Pavillon-Installation bei Riad
Temporäre Raumbildung mit Drahtgittern, Kork, Gras und Klängen
Ausgebrochene Mauern, dicht an dicht gedrängte Lehmruinen, die ihre abgerundeten Spitzen gen Himmel recken und mit etwas Fantasie an angebissene Schokofiguren erinnern – das ist das historische Diriyah, ein nordwestlicher Vorort von Riad, heute rund 30.000 Einwohner groß. Hier realisierte der Mailänder Raumkünstler und Bühnenbildner Edoardo Tresoldi mit verschiedenen Partnern die experimentelle Pavillon-Installation Gharfa, die direkt von den nahe gelegenen Lehmruinen inspiriert ist.
Gallerie
1446 als Wadi-Oase gegründet, gilt es als Riads Vorgänger- und erste Hauptstadt des saudischen Staates. Seit 2010 ist der nordwestliche Stadtteil at-Turaif als UNESO-Welterbestätte geschützt. Im Herbst 2019 hat sich Saudi-Arabien erstmals dem internationalen Tourismus geöffnet und zum Besuch seiner insgesamt fünf Welterbestätten eingeladen. Die neue Visaregelung wurde in Diriyah mit einer Gala-Veranstaltung gefeiert. Begleitet war dieser historische Schritt von einer Reihe an Events und Projekten, um das Kulturerbe zu bewerben und zu inszenieren.
Stadtkrone aus Kork und Metall
Neben Videoprojektionen auf die alten Mauern und mehreren geplanten Museumsbauten gehört das rund fünf Kilometer entfernte Kreativprojekt „Diriyah Oasis“ dazu – eine Art temporärer Freizeitpark, in dessen Zentrum sich der Pavillon befindet. Tresoldi hatte vor seiner Entscheidung, Kunst zu machen, in Mailand Architektur studiert und ist seither mit großformatigen, meist temporären Drahtgitter-Strukturen bekannt geworden – entweder in Gestalt transluzenter Kuppeln, Portale, Säulengänge und Tempelbauten oder auch in abstrakteren Formen. Im apulischen Siponto hat er die Umrisse der weitgehend verlorenen Kirche Santa Maria Maggiore nachgebildet.
Auf dem Gelände der „Diriyah Oasis“ hat er den runden Zentralplatz mit einer Installation bespielt, die – wie andere seiner Werke auch – trotz ihrer Leichtigkeit eine monumentale, fast sakrale Wirkung entfaltet. Die komplexe, begehbare Drahtgitter-Skulptur ist bis zu 26 Meter hoch und wirkt in ihrer zur Mitte hin gesteigerten Komposition aus Türmen, Quadern und Zylindern wie eine abstrakte Stadtkrone. Der lokale Bezug zum historischen at-Turaif ist über Korkstücke hergestellt, die in unterschiedlicher Höhe in die Gittersegmente eingeschüttet sind. In seiner Farbigkeit erinnert der Kork an trockenen, brüchigen Lehm, während die fließend variierende Höhe der Schüttungen die unregelmäßigen Formen der Ruinenmauern zitiert.
Poesie des Abwesenden
„Absent Matter“ – fehlende Substanz – nennt Tresoldi seinen Projektpart und lenkt die Assoziationen damit nicht auf die vorhandenen Reste der Stadt, sondern auf die „Poesie des Abwesenden“ der einst intakten, belebten Stadt. Unterstützend wirkt dabei auch eine Videoinstallation im Innern, die auf die anziehende Wirkung von Feuerstätten setzt. Eine weitere Installation, ebenfalls im Inneren, wurde gemeinsam mit dem Gartengestalter Matteo Foschi konzipiert: Weiches hängendes, Gras, von außen nicht sichtbar, steht für die Oase – den Ursprung der Stadt im 15. Jahrhundert – und interagiert zugleich mit industriell gefertigten Materialien unserer Zeit, etwa einem quer in das Gitter geschobenen Stahlstab-Bündel.
Vom Musiker Max Magaldi stammt eine Klang-Narration, die in den
verschiedenen Bereichen der Gitterstruktur nur in Teilen, und
lediglich im Zentrum in ihrer Gesamtheit zu hören ist. Außen,
entlang der Südostseite tritt der aus Lodi stammende Künstler und
Designer Alberonero in Dialog mit der 26 Meter hohen
Pavillongruppe. Seine gelagerte, textile Installation „Duna“ (Düne)
soll einen weißen Wüstenhorizont symbolisieren. Das Konzept für die
nächtliche Illumination stammt von Humphrey McDermott. Insgesamt
beschreiben die Künstler das Projekt „Gharfa“ als theatralischen
Raum, der das Verhältnis von Mensch, Landschaft und Architektur
aufgreift, indem es Realität, Illusion und Technik miteinander
verbindet – und dabei auf sinnliche Weise für das saudi-arabische
Welterbe wirbt.
Bautafel
Interdisziplinäres Projektlabor: Studio Studio Studio / Edoardo Tresoldi, Mailand
Projektbeteiligte: Alberonero, Mailand (Künstler und Designer); Max Magaldi (Musik); Matteo Foschi, Odd Garden Studio, Mailand (Gartengestaltung); Humphrey McDermott, London (Lichtkonzept); Designlab Experience, Dubai (Kuratoren Diriyah Oasis)
Auftraggeber: Diriyah Season Committee, Saudi Commission for Tourism and National Heritage (SCTH)
Umsetzung: 2019
Standort: Ad Diriyah 40, 13711 Diriyah, Saudi-Arabien
Bildrechte: Roberto Conte, Monza/ Mailand
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