Festo Automationcenter in Esslingen
Abluftfassade, Wärmepumpen, Erdsonden und Eisspeicher
Als ab den 1920er-Jahren der Wunsch nach mehr Licht, Luft und Sonne Architekten dazu veranlasste, massive Fassadenmaterialien durch Glas zu ersetzen, war Energieeffizienz noch kein Thema, mit dem man sich auseinandersetzte. An dem Wunsch hat sich bis heute nichts geändert, die Anforderungen der Energieeinsparverordnung lassen ihn jedoch häufig scheitern. Nicht so in Esslingen, wo es am sogenannten Automationcenter der Firma Festo gelang, die konträren Ansprüche des Wärmeschutzes mit dem großflächigen Einsatz von Glas zu vereinen. In enger Zusammenarbeit mit Fassaden- und Tragwerksplanern, mit Energietechnikern, Bauphysikern und dem Bauherrn planten Jaschek Architekten aus Stuttgart einen rundum verglasten Büroturm mit rautenförmigem Grundriss, der die Kriterien der EnEV erfüllt.
Gallerie
Mit einer für die Umgebung untypischen Höhe von 67 Metern entstand der Neubau gegenüber der Firmenzentrale auf einem noch freien Areal zwischen den Stadtteilen Berkheim und Zollberg. Seine ungewöhnliche Gebäudeform ermöglicht die Nutzung der Kaltluftkorridore aus dem naheliegenden Neckartal zur Klimatisierung; seine Höhe und Form machen den Bau aber auch zu einer weithin sichtbaren Landmarke, die wie eine Kompassnadel auf den Unternehmenssitz ausgerichtet ist.
Das Gebäude misst an seinen Eckpunkten 58 Meter in der Länge und 27 Metern in der Breite. Es erstreckt sich über 16 Ober- und zwei Untergeschosse, ruht auf fünf Stahlverbundstützen und besitzt zwei aussteifende Erschließungskerne mit Panoramaaufzügen an den spitzen Enden des Baukörpers. In die Geschossdecken integrierte Hohlkörper reduzieren deren Eigengewicht bei gleichbleibender Steifigkeit und ermöglichten damit größere Deckenspannweiten. Zwischen den Stahlbetonkernen sind in den jeweils vier Meter hohen Obergeschossen die Großraumbüros angeordnet. Mit rund 5.000 Quadratmetern nehmen sie fast die Hälfte der Gesamtnutzfläche des Gebäudes ein.
Energiekonzept
Da neben dem hohen gestalterischen
Anspruch ein nachhaltiges Energiekonzept gefordert war,
entwickelten die Planer eine Gesamtlösung, die eine ausgeklügelte
Abluftfassade, ein günstiges A/V-Verhältnis sowie die Heizungs-,
Kühlungs- und Lüftungstechnik eng miteinander verknüpft. Die
Gebäudeautomation vernetzt alle Bereiche der
technischen Infrastruktur, zu der auch die LED-Beleuchtung,
Zutrittskontrolle, Sicherheit und das Energiemanagement
gehören.
Fassade
Die einschalige Abluftfassade wurde in Elementbauweise ausgeführt
und besteht aus einer Dreifachisolierverglasung und
Parallel-Ausstellfenstern mit elektrochromen
Sonnenschutzverglasungen, die sich auf Knopfdruck blau einfärben
lassen. Von der hellsten bis zur dunkelsten Färbung dauert dieser
Vorgang rund 20 Minuten, die Durchsicht bleibt in jedem Zustand
erhalten. Direkt hinter der Verglasung wird die durch die
Sonneneinstrahlung erwärmte Luft permanent über die Decke
abgesaugt, wobei ein innen liegender Blendschutzscreen als
Trennschicht zum Innenraum dient. Während die nach innen gerichtete
Oberfläche des Screens nahezu der Raumtemperatur entspricht, nimmt
die Screenaußenseite die Sonneneinstrahlung auf und führt die
absorbierte Wärmestrahlung durch den gelenkten Abluftstrom der
mechanischen Belüftung des Gebäudes ab. Zum Zwecke der Lüftung
lassen sich die Fenster jederzeit manuell öffnen und auch der
innere Blendschutz lässt sich bei geringer solarer Belastung nach
Bedarf bedienen; bei solarer Volllast schließt er jedoch
automatisch dichtend ab.
Lüftung
Zwei auf die Abluftfassade abgestimmte Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung verhindern die sommerliche
Überhitzung der Innenräume. Eine befindet sich im Untergeschoss,
die andere ist als Dachzentrale ausgeführt. Die Zuluft gelangt
über Kanäle in den Doppelböden zu Unterflurkonvektoren, die sie in
den Räumen verteilen. In den Büros sind insgesamt 600 dieser
Boden-Ventilatorkonvektoren installiert, in Besprechungsräumen und
anderen Räumen mit hohem Personenaufkommen wurden 60
Ventilatorkonvektoren mit Bodenschlitzdurchlässen eingebaut. Die
Luftmengen lassen sich über zwei Volumenstromregler je Geschoss
getrennt für die Ost- und Westseite regeln. Dies trifft auch auf
die Raumtemperatur zu, sodass die Temperaturzonen bei
unterschiedlichen inneren Lasten oder je nach Sonneneinstrahlung
unabhängig geregelt werden können.
Heizung und Kühlung
Geheizt und im reversiblen Betrieb gekühlt wird das Gebäude mit
Wärmepumpen. Ein Sondenfeld aus 49 Erdsonden, die bis maximal 60
Meter in den Boden reichen, versorgen sie mit Wärme bzw. Kühle für
die Grundlastabdeckung. Ein mit Wasser gefüllter Eisspeicher deckt
die Spitzenlasten ab. Er besitzt ein Nettovolumen von 1.300 m³ und
verfügt über zwei unabhängige Wärmetauscher, die dem Speichermedium
im Heizbetrieb der Wärmepumpe Niedertemperaturwärme entziehen. Das
so im Winter gebildete Eis dient im Sommer als kostenlose
Energiequelle zur Kühlung des Gebäudes. Ergänzt werden die beiden
Wärmepumpen und der Eisspeicher durch einen
Außenluft-Wärmetauscher, über den in den Übergangsjahreszeiten,
wenn die Differenzen zwischen Innen- und Außentemperatur gering
sind, Wärme bzw. Kälte genutzt werden kann.
Die Wärme- und Kälteverteilung erfolgt über eine
Betonkernaktivierung, bei der die thermische Speichermasse genutzt
wird. Nach Bedarf kann die Raumtemperatur durch die an den Fenstern
angeordneten Unterflurkonvektoren angepasst werden.
Bautafel
Architekten: Jaschek, Stuttgart
Projektbeteiligte: Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart (Tragwerksplanung); Pfeil & Koch (Energiekonzept, Haustechnik); Priedemann Fassadenberatung, Großbeeren/Berlin (Fassadenplanung), Econtrol-Glas, Plauen (Schaltbare Sonnenschutzverglasung); Schindler Fenster + Fassaden, Roding (Fassadenbau); Baresel, Leinfelden-Echterdingen (Bauunternehmen)
Bauherr: Festo, Esslingen
Fertigstellung: 2015
Standort: Festo Campus 1, 73734 Esslingen
Bildnachweis: Festo, Esslingen
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