Bambus

Gras als nachhaltiger Rohstoff für Fenster, Türen und Wintergärten

Der schwedische Forscher und Botaniker Carl von Linné klassifizierte und bezeichnete im Jahr 1753 eine Süßgras-Pflanzengattung als Bambus. Mit dieser botanischen Namenstaufe verwies Linné auf den uralten indischen bzw. Sanskrit-Namen dieser Pflanzenart, nämlich Mambu. Die englische Vokabel bamboo ist lautmalerisch mambu noch ähnlicher als die deutsche Übersetzung mit der lateinisierten Wortendung. Mit mehr als 1.200 verschiedenen Arten ist Bambus kein Holz, sondern tatsächlich ein Gras, auch wenn es viele mit Holz vergleichbare Eigenschaften aufweist.

Gallerie

Bambus wächst – inzwischen – fast überall auf der Welt. Als immergrüne und schlanke lineare Zierpflanze gelangte Bambus vor ungefähr 200 Jahren nach Europa. Allein in den Kew Gardens, London gedeihen heute 130 verschiedene Arten. Bei einer hohen Luftfeuchtigkeit zwischen 80% bis 90% sind die meisten Bambusarten jedoch in Ostasien und Lateinamerika heimisch. Einige Arten, wie beispielsweise Bambusa bambos (L.) Voss erreichen Höhen bis zu 30 m bei Durchmessern bis zu 18 cm. Die Bambusart Dendrocalamus giganteus, die in Indien, Sri Lanka und Thailand wächst, hat sogar Durchmesser bis zu 30 cm bei einem Wachstum bis zu 20 cm am Tag. Auch wenn z. B. dieser Riesenbambus so robust ist, dass er sogar in Deutschland gezüchtet werden kann, bleibt er sehr viel kleiner als in Asien. Die Art Guadua angustifolia Kunth ist die von Tragwerksplanern bevorzugte Art, weil diese am besten auf Anforderungen hinsichtlich Spannungen, Festigkeit, Elastizitätsmodul und Verlässlichkeit des Tragverhaltens reagiert.

Von der Matte bis zum Tragwerk

Bambus ist zudem eine extrem vielseitige Nutzpflanze, denn die Verwertung reicht über Nahrungsmittel, Matten und Geflechte, Gefäße, Musikinstrumente, Möbel, Bodenbeläge, Wandverkleidungen, Gartenbau, Zellstoffe für Papier und Textilien, Stöcke und Halterungen bis zu statisch wirksamen Konstruktionen. Während Bauen mit Bambus in Südostasien eine jahrhunderte- wenn nicht jahrtausendealte Tradition hat, wurde es in Europa erst in den letzten Jahrzehnten in Erkenntnis und Wertschätzung von Nachhaltigkeit und positiver Biomasse entdeckt. Einen großen Einfluss auf die Architektur hatte unter anderem der japanische Pritzker-Preisträger Shigeru Ban mit seinen experimentellen Konstruktionen aus Bambus, Papier und Textilien sowie der Bambus-Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover von ZERI (zero emission research initiative) und Simón Vélez, Kolumbien.

Material für Fenster, Türen und Wintergärten

Bambus eignet sich aufgrund seiner Eigenschaften auch als Material für die Konstruktion von Fenster, Türen und Wintergärten. Es ist leichter als Holz, entlastet also Beschläge, dabei sehr elastisch und gleichzeitig formstabil hinsichtlich Druck- und Zugbelastungen. Feuchtigkeitsbedingte Verformungen wie Quellen und Schwinden betragen kaum 1%, Fugen können also minimiert werden. Während sich in feuchtwarmen Regionen Asiens Bambusfenster aus ganzen hohlen Stengeln bzw. Rohren finden lassen, werden für einen baukonstruktiv wie bauphysikalisch geeigneten Einsatz in Europa die Rohre in Streifen und Leisten geschnitten und dann verpresst und stabverleimt (EN 204 thermoplastische Holzklebstoffe). Diese Rohlinge können dann zu unterschiedlichsten Profilen gesägt, gehobelt, gefräst oder gelasert werden. Die Oberfläche hat einen hellen Grundton und kann geölt, gewachst, lasiert oder lackiert werden.  

Bambus als Rohstoff für Architektur wird in kontrollierten und zertifizierten Plantagen u. a. in Kolumbien, Nicaragua, Vietnam und Indonesien kultiviert und nach einer Wachstumsdauer von nur vier bis fünf Jahren geerntet – das ist zeitlich vergleichbar mit einem eher kleinen Weihnachtsbaum, zum Beispiel Nordmanntanne oder Douglasie um die 80 bis 100 cm Höhe. Da sich Bambus über Rhizom-Triebe vermehrt, wird bei der Ernte immer nur ein Teil abgeschnitten, die eigentliche Pflanze lebt also weiter und bildet neue Halme, das heißt, der Lebenszyklus läuft weiter.

Ähnlich wie die Forschungen zu Papier als architektonischem Baustoff, die aktuell an Hochschulen in Deutschland und in den Niederlanden durchgeführt werden, sind auch die Eigenschaften, Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten von Bambus noch längst nicht umfassend untersucht, zumal es so viele unterschiedliche Arten gibt. Schon die Fähigkeit von Bambuspflanzen, in großen Mengen Kohlendioxid zu binden und in für den Atem nutzbaren Sauerstoff umzuwandeln, zeigt hier noch weiteren Forschungsbedarf und verweist auf erstaunliche Potentiale für die Lebensqualität in urbanen Kontexten.

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit von Prof. Susanne Junker, Beuth Hochschule für Technik Berlin, mit der Expertise von Prof. Dr. Eddy Widjaja, Beuth Hochschule für Technik Berlin, für Projektarbeiten und Realisierungen mit Bambus in Kolumbien und Südostasien.

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