Feuerwehr und Bauhof in Metzingen
Linearität in Leichtbeton
Ein 24 Meter hoher Turm, auf dem weit sichtbar die Ziffern 112 stehen: Prägnanter könnte ein Bauwerk der öffentlichen Sicherheit nicht sein. In der baden-württembergischen Mittelstadt Metzingen am Rande der Schwäbischen Alb entstand ein Ensemble, das die Feuerwehr und einen Bauhof zusammenfasst. Das synergetische Gesamtkonzept ergibt sich aus dem ähnlich gestrickten Raumbedarf der beiden Bauaufgaben: Große Fahrzeughallen und ausreichende Rangier- und Lagerflächen gehören jeweils zum notwendigen Programm. Gemeinsam nutzbare Aufenthalts- und Fortbildungsräume, eine Tankstelle sowie Synergien beim Bau und dem Betrieb der Liegenschaften waren weitere positive Nebeneffekte des zu einer Gesamtanlage zusammengefügten Projekts.
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Der Entwurf für das äußerst klar gestaltete, betont geometrische
Gebäudeensemble ging aus einem offenen Planungswettbewerb nach RPW
2013 aus dem Jahr 2017 hervor. Diesen entschied das Büro dasch zürn
+ partner für sich.
Zwei unterschiedliche Nutzungsaufgaben in einheitlicher
Gestalt
Durch die Verortung des Neubaus im südlich gelegenen
Gewerbegebiet Braike-Wangen sind für die Feuerwehren vor Ort nur
noch zwei statt der bisherigen drei Standorte nötig. Die
Zehn-Minuten-Hilfsfrist bleibt hier dennoch gewährleistet.
Entscheidend ist dabei auch eine separate Erschließung und
getrennte, kreuzungsfreie Ein- und Ausfahrten für den benachbarten
Bauhof. Die Setzung der Baukörper auf dem Gelände begünstigt die
notwendige Trennung des Alarmhofs für die Feuerwehr vom Betriebshof
für den Bauhof. Da sich das Grundstück in einer Hangsituation
befindet, wurde es terrassiert. Die beiden Höfe der Feuerwehr und
des Bauhofs sind durch eine Rampe verbunden.
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Der Nutzungsunterschied wird von außen ablesbar. Das größere,
auf einem U-förmigen Grundriss angelegte Feuerwehrgebäude umfasst
Fahrzeughallen mit Platz für 26 Einsatzwagen, einen Schlauch- und
Übungsturm, eine Kfz-Werkstatt und Waschhalle, eine
Atemschutzwerkstatt, Schulungsräume und eine Funkzentrale mit
ungehindertem Blick auf die Fahrzeughalle. Die Kapazität der Halle
für den Baubetriebshof beträgt 12 Fahrzeuge. Sie ist in einem
südöstlich angegliederten Riegelbau untergebracht und beherbergt
des Weiteren auch eine Schreiner- und Schlosserwerkstatt. Die
gemeinsam genutzten Räume sind zur Schnittstelle aus Feuerwehr und
Bauhof orientiert.
Reduktion auf zwei wesentliche Materialien
Eine bauliche Fuge zwischen den beiden Volumen verdeutlicht die
räumlich-inhaltliche Trennung. Als vereinheitlichendes Element
zieht sich hingegen die puristische Gestaltung über das gesamte
Ensemble hinweg. Die Materialwahl ist nach außen auf zwei
Komponenten reduziert. Die Außenwände sind aus 60 Zentimeter
starkem Dämmbeton errichtet. Durch den Wegfall einer eigenen
Wärmeschutzschicht konnten die Bauwerke den expressiven Charakter
des Sichtbetons nach außen wahren. Die großflächig opaken Wandteile
werden lediglich von verglasten Bändern für Fenster und Tore
kontrastiert. In den Fahrzeughallen rahmen Stahlbetonflachdecken
aus Halbfertigteilen sowie Stahl-Glas-Faltschiebetore den Raum. In
allen anderen Räumen stehen sich Stahlbetonflachdecken, Betonwände
und Metall-Glas-Fenster mit außenliegendem Sonnenschutz gegenüber.
Das Dach wird extensiv begrünt, dazu trägt es eine
Photovoltaik-Anlage.
Besondere Zusammensetzung des Leichtbetons
„Wir wollten ein Gebäude schaffen, dessen Erscheinungsbild dem
entspricht, was eine Feuerwehr verkörpert: beispielsweise
Robustheit, Sicherheit, Verlässlichkeit, handwerkliches Können“,
erklärt Architekt Helmut Dasch vom Büro dasch zürn + partner.
