Bahnhof und Rathaus in Delft
Delfter Fliesen neu interpretiert
Für Bahnreisende ist die Ankunft in Delft ein besonderes Erlebnis. Mit dem Bahnhofsneubau, der zugleich Rathaus ist, hat das Büro Mecanoo Architecten die Geschichte der niederländischen Stadt auf außergewöhnliche Weise in Szene gesetzt – unter anderem mit einer Neuinterpretation der berühmten Delfter Fliesen.
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Delft neu geordnet
Der polygonale, fünfgeschossige Bau liegt direkt an der
Westsingelgracht über einem ebenfalls neuen Bahnhofstunnel, der
eine alte Betonbrücke ersetzt, welche die Stadt seit 1965 entzweit
hatte. Während des Entwurfsprozesses wurde das Gebäudevolumen immer
weiter verdichtet, um eine kompakte, hocheffiziente Gebäudeform zu
entwickeln. Mehrere Einschnitte im Baukörper lassen enge Gassen und
Innenhöfe entstehen, die an das historische Stadtzentrum von Delft
erinnern. Die zu den Ecken hin abfallenden Dachlinien bilden einen
Übergang zur bestehenden kleinteiligen Bebauung und zum
angrenzenden Quartier Wester. Das Gebäude verbindet so die
historische Innenstadt auf der Ostseite des Eisenbahntunnels mit
den westlich gelegenen Wohnvierteln und ordnet auf diese Weise das
Zentrum von Delft neu.
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An der Sonne orientiert
Der großflächig verglaste Baukörper ist so ausgerichtet, dass
trotz hohem Tageslichteinfall eine Überhitzung der Räume in den
Sommermonaten vermieden wird. Das Hochleistungsglas der Fassaden
weist einen hohen Lichtabsorptionsfaktor auf, absorbiert jedoch nur
eine geringe Menge der Wärmestrahlung. Neben manuell öffenbaren
Fenstern sind Paneele aus Schmelzglas mit linsenförmigen
Einprägungen angebracht, die eine Reminiszenz an traditionelle
Butzenscheiben darstellen, wie sie in der Altstadt an vielen
Häusern zu finden sind. Photovoltaikmodule auf dem Dach liefern
zwanzig Prozent des Stroms für die Gebäudetechnik und die durch
Bewegungsmelder gesteuerte Beleuchtung.
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Die Stadt an der Decke
Ohne Zweifel ist das Highlight des Gebäudes die öffentliche
Halle. Sie verbindet die Bahnhofshalle mit dem Rathaus und ist von
einer gewölbten Decke überspannt, auf der sich ein riesiger,
historischer Stadtplan aus dem Jahr 1877 befindet. Der 110 x 70
Meter große, blauweiße Plan wurde auf 1.929 Lamellen gedruckt,
sodass er erst beim Durchschreiten der Halle und durch die
Veränderung der Perspektive erkenn- und erfahrbar ist.
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Delfter Fliesen neu interpretiert
Die Wände und runden Stützen sind mit kleinen Fliesenscherben in Weiß und verschiedenen Blautönen bekleidet. Sie stellen eine zeitgenössische Interpretation der traditionellen Delfter Keramikfliesen dar, für welche die Stadt noch heute berühmt ist. Die Delfter Keramik entwickelte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts und zeichnet sich durch ihre spezielle Farbgebung und die kunstvollen Motive aus. Bei Delfter Fliesen handelt es sich um zinnlasierte Keramik. Bei der Herstellung muss zunächst die Rohmasse, bestehend aus Ton, Quarzsand und Kalk, in die richtige Form gewalzt werden. Nach dem Schrühbrand wird das Material mit einer Zinnglasur lasiert und danach von Hand kunstvoll mit Kobaltblau auf Weiß bemalt. Ein erneuter Brennvorgang macht die Fliesen schließlich widerstandsfähig. Vorbild für die Fliesen war das feine blauweiße, chinesische Porzellan. Auch bei dem Bahnhofsneubau wurde auf die Handwerkskunst der Fliesenleger*innen vertraut, die die Scherben einzeln von Hand zu einem kunstvollen Mosaik zusammenfügten.
Bautafel
Architektur: Mecanoo architecten, Delft
Projektbeteiligte: Deerns, Den Haag (Bauingenieur); ABT (Tragwerksplaner); Basalt Bouwadvies, Houten (Baukostenberater); Geerdes Ontwerpen,Huizen (Berater Grafik Decke); Mosa, Maastricht (Fliesen)
Bauherr/in: Stadt Delft
Fertigstellung: 2018
Standort: 2611 AC Delft, Niederlande
Bildnachweis: Mecanoo architecten, Delft