globalen Süden des Planeten befindet.

Bauwerke zum Thema

Studierende haben im Rahmen des Masterprogramms „Advanced Ecological Buildings and Biocities" der IAAC Barcelona eine selbstversorgende Quarantäne-Hütte entworfen und gebaut.

Studierende haben im Rahmen des Masterprogramms „Advanced Ecological Buildings and Biocities" der IAAC Barcelona eine selbstversorgende Quarantäne-Hütte entworfen und gebaut.

Sonderbauten

Quarantäne-Hütte Voxel im Naturpark Serra de Collserola

Als Prototypen für ökologisches und lokales Bauen haben Studierende einer spanischen Hochschule die selbstversorgende Quarantäne-Hütte entworfen und gebaut.

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Mauerwerk sponsored by:
Wienerberger | Kontakt 0511 / 610 70-0 | www.wienerberger.de
Zum Seitenanfang

Städtebauliche Nachhaltigkeit

In die großmaßstäbliche Planung sind die gesetzlichen Anforderungen des Umwelt- und Naturschutzes mit einzubeziehen

In die großmaßstäbliche Planung sind die gesetzlichen Anforderungen des Umwelt- und Naturschutzes mit einzubeziehen

Die Umsetzung erfordert unterschiedliche Strategien auf verschiedenen Maßstabsebenen, die meist in Wechselwirkung zueinanderstehen.

Lebenszyklusanalyse (LCA)

Schematische Darstellung eines Produktkreislaufs für die Ökobilanz.

Schematische Darstellung eines Produktkreislaufs für die Ökobilanz.

Berechnung der Umweltwirkungen über die gesamte Lebensdauer eines Produkts und Hilfe bei der Abschätzung von Risiken und Lösungen

Nachhaltigkeit beginnt im Entwurf

Entwurfsbegleitende Lebenszyklusanalyse

Entwurfsbegleitende Lebenszyklusanalyse

Inzwischen sind Planungswerkzeuge erprobt, die durch umfassende Simulationen und Analysen frühzeitig fundierte Entscheidungen mit Blick auf die Nachhaltigkeit eines Gebäudes ermöglichen.

Planung eines nachhaltigen Gebäudes

Neben der Funktionalität eines Gebäudes sollte immer die zeitlose, ansprechende Gestaltung berücksichtigt werden (im Bild: Barnimpanorama, Naturparkzentrum – Agrarmuseum Wandlitz (2013); Architektur: rw+, Berlin).

Neben der Funktionalität eines Gebäudes sollte immer die zeitlose, ansprechende Gestaltung berücksichtigt werden (im Bild: Barnimpanorama, Naturparkzentrum – Agrarmuseum Wandlitz (2013); Architektur: rw+, Berlin).

Nicht nur die Funktionalität, auch die zeitlose, ansprechende Gestaltung ist zu berücksichtigen. Je nach lokalen Gegebenheiten sollten Sparstrategie und Gewinnstrategie im Gleichgewicht stehen.

Anforderungen zur Behaglichkeit

Eine gleichmäßige Temperatur der Luft und der umfassenden Wände bei durchschnittlicher Kleidung, geringer Luftbewegung und mäßiger körperlicher Aktivität in einem gut beleuchteten Raum wirkt auf die meisten Menschen angenehm

Eine gleichmäßige Temperatur der Luft und der umfassenden Wände bei durchschnittlicher Kleidung, geringer Luftbewegung und mäßiger körperlicher Aktivität in einem gut beleuchteten Raum wirkt auf die meisten Menschen angenehm

Die Behaglichkeit drückt das Wohlbefinden eines Menschen aus; sie ist maßgeblich durch äußere Einflüsse der Umgebung bedingt....

Gebäudeform

Je größer die Kantenlänge eines Würfels, umso kleiner sein A/V-Verhältnis

Je größer die Kantenlänge eines Würfels, umso kleiner sein A/V-Verhältnis

Die Kompaktheit von Baukörpern wird durch das Verhältnis der wärmeabgebenden Hüllfläche (A) zum beheizten Volumen (V) angegeben....

Vor der Planung

Ein Neubau sollte nur dann realisiert werden, wenn zur Deckung des Bedarfs kein Bestandsgebäude (um)genutzt werden kann

Ein Neubau sollte nur dann realisiert werden, wenn zur Deckung des Bedarfs kein Bestandsgebäude (um)genutzt werden kann

Zu den grundsätzlichen Überlegungen einer nachhaltigen Planung gehören:  die Bedarfsanalyse, die Berücksichtigung der...

Kriterien und Bewertungshilfen

Gebäudesimulation als Bewertungshilfe

Gebäudesimulation als Bewertungshilfe

Wie lassen sich Annahmen über die Nachhaltigkeit von Entwurfsvarianten treffen?

