Kapelle St. Lawrence in Vantaa
Schieferwege leiten die Trauernden
Das finnische Vantaa nördlich von Helsinki gehört zur Agglomeration der Landeshauptstadt. In unmittelbarer Nachbarschaft zu einer bauhistorisch bedeutsamen Gemeindekirche aus dem 15. Jahrhundert errichteten Anu Puustinen und Ville Hara von Avanto Architekten hier die St. Lawrence Kapelle. Die evangelische Begräbniskapelle liegt am nördlichen Rand eines Friedhofs, beide Gebäude grenzen an einen gemeinsamen Hof.
Gallerie
Der rechteckige Neubau verfügt über ein Obergeschoss und ein eingegrabenes Untergeschoss. Mit Rücksicht auf die umgebende Bebauung schufen die Architekten eine kleinteilige Ordnung: Ebenerdig liegen drei unterschiedlich große Kapellen, deren Volumen sich nach außen deutlich abzeichnen. Getrennt durch orthogonale, geweißte und überhöhte Mauern werden sie zusätzlich von je einem Kupferdach betont. Die Höhe der leicht geneigten Dächer steigt analog zur Raumgröße, die sie überdecken. Ein alles überragender Glockenturm an der südwestlichen Ecke des neuen Gebäudes setzt einen weiteren Akzent. Das Untergeschoss ist über eine kleine Innentreppe erreichbar und bietet einen zusätzlichen Raum zum Abschiednehmen vor der Sargschließung.
Die Architekten nannten ihren Entwurf Polku (finnisch für Weg) und legten den konzeptionellen Schwerpunkt ihrer Planung auf eine bauliche Umsetzung des letzten Weges, vom Diesseits ins Jenseits. Die Wegeführung im Gebäude ist also von besonderer Bedeutung: Der Haupteingang liegt im Westen und führt an der Außenwand entlang über die gesamte Gebäudelänge geradewegs in die größte der drei Kapellen. Am Ende des Ganges finden die Trauernden auf langen Holzbänken Platz, um an der Beerdigungszeremonie teilzunehmen. Nach den Feierlichkeiten vollzieht der Weg noch innerhalb der Kapelle eine Wende um 90° nach Süden und führt dann, an einem kleinen Hof mit Wasserbecken vorbei, direkt auf den Friedhof. Die gleiche Wegeführung findet sich bei der zweiten Kapelle – Weg, Kapelle, Richtungswechsel und Hof mit Wasserfläche sind dabei etwas kleiner ausgebildet. So können zwei Trauerfeiern gleichzeitig stattfinden, ohne dass die Angehörigen sich gegenseitig stören.
Der dritte und kleinste Trauerraum ist Urnenbeisetzungen vorbehalten. Er wird über einen mit der zweiten Kapelle gemeinsam genutzten Vorraum erschlossen, bietet jedoch nach der Zeremonie einen separaten Ausgang zum Friedhof. Schmale Oberlichtbänder begleiten alle Wege als durchgehende „Himmelslichter”.
Die Wände bestehen aus Mauerwerk und Beton, die Fenster aus großflächigem Glas, das Dach aus vorpatiniertem, leicht austauschbarem Kupfer und die Böden aus finnischem Schiefer. Alle Baustoffe sind vor Ort häufig zu finden und haben zum Teil eine lange Tradition im lokalen Kirchenbau, so z.B. Schiefer als Bodenbelag und Kupfer auf dem Kirchdach nebenan.
Schiefer
Alle öffentlichen Wege innen und außen bestehen aus
Schieferplatten. Die Architekten empfanden dieses Material als
angemessen, um die Trauernden zu leiten und die Toten zu begleiten.
Die Platten weisen bei einer Stärke von 20 mm Breiten von 150, 225
und 300 mm sowie stark variierende Längen auf. Darunter befinden
sich 35 mm Mörtelbett, 80 mm Heizestrich, 25 mm Dämmung und 26 cm Beton als
tragende Deckenkonstruktion (siehe Bild 34).
Der finnische Naturstein namens Orivesi Schiefer und Oriveden
fylliitti wurde im Überlängenverband verlegt. Dieses Verlegemuster
soll durch seine durchlaufenden Fugen quer zur Wegeführung den
letzten Gang verlangsamen und damit bewusster gestalten. Die
Architekten definierten nur die Reihenfolge der Bahnbreiten, die
Längen der Bodenplatten wurden je nach vorhandenem Rohmaterial
gewählt (siehe Abb. 35).
Bautafel
Architekten: Avanto Arkkitehdit/Ville Hara and Anu Puustinen, Helsinki
Projektbeteiligte: Byman Ruokonen, Helsinki (Landschaftarchitektur); Akukon, Helsinki (Akustik); Tülay Schakir, Helsinki (Lichtinstallation); Liuskemestarit Oy, Orivesi (Schiefer)
Bauherr: Gemeinde Vantaa
Fertigstellung: 2010
Standort: Pappilankuja 3, Vantaa
Bildnachweis: Tuomas Uusheimo und Kuvio.com, Helsinki
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