Dieses Bestreben zeigt sich gerade auch in den monolithischen,
fugenlos gegossenen Stahlbeton-Außenwänden. Durch den Einsatz von
Leichtbeton ist der Wärmeschutz integriert. Dies geschieht aufgrund
der eingesetzten Zuschläge bestehend aus einer leichten
Gesteinskörnung aus Blähton und Leichtsand. Die Wärmeleitfähigkeit
des Dämmbetons ist mit λ ≤ 0,45 W/mK gering. Der verwendete Beton
von Heidelberg Materials besitzt die Festigkeitsklasse LC12/13 und
gilt laut Hersteller als leichtester, noch nach DIN EN 1992-1-1
genormter Beton. Eine geringere Rohdichte hätte eine Zustimmung im
Einzelfall erfordert.
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Dem Aspekt der Nachhaltigkeit wird auch durch die langlebigen
Eigenschaften des eingesetzten Materials Rechnung getragen. Der
Hochofenzement CEM lll 42,5 N LH – SR(na) des Herstellers soll im
Vergleich zu herkömmlichem Zement einen geringeren
CO2-Fußabdruck aufweisen.
Rundum Sichtbeton in Handwerksqualität
Der
monolithische Wandaufbau erlaubt neben bauphysikalischen Vorteilen
mit einer natürlichen Klimaregulierung für das Gebäude auch die
Gestaltung in Sichtbeton innen und außen. Alle Betonoberflächen
entsprechen grundsätzlich der Sichtbetonklasse SB 2, wobei die
Ablesbarkeit einer handwerklichen Herstellung für die
Architekt*innen durchaus gewünscht war. So mussten hervorstehende
Grate und Versätze genauso wenig kategorisch beseitigt werden wie
auch leichte Farbunterschiede, die auf die einzelnen
Betonierabschnitte im Abstand von 6 bis 10 Metern hindeuten. Da
sich Leichtbeton wegen seiner zähflüssigen Konsistenz nicht durch
Pumpen einbringen lässt, wurden die Außenwände über ihre gesamte
Höhe von 6 Metern mit Schlauchkübeln betoniert. Eine versetzte
Anordnung der Abschnitte ließ die gleichzeitige Arbeit an mehreren
Stellen zu. Anhand einer Musterwand wurden im Vorfeld
Betonzusammensetzung, Betoniervorgang sowie die
Oberflächengestaltung optimiert.
Rauspundschalung außen, glatte Schalungen innen
Schließlich zeigt sich der handwerkliche Anspruch auch anhand der
Oberflächengestaltung der Außenwände. Deutlich zu erkennen ist hier
die Textur der eingesetzten Rauspundschalung, die sich über alle
äußeren Wandflächen der beiden Baukörper bis hin zur Spitze des
Schlauchturms zieht. Im Kontrast dazu stehen die mit
konventionellem Beton errichteten Innenwände der Büros, Pausen- und
Schulungsräume, für die glatte Schalungen verwendet wurden. Die
gestalterische Varianz zeigt sich insbesondere im Eingangsbereich,
wo die unterschiedlichen, jeweils scharfkantig betonierten
Wandoberflächen aufeinandertreffen. Im Vergleich zu den
unscheinbaren Fugen der Sichtbetonwände in den Mitarbeiterräumen,
sind die Nahtstellen in den Wänden der Fahrzeughalle sowie in allen
anderen untergeordneten Bereichen bewusst grob gehalten. Hier wird
die verwendete Rahmenschalung mit den klar erkennbaren Abdrücken
der Rahmenprofile deutlich. Schließlich wurden die Innenräume durch
weitere Kontraste und Akzente aus warmem Holz, schwarzen
Akustikelementen oder bunten Möbeln belebt. -sab
Bautafel
Architektur: dasch zürn + partner, Stuttgart
Projektbeteiligte: Reinboth Landschaftsarchitekten, Esslingen (Landschaftsarchitektur); tragwerkeplus, Reutlingen (Tragwerksplanung); LWKonzept, Stuttgart (Brandschutzgutachten); GN Bauphysik, Stuttgart (Bauphysik/Raumakustik); : IB Wagner, Reutlingen (HLS-Planung); Kienle Beratende Ingenieure, Stuttgart (Elektroplanung); FWT Fachplanungsbüro Hoffmann, Auenwald (Feuerwehrtechnik)
Bauherrin: Stadt Metzingen
Standort: Friedrich-Henning-Straße 1 + 3, 72555 Metzingen
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: ArchitekturImBild Bernhard Tränkle, Steinen; Henrik Schipper, Henrik Schipper Photography, Dortmund; Jens Kramer