Bauphysikalische Planungsleitlinien

Einfluss des Formfaktors auf die Anforderungen an den Transmissionswärmeverlust von Nichtwohngebäuden

Einfluss des Formfaktors auf die Anforderungen an den Transmissionswärmeverlust von Nichtwohngebäuden

Minimierung von Transmissionsverlusten QTIm Idealfall ist ein einfacher Baukörper anzustreben (kompakte Bauweise), er zeichnet...

Gebäudeorientierung und Zonierung

Ost- bzw. Westfenster empfangen 60%, Nordfenster 40% der nutzbaren Solareinstrahlung eines nach Süden gerichteten Fensters (Bild: Wohnen am Woerthboeschel in Baden-Baden)

Ost- bzw. Westfenster empfangen 60%, Nordfenster 40% der nutzbaren Solareinstrahlung eines nach Süden gerichteten Fensters (Bild: Wohnen am Woerthboeschel in Baden-Baden)

Die Orientierung eines Gebäudes und die Ausrichtung der Fenster bestimmen maßgeblich den Wärmegewinn während der Heizperiode. Ost-...

Solarenergie nutzen

In der nördlichen Hemisphäre erzielen Südfassaden im Winter die höchsten solaren Wärmegewinne, im Sommer lassen sie sich am leichtesten gegen Überhitzung schützen (im Bild: VM Häuser in Orestad/Kopenhagen, 2005; Architektur: BIG + JSD = PLOT, Kopenhagen).

In der nördlichen Hemisphäre erzielen Südfassaden im Winter die höchsten solaren Wärmegewinne, im Sommer lassen sie sich am leichtesten gegen Überhitzung schützen (im Bild: VM Häuser in Orestad/Kopenhagen, 2005; Architektur: BIG + JSD = PLOT, Kopenhagen).

Wie lassen sich passive und aktive Gewinne erzielen? Was ist bei der Ausrichtung der Fensterflächen zu beachten, welche Materialien weisen eine hohe Speicherfähigkeit auf?

Raumluft-, Licht- und thermische Simulationen

Neben der Gebäudesimulation können auch eine Reihe von anderen Simulationen in den verschiedenen Planungsprozessen eine...

Thermische Behaglichkeit

Beeinflussung der Temperatur bei sitzender Tätigkeit

Beeinflussung der Temperatur bei sitzender Tätigkeit

Wesentliche Elemente der thermischen Behaglichkeit sind die Temperaturen der Luft und der Umschließungsflächen, sowie der...

Licht und Behaglichkeit

Unser Helligkeitseindruck hängt von der Beleuchtungsstärke und den Reflexionen der angestrahlten Gegenstände ab.

Unser Helligkeitseindruck hängt von der Beleuchtungsstärke und den Reflexionen der angestrahlten Gegenstände ab.

Natürliches Licht steht uns abhängig von der Tages- und Jahreszeit in unterschiedlichen Beleuchtungsstärken zur Verfügung; gegenüber Kunstlicht hat Tageslicht jedoch viele Vorteile.

Raumluftqualität

Für ein behagliches Raumklima ist ein bestimmter Luftaustausch notwendig; als Richtwert ist ein Luftbedarf von 25-30 Kubikmeter pro Stunde (m³/h) je Person anzusetzen.

Für ein behagliches Raumklima ist ein bestimmter Luftaustausch notwendig; als Richtwert ist ein Luftbedarf von 25-30 Kubikmeter pro Stunde (m³/h) je Person anzusetzen.

Für ein behagliches Raumklima ist ein bestimmter Luftaustausch notwendig; als Richtwert ist ein Luftbedarf von 25-30 Kubikmeter pro Stunde (m³/h) je Person anzusetzen.

Nutzerverhalten

Bereits zu Beginn der Planung sollten deshalb die zu erwartenden Verhaltensweisen der das Gebäude nutzenden Personen berücksichtigt werden.

Bereits zu Beginn der Planung sollten deshalb die zu erwartenden Verhaltensweisen der das Gebäude nutzenden Personen berücksichtigt werden.

Auch wenn die technischen und baulichen Voraussetzungen stimmen - der Erfolg eines energiesparenden Gebäudekonzepts hängt von den Personen ab, die dort leben oder arbeiten.

Verschattung

Die Verschattungswirkung von laubabwerfenden Bäumen wird häufig unterschätzt.

Die Verschattungswirkung von laubabwerfenden Bäumen wird häufig unterschätzt.

Wie wirken sich die umgebende Vegetation und benachbarte Gebäude auf die Nutzung von solarer Wärme und Energie aus? Auch die künftige Entwicklung ist zu beachten.

Wienerberger und CREATON

Zwei Firmen, ein Ziel: Emissionen senken und Ressourcen schonen. Zusammen so viel mehr Stabilität und Nachhaltigkeit!

Partner-Anzeige