Serverhotel Wavehouse in Heidelberg
Gedruckt in 170 Stunden
In der Heidelberger Südstadt befindet sich ein ungewöhnliches Konversionsareal: die Campbell Barracks und das Mark-Twain-Village. Erstere wurden im Nationalsozialismus als Kaserne errichtet und später vom US-Militär genutzt und um das „Village“ erweitert. Nun wird das rund 43 Hektar umfassende Ensemble neubezogen und nachverdichtet. Neben 1.500 Wohnungen entsteht hier auch ein Serverhotel. Wegen seiner geschwungenen, im 3D-Betondruckverfahren erstellten Außenwände erhielt es den Namen Wavehouse. Für den Entwurf verantwortlich waren SSV Architekten, die Ausführung planten Mense-Korte ingenieure+architekten.
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Man könnte die Villa Malaparte, eine merkwürdige Muschel oder auch einen weißen Wal erkennen, der sich zwischen die niedrigen Reihenhäuser verirrt hat. Der langgestreckte Baukörper wächst am einen Ende ähnlich einer Bischofshaube in die Höhe und bildet so einen runden Kopf aus. Daneben schirmt eine absinkende, gebogene Mauer den Haupteingang ab. Am anderen, ebenfalls geschwungenen Ende gibt es einen ähnlich versteckten Hintereingang.
Die kalkweißen Oberflächen wirken rau und organisch. Wie lange, übereinander gelagerte Würste erscheinen die Außenwände. Von weitem ist – je nach Sonnenstand – erkennbar, dass sich der Beton nicht nur in der Vertikalen neigt, sondern auch in Horizontalrichtung wellt. Durch diese Kombination aus kleinen Rillen und größeren Schwingungen erhält die Hülle die Anmutung einer Muschelschale. An einigen Stellen haben sich bereits Pflanzen, von der umgebenden Blumenwiese kommend, empor gewagt. Weinlaub, zunächst von Holzstäben gestützt, klammert sich zunehmend an den Betonwürsten fest.
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Im Inneren des Kopfteils sind ein Notstromaggregat, zwei Traforäume, ein Batterieraum, ein WC und ein Treppenhaus untergebracht. Dahinter schließt der über 35 m lange und 9 m breite Serverraum an. Zwischen den geraden, parallel verlaufenden Außenwänden reihen sich die querstehenden Serverschränke auf. Jeder von ihnen ist 7 m lang und 1,4 m tief. Dazwischen sind jeweils 1,5 m breite Gänge für Installationsarbeiten vorgesehen. Vier Kühlgeräte schützen die geschäftigen Datenspeicher vor Überhitzung. Über dem rund 4 m hohen Hauptraum befindet sich ein Gründach. Im Kopf gibt es außerdem ein Obergeschoss mit zwei weiteren Räumen.
Zwischen die Wandschalen wurde unbewehrter Beton gegossen – so fungieren sie gewissermaßen als verlorene Schalung. Während an den Gebäudeenden Krümmungen und Querwände die Konstruktion aussteifen, stabilisieren mit Stahlbeton ausgefüllte, ebenfalls gedruckte Stützen die Serverraumwände. Auf den aus der Innenschale ragenden Stützen lagern auch die Stahlträger, überwiegend HEA 340, für die 20 cm starke Deckenplatte. Im vorderen Bereich des Gebäudes besteht sie aus Stahlbeton, über den Serverschränken aus Porenbeton. Hier ist das Flachdach ungedämmt. Über den übrigen Räumen befindet sich eine 8 cm dicke Dämmlage zwischen Deckenplatte und dem weiteren Gründachaufbau.
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Erstellt wurde die Hülle als Hohlwand, mit einem modularen Portaldrucker. Ein bis zwei Tage dauert der Aufbau des COBOD BOD2, bis er die Baustelle ähnlich einer Kranbrücke umgibt. Er wird entweder mit der Bodenplatte oder mit Betonsteinen verschraubt. Sein Druckkopf bewegt sich entlang dreier Achsen. Sicherheitsvorschriften und der Wunsch, weiterhin Handarbeit in den Prozess integrieren zu können, beschränken die Druckgeschwindigkeit auf einen Quadratmeter Hohlwand je fünf Minuten. Zur Überwachung des Druckvorgangs und der Ergebnisse ist der Roboter mit Kameras ausgestattet. Die Technologie entwickelte das dänische Unternehmen COBOD, in Deutschland kann der Drucker über PERI 3D Construction geliehen werden.
Zwischen dem 31. März und 17. Juli 2023, in rund 170 Druckstunden, druckte der BOD2 das 54 m lange, 11 m breite und bis zu 9 m Gebäude. 333 Tonnen eines gut pump- und extrudierbaren, mineralischen Betons waren dafür nötig. Der i.tech 3D von Heidelberg Materials wurde just-in-time per Silo-LKW angeliefert, eng abgestimmt mir der Bauleitung. Beim Bau des Serverhotels wurde erstmals mit 4 mm Größtkornstärke gearbeitet, wodurch sich der Bindemittelgehalt in der Trockenmischung verringerte – und die CO2-Bilanz verbessere. Zusätzlich wurden bei der Herstellung des Bindemittels etwa 55 % weniger Kohlenstoffdioxid emittiert als bei reinem Portlandzement. Dank der zielsicheren Festigkeitsentwicklung und hohen Formtreue des 3D-Druckbetons ließen sich die Wellen der Wände sowie ihr Überhang von bis zu 18 Grad umsetzen.
Bautafel
Architektur: ARGE SSV Architekten, Heidelberg (Entwurf) und Mense-Korte ingenieure+architekten, Beckum (Ausführungsplanung)
Projektbeteiligte: PERI 3D Construction, Weißenhorn (Druckroboter COBOD BOD2); Heidelberg Materials, Heidelberg (3D-Druckbeton i.tech 3D); DAW, Ober-Ramstadt (Anstriche); Heidelberg iT (Mieterin Serverhotel)
Bauherr*in: KRAUSGRUPPE, Heidelberg
Fertigstellung: 2024
Standort: Billie-Holiday-Straße, 69126 Heidelberg
Bildnachweis: PERI 3D Construction GmbH; Heidelberg Materials AG I Christian Buck; Kraus Immobilien; Mense-Korte ingenieure+architekten