Ceramic House in Amsterdam
Dreidimensionale Fliesen aus dem Drucker
Keramische Fliesen scheinen sich seit einigen Jahren im Spannungsfeld zwischen handwerklicher Tradition und Digitalisierung zu befinden. Kleine, handgefertigte Fliesen (oder solche, die danach aussehen) sind ebenso nachgefragt wie großformatige Platten mit anspruchsvollen Digitaldruckoberflächen. Bei der Gestaltung eines Bekleidungsgeschäftes in der Amsterdamer Pieter Cornelisz Hooftstraat ging Studio RAP einen Schritt weiter: Die stark reliefierten Fassadenfliesen des Ceramic House entstammen allesamt einem 3D-Drucker.
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Fliesen mit Faltenwurf
In der beschaulichen Hooftstraat reihen sich schmale, historische Klinkerhäuser aneinander, wie sie prägend für das historische Zentrum Amsterdams sind. Etwas unerwartet in dem pittoresken, kleinteiligen Ambiente finden sich in den Erdgeschossen Geschäfte von Luxusmarken wie Cartier, Hermès oder Balenciaga. Die Fassadenfliesen des Ceramic House bilden die Silhouette der ursprünglichen Fassade nach. Maßstab, Größe und Farbe der Keramik sind sorgfältig auf die Nachbargebäude abgestimmt. Bei einem flüchtigen Blick von vorne mag nicht gleich auffallen, dass es sich nicht um eine rötliche Mauerwerksfassade handelt; verändert sich jedoch der Standpunkt, offenbart sich die stark dreidimensionale Ausprägung der Fliesen. Dabei gleicht keines der Elemente einem anderen. Vielmehr bildet die Fassade in ihrer Gesamtheit einen textilen Faltenwurf nach, der zwischen Erd- und erstem Obergeschoss besonders plastisch ist und nach oben und unten abflacht.
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Im Erdgeschoss sind die Fliesen in einem gedeckten Weiß glasiert; in den Obergeschossen changieren sie zwischen Orangerot und Braun. Zumindest aus der Ferne ist die Täuschung, dass es sich hierbei um roten Backstein handelt, verblüffend. Dazu trägt maßgeblich die Verlegung der Fliesen im Halbverband bei, der an den Läuferverband des Originalmauerwerks erinnert. In Anlehnung an die gemauerten Verblendstürze der Nachbarhäuser sind die Fensterstürze als Flachbögen mit vertikalen anstelle von horizontalen Fliesenelementen ausgebildet.
Fliesen aus dem Drucker
Die Architekt*innen entwickelten für das Ceramic House einen Algorithmus, nach dem jede einzelne der bis zu 40 x 20 cm großen Fliesen mittels roboterbasierter 3D-Drucktechnologie in der hauseigenen Werkstatt erstellt wurde. Zur Befestigung an der Fassade konnte selbstverständlich kein Standardsystem zur Anwendung kommen. Die Fliesenmodule sind in maßgefertigte, lasergeschnittene Edelstahlkassetten eingesetzt, die von vorne in den Fugen sichtbar sind. Aus der Ferne mutet das Metall wie hellgrauer Fugenmörtel an und stärkt die Täuschung eines Backsteinmauerwerks; aus der Nähe hingegen geben sich Material und Konstruktion eindeutig zu erkennen.
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Auf gelungene Art und Weise wurde die historische Substanz und Anmutung des Ceramic House um eine Designebene erweitert, die neue Technologien auslotet und das Gebäude zum Blickfang macht. In der Hooftstraat finden sich weitere Häuser, deren Fassaden extravagante Umgestaltungen erfuhren, wie etwa das Crystal House (siehe Bauwerke zum Thema).
Bautafel
Architektur: Studio RAP, Rotterdam
Projektbeteiligte: Wessels Zeist (Bauunternehmer); Gietermans & Van Dijk, Amsterdam (Co-Architekten); Royal Tichelaar, Makkum (Glasur der Fliesen)
Bauherr*in: Warenar Real Estate
Fertigstellung: 2022
Standort: Pieter Cornelisz Hooftstraat, Amsterdam, Niederlande
Bildnachweis: Riccardo De Vecchi; Studio RAP, Rotterdam (zur Verfügung gestellt über v2com)