Umspannwerk Cusset in Villeurbanne
Sichtbeton und Stampflehmwände
Versteckt inmitten eines Areals, das für die Stromerzeugung aus Wasserkraft genutzt wird, ist in der Gemeinde Villeurbanne ein neues Umspannwerk entstanden. In dem Gebäude sind vor allem technische Anlagen untergebracht, die nötig sind, um elektrische Energie zwischen den verschiedenen Spannungsebenen zu transformieren. Der Bau ist von den angrenzenden Straßen aus nicht zu sehen, sein Anblick ist den Menschen vorbehalten, die sich auf dem Gelände des Unternehmens bewegen. Tatsächlich sind das in der Regel nur einige wenige Mitarbeitende. Bemerkenswert ist, dass das Umspannwerk dennoch von einem Architekturbüro – Tectoniques Architectes aus Lyon – entworfen wurde und sich außen wie innen architektonisch durch eine individuelle Gestaltung auszeichnet.
Gallerie
Die Form des Gebäudes ergab sich aus der Größe und Art der technischen Anlagen, die sich darin befinden. Ein lang gestrecktes Hauptvolumen aus Sichtbeton wird flankiert von zwei niedrigeren Seitenschiffen mit geschichteten Wänden aus Stampflehm, in denen gerahmte Öffnungen mit Stahltüren sitzen. Im oberen Bereich des Mittelschiffs befinden sich an den Längsseiten durchgängig Lüftungslamellen.
Raus mit der Abwärme, rein mit dem Licht
Das Umspannwerk ist von zwei Seiten begehbar. Während die mittlere Zone vor allem der Erschließung und der Regulierung der Abwärme beziehungsweise der Be- und Entlüftung dient, sind in den Seitenschiffen die technischen Anlagen angeordnet. Im Mittelschiff wurde die Geschossdecke mit bogenförmigen Aussparungen verwirklicht – dadurch wird der Raum stellenweise in voller Höhe vom Untergeschoss bis zum Dach erlebbar. Die Öffnungen im Boden wirken nicht nur räumlich, sondern sorgen auch dafür, dass die Abwärme bis zu den Lüftungslamellen und dann nach draußen ziehen kann. Von dort wiederum fällt – reflektiert von den Lamellen – sanftes Licht auf die puren Sichtbetonflächen und reduzierten Details aus Stahl.
Auch außen rücken die aus mehreren Volumen zusammengesetzte Form, die Stampflehmwände sowie die Rahmungen und der Sockel aus Sichtbeton den Bau weit ab von dem Bild eines reinen Nutzbaus – die Architekten vergleichen das Gebäude gar mit einem Mausoleum. Dabei wird sich das Umspannwerk in Zukunft sogar noch besser verstecken: Um den Bau soll eine Spundwand errichtet werden, die es mit sechs Metern Abstand komplett umgibt.
Schalung: Glatte Wände aus Stampferde
Die Rohstoffe für die Stampflehmwände stammen aus lokalen Quellen, die Mischung wurde mit traditionellen Methoden eingebracht. Die dafür verwendeten Schalungen waren jeweils 90 cm hoch, die einzelnen Schichten messen etwa 11 cm. Um Verunreinigungen bzw. Verfärbungen durch Betonreste zu vermeiden, verwendete das Planungsteam Rahmenschalungen mit unbenutzter Schalhaut.
Zunächst wurden die Sichtbetonbauteile erstellt. Dazu gehören neben dem Mittelschiff und den schottenartigen Räumen der seitlichen Bereiche auch der 40 cm hohe Sockel und die Rahmungen der Öffnungen. Dann folgten die Wände aus Stampflehm, die auf dem Sockel sitzen und in einzelnen Abschnitten errichtet wurden.
Eine besondere Herausforderung war dabei, dass der
Sichtbetonboden im Inneren schon fertiggestellt war und daher nicht
ohne Weiteres für die Verankerung der Stützen für die – auf beiden
Seiten einhäuptige – Schalung zur Verfügung stand. -chi
Bautafel
Architektur: Tectoniques Architectes, Lyon
Projektbeteiligte: Tectoniques ingénieurs, Lyon (Tragwerksplanung, alle Ingenieurdienstleistungen); Milieu Studio, Lyon (Umweltverträglichkeitsplanung); CraTerre (beratendes Architekturbüro); BeTerre (Planung Stampflehmwände); Cabestan / Thomas Formery, Est Lyonnais (Ausführung Stampflehmwände)
Bauherr: Enedis
Standort: 82 Rue de Pierrefrite, 69100 Villeurbanne, Frankreich
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Renaud Araud, Couzon-au-Mont-d'Or