Umnutzung der Liebfrauenkirche in Dortmund zum Kolumbarium

Baubronzequader als Urnen-Beisetzungsstätte

Zahlreiche Kirchen werden heute nicht mehr genutzt und im schlimmsten Fall abgerissen. Der Dortmunder Liebfrauenkirche konnte dieses Schicksal erspart bleiben, denn als deren Gemeinde zu klein wurde, bot die Idee, im Kirchenraum einen Ort für Urnenbestattungen zu schaffen, eine angemessene Möglichkeit, das denkmalgeschützte Gotteshaus weiter zu nutzen und dadurch zu erhalten.

Gallerie

Der neogotische Ziegelbau des Wiener Architekten Friedrich von Schmidt, fertiggestellt im Jahr 1883, liegt in der von Gründerzeiten bestimmten Dortmunder Innenstadt. 2008 lobte der katholische Gemeindeverband Östliches Ruhrgebiet einen Wettbewerb zur Umnutzung der Kirche als christliche Urnengrabstätte aus, aus dem zwei Preisträger hervorgingen: Das Berliner Büro Staab Architekten, das mit der Planung der Beisetzungsstätte beauftragt wurde und die Künstler Lutzenberger + Lutzenberger aus Bad Wörishofen für die Gestaltung der Prinzipalstücke des Chorraums.

Nach dem Umbau haben sich die Raumproportionen nicht verändert, denn im Gegensatz zu anderen Kolumbarien verstellen weder Wände noch Stelen die Weite des Kirchenbaus. Die Urnen sind anstelle von Wänden in dunklen, lang gezogenen Bronzequadern untergebracht, die in etwa die Höhe von Kirchenbänken haben. Wie ein symmetrischer Teppich bedecken sie den Boden des Mittelschiffs und mäandern um die acht Kirchenpfeiler, bilden Buchten und einen breiten Mittelgang. Platziert sind sie auf ebenfalls dunklen Bronzeplatten, die den Boden bilden und die Quader somit zusammenfassen.

Die Atmosphäre des Kirchenraums hingegen hat sich stark verändert, hervorgerufen durch die Hell-dunkel-Kontraste der Innenraumgestaltung. Wie eine dunkle Insel liegt das Mittelschiff im inneren der Kirche, eine dezente Beleuchtung unterstreicht noch die Wirkung der dunklen und schweren Bronzequader und -bodenplatten. Im Kontrast dazu stehen die Helligkeit und Materialität der Seitenschiffe sowie des Chorraums. In ihm sind Sitzbänke mit beigefarbenen Sitzauflagen und die abstrakten Prinzipalstücke aus heller Eiche angeordnet. Gefasst wird dieser Kirchenteil von einem kleineren, ebenfalls rechteckigen Parkettboden. Hier finden die Trauerfeiern statt.

In der Josephskapelle (im nordwestlichen Teil der Kirche) befindet sich nun eine Gemeinschaftsgrabstätte in Form eines wandartigen Einbaus mit kleineren Urnenkammern. Die Grabstätte für Unbedachte, eine niedrige Scheibe an der Wand des rechten Seitenschiffs bietet Nischen für die Beisetzung obdach- oder mittelloser Menschen. Die Architekten gestalteten außerdem ein Podest für das Totenbuch, eine Stele als Platz für die Osterkerze, eine Kerzenbank vor der Pietá gegenüber der Josephskapelle sowie einen kleinen Serviceraum für Kerzen und Vasen.

Boden
Abgesehen von den beiden Bodenfeldern im Mittelschiff und Chorraum erhielt der Kirchenraum überall einen neuen Terrazzoboden. Dazu wurde auf einen 6 cm dicken, Kunststofffaser-bewehrten Unterbeton nass-in-nass ein 3 cm starker Oberbeton aufgebracht. Nach dem ersten Schleifen wurde er gesandstrahlt und danach imprägniert. Dadurch entstand eine matte, raue Oberfläche, von der sich die anderen, glatteren Materialien deutlich abheben.

