Valley in Amsterdam

Hochhaus als Berg- und Talskulptur

Amsterdam-Zuidas ist ein expandierendes Viertel für Banken und Finanzdienstleistungen mit einem ambitionierten Masterplan im Süden des Amsterdamer Grachtengürtels. Einige der Hochhaus-Architekturen sind beispielsweise The George von Liesbeth van der Pol, der UNStudio Tower von UNStudio, The Shoe von Meyer en Van Schooten, The Rock von Erick van Egeraat oder der Ito Tower von Toyo Ito. Nun wurde in Zuidas mit Valley von MVRDV ein weiteres aufsehenerregendes Bauwerk eingeweiht.

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Verdichtung mit Erdung, parametrische Transformation

Der Planungsansatz war, trotz der hohen vertikalen Verdichtung wortwörtlich geerdete Wohnungen und viel grüne Natur zu schaffen. Mit attraktiven Wohneinheiten, Zugängen zu Gärten und einer Mischnutzung aus Büros, Gastronomie und Einzelhandel soll sich mehr städtisches Leben in Zuidas entfalten können. 

Das Grundstück ist ein längliches Rechteck in Nord-Süd-Ausrichtung zwischen der Autobahn, Sportanlagen und Hochhäusern in der Beethovenstraat. Das Architektur-Team um Winy Maas erarbeitete konzeptionell zunächst ein orthogonales verspiegeltes Volumen wie ein gigantischer Felsen, der das Umfeld widerspiegelt und das gesamte Grundstück füllt. In weiteren Arbeitsschritten wurde dieser Felsblock unter Einsatz parametrischer Software von innen ausgemeißelt und ausgehöhlt.

So entstanden drei zerklüftete Türme mit einer stufigen Talsohle wie ein Canyon, durch den ein Trail in einem Treppen-Zickzack auf verschiedene grüne Plateaus mit Wasserbassins führt. Diese flachen Bassins sind wiederum die Oberlichter eines als Grotte betitelten Atriums. Die parametrische Planung erfolgte mit mehreren Vorgaben, um beispielsweise Ausblicke, Privatsphäre, Besonnung, Tageslicht, Flächen für Begrünung, aber auch - angesichts der Lage neben der Autobahn - Schall- und Windschutz zu optimieren. Das Ergebnis wirkt wie eine intelligente Weiterentwicklung des gestapelten Vertical Village, mit dem MVRDV bereits 2013 in Taipei und Hamburg experimentierte.

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Nutzungsprogramm und Organisation

In den drei unterirdischen Geschossen befinden sich die Tiefgarage mit 375 Stellplätzen und Technikräume. Darüber erhebt sich ein Berg- und Talmassiv. Die Gipfel der drei Türme liegen in 67 Metern, 81 Metern und 100 Metern Höhe; das Tal im vierten und fünften Obergeschoss ist als Stadtgarten angelegt, der über Treppen und begrünte Ebenen öffentlich zugänglich ist.

Auf dem Straßenniveau liegen die Eingänge zu den Erschließungskernen und zum Atrium. Hier gibt es neben Fahrrad-Abstellflächen auch Räume für kulturelle Nutzungen wie Ausstellungen, Musik und Vorträge. Die unteren sieben Geschosse werden als Büros, für Gastronomie und Einzelhandel genutzt. Ab dem achten Obergeschoss sind 200 Wohnungen angeordnet, die alle in Größe und Zuschnitt variieren und somit eine Vielzahl von Wohnmöglichkeiten für unterschiedliche Nutzer anbieten. Hoch oben, im 26. und 27. Obergeschoss des nördlichen Gipfels bietet eine Panoramabar einen weiten Blick über Amsterdam.

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Zerklüftete Verwinkelung und raumhohe Glas-Schiebewände

Mit der parametrisch individualisierten Planung wurden Vorsprünge, Rücksprünge, Auskragungen, Terrassen, Balkone, Loggien und Erker mit Winkeln erzeugt, die zwischen 100, 110, 120, 130 oder 140 Grad wechseln. Für die Beziehung der Innenräume der Wohnungen zu den Außenbereichen wurden raumhohe und wärmegedämmte Glas-Faltwände gewählt. Sie reagieren auf die anspruchsvolle geometrische Kubatur, denn sie bestehen aus jeweils fünf bis acht Einzelelementen und führen als bewegliche gläserne Haut teilweise sogar über eine oder zwei Ecken. Die Glasfelder lassen sich individuell öffnen und zu gefalteten Paketen zusammenschieben. Sie sind zudem mit einem speziellen Klappbeschlag ausgerüstet, damit die Außenseiten zum Reinigen nach innen umgelegt werden können.

