Archiv des Départements de l‘Isère
Sedimentschichten in Beton
Als eine Interpretation der geologischen Umgebung bezeichnen die Architekten den Neubau für die Archives Départementale de l’Isère (ADI). In Saint-Martin-d’Hères, einer Gemeinde unmittelbar angrenzend an Grenoble, entstand auf rund 17.000 Quadratmetern Raum für den Erhalt wertvollen Kulturguts aus der Region. Die während der Französischen Revolution gegründete Institution, die vom Ministerium für Kultur und Kulturerbe des Departements verwaltet wird, hat sich der Bewahrung von Dokumenten aus dem 11. Jahrhundert bis heute sowie der Vermittlung von Geschichte angenommen. Das wertvolle Repertoire versammelt die bisherigen öffentlichen Archive und wird laufend um Material aus privaten Beständen ergänzt, das etwa von Familien, Vereinen oder Unternehmen gespendet oder angekauft wird.
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Horizontale Schichtung
Entsprechend verfügt das Gebäude über ein Raumprogramm, das vielen Anforderungen gerecht werden muss. So bietet der Bau neben Archiv- und Verwaltungsräumen auch einen öffentlich zugänglichen Bereich. Insgesamt 56 Lagerungsräume und Restaurierungswerkstätten türmen sich auf fünf Etagen in den vier charakteristischen, monolithischen Volumen, die den massiven und schon von Weitem sichtbaren Teil des Bauwerks ausmachen. Hinzu kommen im Erdgeschoss Lesesäle für die Sichtung der Archivalien, die Besucher mit vorheriger Anmeldung kostenlos nutzen können, sowie ein Auditorium, ein Ausstellungssaal, Lehrräume und Büros. Darüber hinaus wurden in dem Gebäude zwei Dienstwohnungen und 40 Parkplätze untergebracht.
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Eben dieser dreigeteilten, horizontalen Schichtung der Nutzungen folgt auch die Architektur des Gebäudes: Die Grundfläche besetzt ein größtenteils gläsern gehüllter, zweigeschossiger Sockel, in dem ein innerer Boulevard die zentrale, beidseitige Erschließung gewährleistet sowie den öffentlichen Kern des Gebäudes ausmacht. Darüber kragt eine schlanke Bodenplatte allseitig über den Sockel aus und unterstützt einerseits die Verschattung der darunterliegenden Bereiche, während sie nach oben begrünt ist und die Basis für die vier massiven Quader samt ihren vertikalen Archivräumen bildet. Diese bepflanzte Ebene schafft einen Bezug zur landschaftlichen Umgebung sowie zum Gestaltungskonzept rund um die nahegelegene Universität Grenoble Alpes. Schließlich bauen sich die vier Blöcke samt ihren charakteristischen Fassaden aus farbigem Beton auf. In ihrer Mitte befindet sich ein verglastes Atrium, von dem aus kreuzförmig vier Erschließungswege ausgehen, die in verglasten Fronten zwischen den massiven Blöcken münden. So gelangt etwas Tageslicht ins Innere.
Gebäudehülle mit multiplen Bezügen
Tragende Betonwände und markante V-Stützen zeigen die Tragstruktur, während die bepflanzte Zwischenschicht eine visuelle und funktionale Trennung markiert und zugleich Leichtigkeit suggeriert. Zu den Kernanforderungen der Typologie gehören eine hohe Dämmleistung und Schutz vor klimatischen Veränderungen, Luftfeuchtigkeit oder Temperaturunterschieden. Die zweischalige Betonstruktur gewährleistet die hohe Isolationswirkung und ließ sich auch gestalterisch in das Gebäudekonzept einbinden. Die Fassaden charakterisiert gegossener Beton, der in vier verschiedenen Tönen gefärbt, in horizontalen Schichten strukturiert und mit einer sandgestrahlten Oberfläche versehen ist. Die reliefartige Hülle soll an Sedimentschichten der Chartreuse erinnern, also des voralpinen Gebirgsmassivs aus Kalkstein, der die umliegenden, nördlichen französischen Alpen charakterisiert. Andererseits lassen sich die Gebäudeblöcke mit ihrem Rillenrelief auch als ungeordneter Stapel Blätter deuten und stellen so einen Bezug zu ihrer Nutzung her.
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Unterschiedliche Schalungsarten für spezielle Strukturen innen und außen
Die Konsistenz und Fließfähigkeit des Betons wurde speziell an die Anforderungen des Projekts angepasst und für eine hohe Qualität der einzelnen Schichten entwickelt. An der Fassade ist ein Basaltgranulat für den Kontrast zu den sandgestrahlten Oberflächen des eingefärbten Betons verantwortlich, während ein Schwemmland-Rollgranulat aus dem Grésivaudan-Tal für die Zwischenwände und Pfosten verwendet wurde. Die Außenhülle entstand mithilfe einer Metallschalung mit Strukturmatrizen in Holzbrettoptik. Die Innenwände weisen die Schalungshaut stockwerkhoher Metallplatten auf. Der gefärbte, matte und sandgestrahlte Beton blieb an den Fassaden unbehandelt, während der graue Sichtbeton im Inneren eine satinierte Lasur erhielt.
Bautafel
Architektur: Arche 5 CR&ON architectes in Zusammenarbeit mit D3 architectes
Projektbeteiligte: Artelia, Saint-Ouen-sur-Seine (Tragwerksplanung); Cyprium, Lyon (Projektsteuerung, Baukostenplanung); Square Paysage, Le Touvet (Landschaftsplanung); Altia, Paris (Akustikplanung); Fondasol, Avignon (Geotechnik); CAD@Work (BIM-Techniker)
Bauherr/in: Ministerium für Kultur und Kulturerbe, Département de l'Isère
Standort: 12 Rue Georges Pérec, 38400 Saint-Martin-d'Hères, Frankreich
Fertigstellung: 2021
BIldnachweis: Archives du Départements de l'Isère