Das rechteckige Bodenfeld im Chorraum ist mit Parkett aus massiver, ca. 24 mm dicker kanadischer Eiche belegt. Das Holz schließt oberflächenbündig mit dem Terrazzoboden ab. Kanthölzer auf dem Unterestrich dienen als Höhenausgleich sowie als Unterkonstruktion für die darauf verschraubten Eichenhölzer. Die Schrauben liegen in der Nut der Bretter und sind dadurch unsichtbar. Aus dem gleichen Eichenholz sind die Kirchenbänke gefertigt.

Das dunkle Urnenfeld besteht aus vielen 80 cm hohen Quadern, die sich aus einer Unterkonstruktion aus Stahlprofilen und darauf befestigtem chemisch vorkorrodiertem, glatt geschliffenem und gewachstem Baubronze-Blech zusammensetzen. Sie beinhalten die Urnenkammern, deren Abmessungen sich von oben abzeichnen. Jeder der Quader ist vier Kammern breit. Auf dieser Breite von 1,20 Metern baut auch das quadratische Raster auf, das an den Stößen der Bodenplatten ablesbar ist und das die Maße für Durchgänge und die gepolsterten Sitznischen in den Bronzequadern vorgibt. Die Kammern, in denen bereits Urnen beigesetzt wurden, sind durch aufgelegte Bronzeplatten zu erkennen. Angehörige können diese Platten individuell mit Text und Bildern gestalten und nach Wunsch eine Vase, einen Kerzenhalter oder ein Öllicht darauf stecken. Den Boden des Urnenfeldes bedecken 5 mm starke, 1,20 x 1,20 m große Stahlplatten, auf die ein etwa 2 mm dickes, ebenfalls vorpatiniertes und gewachstes Baubronzeblech aufgeklebt ist. Diese Platten wiederum sind auf einen Unterestrich geklebt und stoßen stumpf aneinander. Aufgrund der geringen Temperaturschwankungen im kühlen Inneren der Kirche entstehen nur geringe Dehnungen der unterschiedlichen Materialien, die durch den Kleber aufgenommen werden können; daher entfallen auch Dehnungsfugen. In der Mitte des Urnenfeldes deutet ein in das Bodenblech eingeschlitztes Kreuz auf die darunter liegende letzte Ruhestätte hin, einen Aschebrunnen, in den die Totenasche nach einer Ruhezeit von 20 Jahren überführt wird.

Obgleich die Korrosion der Bronzebleche bereits vor dem Einbau weitgehend vorweggenommen wurde und eine Wachsschicht die Oberflächen für eine gewisse Zeit schützt, wird das Urnenfeld noch etwas nachdunkeln. Nur einige wenige, häufig berührte Details wie möglicherweise die Blumenvasen und Kerzenhalter werden nach und nach blank poliert und sich bronzefarben glänzend davon abheben. -sm

Bautafel

Architekten: Staab Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Bergstermann + Dutczak, Dortmund (Bauleitung); Schriek & Rohrberg, Lippstadt (Tragwerksplanung), Werner Steden, Dortmund (Haustechnik), Heuel und Schauerte, Enste (Elektroplanung); Licht Kunst Licht, Bonn (Lichtplanung); Ingenieurbüro für technische Akustik und Bauphysik, Dortmund (Akustik); Lutzenberger + Lutzenberger, Bad Wörishofen (Gestaltung Prinzipalstücke); Stefan Fittkau, Berlin (Metallmöbel und -boden); Schreinerei Herbein, Wald (Altar, Bänke, Parkett); Studio Matthias Görlich, Darmstadt (Grafik Bronzeplatten und Schriftelemente)
Bauherr: Gemeindeverband katholischer Kirchengemeinden Östliches Ruhrgebiet, Dortmund
Fertigstellung: 2011
Standort: Amalienstraße 20, 44137 Dortmund
Bildnachweis: Staab Architekten, Berlin; Fotos: Werner Huthmacher, Berlin

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