Temporäre Bauten am Flussufer in Zagreb
Vor der Flut
Weite, unbebaute Flächen prägen die Ufer der Save in Zagreb. Anders als in vielen anderen europäischen Städten, in denen entlang von Flüssen gerne reges Treiben herrscht, wurden diese Zonen in der kroatischen Hauptstadt aufgrund der Überflutungsgefahr traditionell eher gemieden. Heute begrenzen Dämme mit vorgelagerten Hochwasserschutzpoldern den wilden Nebenarm der Donau. Da diese Bereiche dauerhaft von Bauten freigehalten werden müssen, werden die Stadtgebiete auf beiden Uferseiten von einer breiten Schneise getrennt.
Gallerie
Die Stadt Zagreb hatte die Uferzone der Save als Standort für Europan 13 – Motto: Adaptable City – eingereicht. Ziel war es, einen Weg zu finden, diesen vernachlässigten städtischen Raum auf einer Länge von sieben Kilometern temporär zu beleben.
Der siegreiche Vorschlag kam vom jungen Büro Openact Architecture, das beiderseits des Flusses sogenannte Aktivatoren in verschiedenen Größen und Formen vorschlug. Sie sollten in Gerüstbauweise verwirklicht und mit einem vielseitigen Kultur- und Sportangebot bespielt werden. Das ausgeklügelte Konzept hatte neun verschiedene Typen von Aktivatoren beinhaltet, unter anderem auch Aussichts- bzw. Klettertürme, verschiedenartig genutzte Plätze, Tribünen, künstliche Landschaften, schwimmende Plattformen und Pop-Up-Orte wie etwa Zeltstädte.
Ausloten der Möglichkeiten
Im letzten Sommer wurde ein Teil des Entwurfs als „Sava Activities (Part 1)“ verwirklicht. Drei Monate lang besetzten daraufhin bauliche Strukturen an drei Standorten die Uferzone: an der Slobode-Brücke auf beiden Flussseiten und an einem Brückenkopf des Hendrix-Eisenbahnviadukts. Umgesetzt wurden nutzungsoffene „Space Container“, eine Gerüstkonstruktion, die als Bühne sowie als Befestigung der Projektionsfläche diente, sowie schattenspendende Pavillons mit kreuzförmigen Grundrissen.
Rund um diese Aktivatoren ließ das Planungsteam unter anderem
temporäre Sportfelder anlegen, auf denen gebolzt oder
Beachvolleyball beziehungsweise Badminton gespielt werden konnte.
Darüber hinaus wurden Yoga-Sessions, Reitstunden und Kajaken auf
dem Fluss angeboten. Veranstaltungen wie Konzerte,
Open-Air-Kino-Vorstellungen und Workshops deckten den kulturellen
Aspekt ab.
Am Fluss, im Fluss
Die jungen Architektinnen und Architekten hoffen, dass die Erkenntnisse aus dieser ersten Phase des Projekts in die zukünftige Belebung der Uferzone einfließen. Das Feedback der Menschen, die im Sommer 2019 diesen Raum für sich erobert haben, soll in die Weiterentwicklung eingebunden werden. Entwurf, Realisierung und Nutzung bleiben so miteinander verknüpft – befinden sich also quasi „im Fluss“.
Gerüste: Ephemere Strukturen
Modular, wirtschaftlich
und im Fall der Fälle schnell demontierbar: Gerüstkonstruktionen
waren von Anfang an Teil des Konzepts von Openact Architecture und
kamen dementsprechend auch bei der Umsetzung der vorgeschlagenen
Aktivatoren zum Einsatz.
Die Space Container – quaderförmigen Modulgerüstkonstruktionen
mit eingehängten Ebenen – zeigen weitgehend gleiche Achsabstände in
Längs- und Querrichtung, sodass eine Art Raumgitter entsteht. Eine
Stützkonstruktion in der Breite eines regulären Fassadengerüsts
verstärkt auf einer Längsseite das Tragwerk. Die Zwischendecken
lagern auf Gitterträgern auf, als Belag dienen eingehängte
Lochblech- bzw. Kunststoffplattenelemente. Breite Gerüsttreppen verbinden die verschiedenen
Ebenen.
Einmaleins des temporären Bauens
Der weitere Ausbau beschränkte sich auf das Notwendigste und spiegelt gleichzeitig das Repertoire des temporären Bauens wider. An einigen Stellen ließ man bedruckte oder unbedruckte Planen als Zierde und/oder Wetterschutz mit Kabelbindern an den Gerüsten befestigen. Auf die gleiche Art wurden die Sicherungsnetze im Brüstungsbereich montiert.
Teilweise geschlossene Zonen innerhalb des Raumgitters ließ das
Planungsteam mithilfe von einfachen Holzkonstruktionen
verwirklichen. Sperrholzplatten und transluzente
Wellplattenelemente bildeten die Hülle dieser Raumeinheiten. Die
Möblierung besteht vor allem aus Klappstühlen und
-tischen, simplen Liegestühlen und Hängematten, die lässig zwischen
zwei Querriegeln der Gerüstkonstruktion baumeln.
-chi
Bautafel
Architektur: Openact Architecture, Istanbul / Madrid
Projektteam: Zuhal Kol, Carlos Zarco Sanz, Sara Palomar Perez, Jose Luis Hidalgo, Barış Can Cüce, Zeynep Küheylan, Ozan Şen, Rana Zehra İmam
Projektbeteiligte: Arhitektura minimal, Zagreb (lokales Partnerbüro); Ultra Studio, Zagreb (Tragwerksplanung); Agram, Zagreb (Bauunternehmen); ETS Farago, Zagreb (Elektroplanung); Sinerji Dinamik Proje Mühendislik, Istanbul (technische Beratung); Inspekting; Zagreb (Brandschutzplanung)
Bauherrschaft: Stadt Zagreb, Amt für Strategische Stadtplanung und -entwicklung
Standort: nahe der Slobode-Brücke und des Hendrix-Eisenbahnviadukts, Zagreb, Kroatien
Fertigstellung: 2019 (temporär für die Sommermonate)
Bildnachweis: Marko Mihaljević, Zagreb; Openact Architecture, Istanbul / Madrid