Aufstockung im Bestand
Hinweise zu Decken und Trennwänden, Türen und Rettungswegen
Gallerie
Solange ein genehmigtes Gebäude unverändert besteht, genießt es im Planungsrecht Bestandsschutz. In der Berliner Bauordnung (BauO Bln) § 85 (1) Bestehende bauliche Anlagen ist festgelegt: „Rechtmäßig bestehende bauliche Anlagen sind, soweit sie nicht den Vorschriften dieses Gesetzes oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften genügen, mindestens in dem Zustand zu erhalten, der den bei ihrer Errichtung geltenden Vorschriften entspricht.“ Eine Anpassung an die heutigen Bauvorschriften ist dort zu fordern, wo
- dies zur Vermeidung einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere von Leben und Gesundheit (konkrete Gefahr), erforderlich ist oder
- Gebäude in ihrer Bausubstanz wesentlich geändert werden und Bauteile, die den aktuellen Vorschriften nicht mehr entsprechen, mit den beabsichtigten Arbeiten in einem „konstruktiven Zusammenhang“ stehen. Dies gilt nur soweit, wie die Durchführung dieser Vorschrift keine unzumutbaren Mehrkosten verursacht.
Durch die Aufstockung eines Gebäudes kann der Bestandsschutz
erlöschen, wenn dies einer wesentlichen Änderung der baulichen
Anlage entspricht und das Gebäude so wesentlich geändert wird, dass
es einer Neuerrichtung gleichkommt. Instandhaltungsmaßnahmen am
bestehenden Gebäude berühren den Bestandsschutz hingegen nicht. Die
Abgrenzung zwischen Instandhaltung und wesentlicher Änderung
erfolgt über das Erfordernis einer statischen Neuberechnung des
Gesamtgebäudes. Die Errichtung neuer Gebäudeteile (z.B. Anbauten)
ist vom Bestandschutz nicht gedeckt.
Im Falle jedoch von Dachgeschossausbauten besagen die
Entscheidungshilfen der Berliner Bauaufsicht unter § 85
Erteilung von Abweichungen bei vorhandenen Decken
(Dachraumausbau), TOP 54.4: „Bei einem nachträglichen
Dachraumausbau in bestehenden Gebäuden […] handelt es sich im
Regelfall nicht um eine wesentliche Änderung nach § 85 Abs. 3 BauO
Bln. Somit kann eine Anpassung der nicht unmittelbar berührten
Teile der baulichen Anlage an die Anforderungen der BauO Bln nicht
gefordert werden.“ Dies bedeutet z.B. für die Geschossdecken: „[…]
Wird die vorhandene Decke unter dem Dachraum im Rahmen der
Ausbauarbeiten in ihrem Aufbau nicht verändert und lediglich
instand gesetzt, gehört sie nicht zu den unmittelbar berührten
Teilen. […] Wird die Decke jedoch, z.B. aus Gründen des
Schallschutzes, in ihrem Aufbau verändert, muss sie im Gebäude der
Gebäudeklasse 5 die Anforderung feuerbeständig
erfüllen. […] Es bestehen jedoch keine Bedenken, im Fall des
nachträglichen Dachraumausbaus eine Abweichung von dieser
Anforderung zuzulassen. […] Lediglich wenn die Decke unter dem
Dachraumausbau vollständig erneuert wird, kann (§ 85 Abs. 2 BauO
Bln) eine Anpassung an die der Gebäudeklassen entsprechenden
Anforderung verlangt werden.“ Eine Erneuerung der Decke ist jedoch
oft nicht praktikabel, da die darunter befindliche Wohnung meist
nicht in die Baumaßnahmen mit einbezogen werden soll. Ebenso ist
eine brandschutztechnische Ertüchtigung der Deckenunterseite oft
durch die bestehende Nutzung nicht möglich. Die bestehenden Decken,
überwiegend Holzbalkendecken, können gemäß der Analyse der
brandschutztechnischen Anforderungen zum Zeitpunkt ihrer Errichtung
oft mit einem Feuerwiderstand von 30 Minuten eingestuft werden. Da
diese in den tragenden Bauteilen aus brennbaren Baustoffen
(Holzbalken) bestehen, werden sie jedoch der feuerbeständigen
Anforderung (z.B. bei GK 5 und gemäß § 31 (1) BauO Bln) bei einem
Anpassungsverlangen nicht gerecht. Das Schutzziel der
Geschossdecke, im Brandfall ausreichend lange standsicher und
widerstandsfähig gegen die Brandausbreitung zu sein, wird durch
eine Ertüchtigung der Decke von oben durch einen Fußbodenaufbau mit
einer durchgehenden Schicht aus nichtbrennbaren Baustoffen und mit
einem Feuerwiderstand von 90 Minuten erreicht.
An Trennwände im Dachgeschoss wird nach § 29 (3) BauO Bln bezüglich ihrer Feuerwiderstandsfähigkeit die Anforderung gemäß der tragenden und aussteifenden Bauteile des Geschosses gestellt. Sie müssen jedoch mindestens feuerhemmend sein und bis unter die Dachhaut geführt werden. Meist kann die Trennwand jedoch nur bis an die Dachkonstruktion herangeführt werden, somit muss das sich anschließende raumabschließende Bauteil (Dach) gemäß § 29 (4) BauO Bln einschließlich der tragenden und aussteifenden Bauteile feuerhemmend hergestellt werden.
