Mehrfamilienwohnhaus Woodcube in Hamburg
Außenwände und Decken aus gestapeltem Massivholz
Rund 10 Kilometer südlich der Hamburger Innenstadt befindet sich
auf einer der Elbinseln zwischen Norder- und Süderelbe der
Stadtteil Wilhelmsburg. Im Rahmen der Internationalen
Bauausstellung (IBA) 2013 entsteht hier das Stadtquartier Neue
Mitte Wilhelmsburg, für das, auch im Zuge der Internationalen
Gartenschau 2013 im benachbarten Inselpark, ehemalige Industrie-
und Brachflächen neu erschlossen und bebaut wurden.
Umweltbewusstes Bauen und Nachhaltigkeit sind die
Themenschwerpunkte der IBA. Zwölf Experimentalbauten in
Wilhelmsburg-Mitte sollen ihr Herzstück bilden. Einer davon ist ein
fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus mit insgesamt 900 Quadratmetern
Wohnfläche, das bis auf den zentralen betonierten Aufzugs- und
Treppenhauskern sowie den Keller aus Stahlbeton in massiver
Vollholzkonstruktion erbaut wurde. Für den Entwurf und die Planung
zeichnete das Stuttgarter Büro Architekturagentur verantwortlich.
Das Ziel war es, ein Gebäude zu errichten, welches in der gesamten
Lebenszyklus-Betrachtung keinerlei Treibhausgase emittiert und sich
vollständig recyceln lässt. Sämtliche Baumaterialien des Gebäudes
wurden auf ihr CO₂-Potenzial und ihre baubiologische
Verträglichkeit überprüft. Das Effizienzhaus 40 verzichtet
weitgehend auf den Verbrauch von nicht nachwachsenden Rohstoffen.
Strom und Wärmeenergie werden CO₂-neutral aus regenerativen Quellen
gewonnen.
Auf der Nordseite des Gebäudes befinden sich die
Anwohnerparkplätze. Besucher parken außerhalb des
Inselpark-Geländes, um das Verkehrsaufkommen möglichst gering zu
halten. Die Grünanlagen der internationalen Gartenschau ringsum
werden auch nach der Ausstellung erhalten bleiben.
Gallerie
Erschlossen wird das würfelförmige Gebäude auf der
Nord-Ostseite. Der Gast erreicht über einen Flur den zentral im
Gebäude angeordneten Treppenhauskern. In dessen Mitte befindet sich
der betonierte Aufzugsschacht, um den herum die Treppe verläuft.
Insgesamt gibt es acht barrierereduzierte Eigentumswohnungen mit 70
bis 190 m² Wohnfläche. Im Erdgeschoss befinden sich zwei davon. Sie
besitzen jeweils einen großzügig gestalteten Wohn- und Essbereich
mit integrierter Küche, ein Bad, ein Schlafzimmer und eine
ebenerdige Terrasse. Im ersten Obergeschoss liegen zwei ähnlich
geschnittene Wohnungen, allerdings mit jeweils zwei Schlafräumen
und einem auskragenden Balkon. Das dritte und vierte Obergeschoss
werden von jeweils einer Geschosswohnung eingenommen sowie von
einer Einheit, die über beide Etagen verläuft. In der vierten Etage
befindet sich ein großzügig gestaltetes Penthouse mit rund 190 m²
Wohnfläche und drei Balkonen. Alle Wohnungen sind hell und offen
gestaltet.
Das Besondere an der Bauweise ist die massive Vollholzkonstruktion
im Bereich der Decken und Außenwände. Die 32 cm starken
Wandelemente wurden aus unverleimten, horizontal, vertikal und
diagonal gestapelten Brettschichten hergestellt, die auf
traditionelle Weise mit Buchenholzdübeln verbundenen sind. Auf den
Einsatz von Leimen, Lacken und Holzschutzmitteln wurde gänzlich
verzichtet. Dadurch soll ein schadstofffreies Raumklima entstehen.
Alle Hölzer stammen aus nachhaltig bewirtschafteten, heimischen
Forstbeständen. Verwendet wurden vor allem Tannen-, Fichten- und
Lärchenholz. Die Wandelemente sind statisch tragend und leisten
zugleich die nötige Wärmedämmung sowie die erforderliche
Brandschutzkapselung. Eine eingelegte, 4 cm starke und unverleimte
Holzweichfaserplatte sowie eine spezielle Fräsung der
Brettoberfläche, die für stehende Luftschichten innerhalb des
Wandelementes sorgt, verbessern den Wärmedurchgangskoeffizienten
(U-Wert) der Gebäudehülle. Energetisch erreicht das Gebäude ohne
hohe Dämmstoffstärken Passivhausqualität.
Analog zu den Wandelementen sind sämtliche Geschossdecken aus
leimfreien, gedübelten Vollholzlagen gefertigt. Die 23 cm starken
Massivholzdecken spannen stützenfrei zwischen Kern und Außenwänden
über ca. 6,00 m. Im Bereich der Balkone kragen sie ohne thermische
Unterbrechung nach außen um rund 2,50 m aus. Die große Masse an
massivem Holz erfüllt außerdem die Anforderungen an den
Schallschutz. Durch die stützenfreie Bauweise ist eine flexible
Raumaufteilung mittels nichttragender Innenwände in
Holzständerbauweise nach dem Wunsch der jeweiligen Besitzer
möglich.
Zur Minimierung des Stromverbrauches kommt ein vernetztes
Energiemanagement-System zum Einsatz. Es erkennt den Bedarf an
Heizenergie, Frischluft, Licht oder Schatten und steuert
automatisch die Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung an. Die
Bewohner können jederzeit ihren Stromverbrauch ablesen und die
Stromkreisläufe steuern sowie ein- oder abschalten. Elektrosmog kann dadurch verhindert und Geräte in
Stand-by-Modus abgeschaltet werden. Die Heizenergie wird aus dem
regenerativ betriebenen Wilhelmsburger Nahwärmenetz bezogen. Strom
wird mittels Photovoltaik erzeugt. Damit wurde das Gebäude nicht
nur ressourcenschonend errichtet, sondern es soll auch während
seiner Betriebsphase CO₂-neutral bleiben.
Bautafel
Architekten: Architekturagentur, Stuttgart
Projektbeteiligte: Institut für urbanen Holzbau IfuH, Berlin (Vorentwurf); Isenmann Ingenieure, Haslach (Statik); InHaus, Duisburg (Energiemanagement); TSB Ingenieure, Darmstadt (Bauphysik, Brandschutz); Ökoplan, Donaueschingen (Baubiologie)
Bauherr: Deep Green Development, Hamburg
Fertigstellung: 2013
Standort: Am Inselpark 7, 21109 Hamburg
Bildnachweis: IBA Hamburg; Fotos: Martin Kunze