In Abhängigkeit von den hohen Windlasten, die unweigerlich bei einem Hochhaus entstehen, und wegen der Lärmbelastung durch die nahe Autobahn wurden zwei verschiedene Glas-Faltwand-Systeme eingesetzt, die jedoch optisch sehr ähnlich wirken. Das System Ecoline hat Aluminium-Profile mit einer Bautiefe von 67 mm und einer Ansichtsbreite von 99 mm im Flügelstoß. Das System Highline, ebenfalls Aluminium-Profile, hat wegen einer dickeren Verglasung eine Bautiefe von 84 mm; die Ansichtsbreite bleibt bei 99 mm. Mit einem Schallschutzwert bis zu 42 dB leistet Highline auch höheren Windlasten wie beispielsweise 1,65 kN/m² ab einer Höhe von 60 Metern Widerstand. Aufgrund der salzhaltigen Meeresluft wurden die Aluminium-Profile als Korrosionsschutz voranodisiert.

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Farbe, Oberfläche, Form, Gedankenspiel

In der Farbe gleichen sich die Aluminium-Profile der gelblich-orangen Verkleidung der zerklüfteten Wand- und Deckenoberflächen mit spanischem Kalkstein an. Das Zusammenspiel von Farbe, sandiger Naturstein-Oberfläche und geologisch inspirierter Form weckt Assoziationen an Canyons und Schluchten im wilden Westen der USA wie beispielsweise Zion, Bryce oder Horseshoe Bend. In den flachen Niederlanden können diese bildhaften Verknüpfungen beim Betrachter ein anregendes Gedankenspiel auslösen.

Das Projekt The Valley startete unter dem Namen Ravel Plaza. Auch dies ist ein assoziatives Spiel mit dem Namen des Komponisten Maurice Ravel und der Beethovenstraße, während sich der Begriff ravel auch als ausgefranst übersetzen lässt.

Pfosten-Riegel-Spiegelfassade und verglaste Loggien 

Die senkrechten Außenwände stehen in einem harten Kontrast zu diesem Bild. Sie sind flächenbündig glatt mit einer gerasterten Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Spiegelglas und eingeschobenen Balkonen konstruiert. Die Balkone, eigentlich eher Loggien, sind bis zu 3,60 Meter breit und mit gläsernen Brüstungen versehen, die sich den Spiegelflächen unterordnen. Um auch diese Freisitze unabhängig von der Jahreszeit und von Regen, Wind oder Lärm nutzen zu können, sind sie mit beweglichen Balkonverglasungen ausgestattet. Diese bestehen ebenfalls aus Elementen, die sich als Schiebe-Dreh-System an die Seite schieben oder nach innen wie nach außen drehen lassen.

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Vertikales Stadtgrün

Etwa 270 Bäume und Sträucher sowie 13.500 kleinere, für Hochbeete geeignete Pflanzen wachsen im Stadtgarten, auf den Terrassen und Balkonen. Gärtner sollen zukünftig dieses vertikale Stadtgrün pflegen, damit es weiter wuchert und rankt. Zur Vermeidung von Monokulturen und auch für die Erfahrbarkeit der wechselnden Jahreszeiten wurden 220 verschiedene Spezies ausgewählt, ergänzt um Vogel- und Fledermauskästen sowie Insektenhotels. Zwei flache Teiche bilden Wasserreservoire. Für die Konzeption des vertikalen Gartens ist Piet Oudolf verantwortlich, der beispielsweise in Chicago (zusammen mit Gustafson Guthrie Nichol und Robert Israel) den Lurie Garden auf dem Dach einer Tiefgarage plante. Die Tiefgarage wiederum überspannt ein Schienennetz der Eisenbahn. Der vormals unwirtliche Ort wurde in einen innerstädtisch resilienten und ganzjährig beeindruckenden Stadtgarten verwandelt.

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The Valley wurde 2021 mit dem Emporis Skyscraper Award als bester neuer Wolkenkratzer ausgezeichnet. Das Bauwerk gilt nach den Regeln des Awards als Wolkenkratzer, weil es die Mindesthöhe von 100 Metern erreicht.-sj

Bautafel

Architektur: MVRDV, Rotterdam; Winy Maas, Jeroen Zuidgeest, Gideon Maasland (Team)
Projektbeteiligte: Edge Technologies, Amsterdam (Projektentwickler); Piet Oudolf, Hummelo (Landschaftsgestaltung); Inbo, Amsterdam (Bauausführung und Consulting); Van Rossum Raadgevende Ingenieurs, Amsterdam (Tragwerksplanung); Deerns, Den Haag (Haustechnik); Heyligers Architects, Amsterdam (Innenarchitektur); DGMR, Den Haag (Bauphysik und Brandschutz); ARUP, Amsterdam (Parametrisches Fassaden-Design); Solarlux, Melle, (Glas-Faltwände Ecoline und Highline, Balkonverglasungen); G&S Bouw B.V., Amsterdam; Boele & Van Eesteren B.V., Rijswijk (Bauunternehmen)
Bauherr/in: RJB Group of Companies, Amsterdam
Fertigstellung: 2022
Standort: Beethovenstraat 503, 1082 LC Amsterdam
Bildrechte: MVRDV, Rotterdam / Ossip van Duivenbode, Rotterdam; Solarlux, Melle / Bart van Hoek, Den Haag

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Die vor der Nordseeinsel Amrum liegenden Halligen Norderoog und Süderoog sind Namensgeber der beiden neu entstandenen Gebäudekomplexe in der Amrumer Straße in Berlin-Wedding (im Bild: Norderoog).

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