Analog verhält es sich bei der Ausbildung der Treppenraumwände
gemäß § 35 (4) Abs. 3 Satz 3 BauO Bln: „Der obere Abschluss
notwendiger Treppenräume muss als raumabschließendes Bauteil die
Feuerwiderstandsfähigkeit der Decken des Gebäudes haben; dies gilt
nicht, wenn der obere Abschluss das Dach ist und die
Treppenraumwände bis unter die Dachhaut reichen.“ Ebenso muss
sichergestellt sein, dass über Durchbrüche in den bestehenden
Decken oder Wänden, an die eine Anforderung hinsichtlich des
Feuerwiderstandes gestellt wird, kein Feuer oder Rauch in andere
Geschosse oder Nutzungseinheiten gelangen kann. Aus diesem Grund
sind vorhandene oder montagebedingte Öffnungen für
Mediendurchdringungen fachgerecht und entsprechend der
brandschutztechnischen Deckenanforderung zu verschließen.
Einen wichtigen Aspekt im Zuge der Aufstockung eines
Bestandsgebäudes stellt die Gewährleistung der Rettungswege dar.
Insbesondere, wenn durch die bauliche Maßnahme die
Rettungswegsituation nachträglich verändert wird. Gemäß § 33 (1)
BauO Bln müssen für Nutzungseinheiten mit mindestens einem
Aufenthaltsraum in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander
unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein. Die
Entscheidungshilfen der Berliner Bauaufsicht äußern sich hier zur
Bestandssituation unter § 85 Anforderungen bei nachträglichem
Dachausbau wie folgt: „[…] der erste Rettungsweg muss über eine notwendige Treppe
führen. Wird hierfür der bestehende Treppenraum genutzt, sind in
der Regel keine Anpassungen an die geltenden Anforderungen der BauO
Bln erforderlich; lediglich die Türen der Nutzungseinheiten zum
Treppenraum müssen die Anforderungen des § 35 Abs. 6 BauO Bln
erfüllen.“ Die bestehende Treppenkonstruktion (z. B.
Stahlsteinkappe mit aufgesattelten Holzstufen) kann im Bestand
verbleiben, ggf. ist eine Abweichung (nach § 35 (5) BauO Bln bzgl.
des brennbaren Belages) erforderlich.
Bei den Ausbaumaßnahmen im Dachgeschoss oder Aufstockungen sind die
Türanforderungen aus der jeweiligen Landesbauordnung zur Sicherung
des ersten baulichen Rettungsweges zu beachten. Gemäß der Berliner
Bauordnung sind die Wohnungseingangstüren der geplanten
Nutzungseinheiten im Dachraum als dicht- und selbstschließende
Abschlüsse herzustellen. „Werden im Zusammenhang mit dem
nachträglichen Dachraumausbau für die bestehenden Nutzungseinheiten
nicht verfahrensfreie Änderungen – im Sinne einer
Standardverbesserung, z.B. Anbau von Balkonen – durchgeführt, muss
ihre Rettungswegsituation beurteilt und ggf. an die geltenden
Anforderungen der BauO Bln angepasst werden.“ (Entscheidungshilfen
der Berliner Bauaufsicht, § 85 Anforderungen bei nachträglichem
Dachraumausbau, Stand 08/2013) Dies bedeutet, dass z.B. der
Einbau von dicht- und selbstschließenden Abschlüssen gemäß 35 (6)
BauO Bln aus der betreffenden Nutzungseinheit zum notwendigen
Treppenraum im Falle der Standardverbesserung oder Modernisierung
durch einen Prüfingenieur für Brandschutz oder durch die
Bauaufsicht gefordert werden kann. Der zweite Rettungsweg muss auf
Grund des baulichen Bestandes meist über eine mit den
Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle gewährleistet
werden. Fehlt für die geplante Nutzungseinheit die Anbindung an die
öffentliche Verkehrsfläche und können auf dem Grundstück weder ein
zweiter baulicher Rettungsweg (z.B. Außentreppe) noch eine Zufahrt
und Aufstellfläche für die Feuerwehr hergestellt werden, ist das
geplante Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig.
Welche Möglichkeiten bestehen unter Berücksichtigung des geltenden Baurechts zur Erstellung eines zweiten geforderten Rettungswegs?
- Ist aufgrund der derzeitigen baulichen Gegebenheiten nur ein baulicher Rettungsweg vorhanden, besteht die Möglichkeit der Ausbildung eines Sicherheitstreppenraums, dabei ist die Nachrüstung selten realisierbar oder nur durch erhebliche Umbaumaßnahmen möglich.
- Ein zweiter Rettungsweg über einen Dachausstieg, um ggf. einen anderen notwendigen Treppenraum zu erreichen, ist in der Umsetzung sehr aufwendig und erfordert in jedem Fall eine vorherige Abstimmung mit dem Prüfingenieur für Brandschutz.
Die Aufstockung im Bestand bedingt eine brandschutztechnische Beurteilung der bestehenden baulichen Anlage und muss darauf planerisch aufbauen. Dabei sind die jeweils geltenden Landesbauordnungen, Ausführungsvorschriften und Erlasse der entsprechenden Bundesländer zu beachten, da diese abweichende Ausführungen zu den oben genannten Beispielen der Berliner Bauordnung zulassen oder möglicherweise ablehnen.
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