Berghütte Refugi Guardat de L´illa in den Pyrenäen
Selbstversorgendes Gebäude in abgeschiedener Berglandschaft
Jedes Jahr besuchen bis zu zehn Millionen Touristen das kleine Fürstentum Andorra, um in der spektakulären Berglandschaft der östlichen Pyrenäen Ski zu fahren oder zu wandern. In der Gemeinde Encamp im Herzen des Gletschertals Vall de Madriu-Perafita-Claror liegt auf 2.488 Metern Höhe die Berghütte Refugi Guardat de L'illa. Ursprünglich wurde das Gebäude in den 1930er Jahren während der Bauarbeiten für den benachbarten Stausee Estany de L'illa als einfache Arbeiterunterkunft erbaut. Seit 1993 diente es als Schutzhütte für Touristen, die modernen Standards aber längst nicht mehr genügte. Die andorranische Regierung beauftragte daher die Architekten Arteks Arquitectura und Ginjaume Arquitectura i Paissatge mit der Modernisierung und Erweiterung der Bergstation.
Gallerie
Für das Architektenteam stellte das ungewöhnliche Projekt in der abgeschiedenen Berglandschaft eine Herausforderung dar. Da das Vall de Madriu-Perafita-Claror zum Unesco Weltkulturerbe zählt, musste bei den Bauarbeiten Rücksicht auf die geschützte Fauna und Flora genommen werden. Aufgrund des rauen Klimas konnte der Umbau nur in den Sommermonaten erfolgen. Wesentlich für die Planung war, dass die Enklave nur zu Fuß, zu Pferd oder per Helikopter erreichbar ist. Die Architekten setzten daher auf den Baustoff Holz, der nachhaltig ist, sich leicht vorfertigen und gut transportieren lässt. Im Ergebnis wiegt das Gebäude lediglich rund ein Drittel einer herkömmlichen Konstruktion und die gesamte Bauzeit reduzierte sich auf nur sechs Monate.
Um die verfügbare Grundfläche zu vergrößern, wurde auf das ursprünglich einstöckige Gebäude aus Naturstein ein zweites Geschoss als Holzbau aufgesattelt. Auf der Westseite blieb ein Teil des Sockelgeschosses unbebaut. Die Fläche dient als Terrasse und stellt gleichzeitig den neuen Zugang ins Gebäude dar. Die Außenhülle der vierzig Meter langen, sieben Meter breiten und fünf Meter hohen Holzkonstruktion wurde luftdicht gedämmt und mit Metall verkleidet. Zahlreiche Fenster auf der Südseite bieten den Besuchern einen eindrucksvollen Ausblick auf die umgebenden Berggipfel.
Während das Erdgeschoss als Technikzentrale und Lager dient, finden sich im neuen Obergeschoss die Küche, Toiletten, Duschen, ein Ess- und Aufenthaltsraum sowie fünf Schlafzimmer mit Übernachtungsmöglichkeit für je acht bis zehn Personen. Zum Angebot gehören auch eine Bar und ein Restaurantservice. Die offene Holzrahmenstruktur sowie die mit hellen Holzbrettern bekleideten Innenwände, Decken und Böden verleihen dem Interieur Wärme und Behaglichkeit. Sämtliches Mobiliar wie die eingebauten Stockbetten, Esstische, Bänke und Regale sind sehr einfach gehalten und bestehen aus Schichtholz. Die meisten Einbauten wurden in der Werkstatt vorgefertigt, via Helikopter eingeflogen und vor Ort montiert.
Gebäudetechnik
Da die Berghütte Refugi Guardat de L‘illa keinerlei Infrastrukturanbindung besitzt, mussten die Architekten ein selbstversorgendes Gebäude realisieren, das aus Nachhaltigkeitsgründen auch möglichst niedrige Betriebskosten aufweisen sollte. Ziel war es, mittels Speicherlösungen Energieautarkie für mindestens vier Tage am Stück zu erreichen, umso auch Tage zu überbrücken, an denen die Solareinträge aufgrund des schlechten Wetters nur gering sind. Geheizt wird mit einem Holzpelletofen, der sich im Aufenthaltsraum der Berghütte befindet.
Während auf dem Dach des westlichen Gebäudeteils eine Solarthermieanlage für warmes Brauchwasser sorgt, erzeugen Photovoltaikpaneele auf der östlichen Seite Strom. Speziell ausgebildete Dachwinkel sorgen dafür, dass die großen Schneelasten, die sich im Winter ansammeln, rasch abrutschen und so die großen Solaranlagen auf dem Dach nicht verschatten. Gekocht wird mit Gasflaschen. Begleitend zur hochgedämmten Gebäudehülle wurde eine kontrollierte und hocheffiziente Wohnraumbelüftung installiert. Sie vermeidet, dass im Winter extrem kalte Außenluft ins Gebäude dringt. Durch eine integrierte Wärmerückgewinnung geht beim Luftaustausch keine Wärme an die Umwelt verloren. Die Wasserversorgung erfolgt durch gefiltertes Regenwasser beziehungsweise getauten Schnee. Ein autonomes Wasserreinigungssystem mit Kokosfilter reinigt das anfallende Abwasser, sodass es anschließend zurück in die Umwelt entlassen werden kann.
Bautafel
Architekten: Arteks Arquitectura, Andorra la Vella und Ginjaume Arquitectura i Paissatge, Sant Julià
Projektbeteiligte: Beal AEC Enginyers consultors, Andorra la Vella (Tragwerksplanung); R3e, Andorra la Vella (Planung Gebäudetechnik), Pirineu Inspecció i Control, Sant Julià de Lòria (Qualitätskontrolle); Pidasa Serveis, Andorra la Vella (Bauunternehmer); Simonin, Montlebon (Holzbau)
Bauherr: Govern d'Andorra, Andorra la Vella (Regierung von Andorra)
Fertigstellung: 2016
Standort: AD200 Encamp, Vall de Madriu-Perafita-Claror, Andorra
Bildnachweis: Pol Viladoms, Barcelona
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