Wiederaufbau der Eremita San Juan de Ruesta
Werksteinblöcke ergänzen jahrhundertealtes Bruchsteinmauerwerk
Wer sich dazu entschließt, „dann mal weg zu sein“ und den Jakobsweg zu gehen, wird auf dem klassischen nordspanischen Camino Francés zwischen Jaca und Pamplona auf die Yesa-Talsperre stoßen, die im Nordwesten der aragonischen Provinz Saragossa seit 1959 den Fluss Aragón anstaut. Am Südufer liegt die verlassene Ortschaft Ruesta mit einst knapp 400 Einwohnern, die auf eine arabische Festung aus dem 9. Jahrhundert zurückgeht. Nach Flutung der Ländereien im Zusammenhang mit dem Bau der Talsperre war der Ort aufgegeben worden und verfiel in den folgenden Jahrzehnten.
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Gut 600 Meter südlich und einen Kilometer nördlich der Ruinen von Ortskern und Festung befindet sich jeweils eine kleine Einsiedelei: die Ermita San Jacobo de Ruesta im Süden und die Ermita San Juan de Ruesta im Norden. Während die südliche Kapelle noch gut erhalten ist, waren bei San Juan 2001 das mit Schieferplatten gedeckte Satteldach und ein Teil der Außenmauern eingebrochen. Romanische Fresken im Inneren, die zu den wichtigsten spanischen Malereien des 12. Jahrhunderts zählen, waren bereits im Zuge des oben genannten Stauseeprojekts abgenommen und in das fünfzig Kilometer entfernte Diözesanmuseum Jaca verbracht worden, während Reste der Wandmalereien vor Ort verblieben.
Bewahren und Revitalisieren
Seit 1988 wird Ruesta jedoch im Auftrag des Ebro-Wasserverbandes von der Gewerkschaft CGT (Confederación General del Trabajo) verwaltet, die ihn zu reaktivieren und so das Kulturerbe zu erhalten und zu erschließen sucht. Derzeit gibt es außer einem Zeltplatz zwei ganzjährig geöffnete Herbergen mit Restaurant und ein Kulturzentrum mit Ausstellungsraum und Bibliothek. Seit 1993 gehört Ruesta zum UNESCO-Welterbe des Camino Francés.
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Das Büro Sebastián Arquitectos aus Saragossa war vor einigen Jahren von der lokalen Regierung mit einem Masterplan zur Wiederbelebung des historischen Zentrums und mit einigen Restaurierungsarbeiten beauftragt worden. Dazu gehörten auch die Bewahrung und ergänzende Wiederherstellung der San-Juan-Ruine, die zuletzt durch ein Schutzdach aus Blech gesichert gewesen war und nun wieder von Pilgern genutzt werden kann. Der einschiffige Saalbau mit Ostapsis, der ursprünglich von Eichen und Steineichen umgeben war, wurde in der originalen Kubatur rekonstruiert. Während die Apsis erhalten geblieben war, mussten am Hauptschiff rund sechzig Prozent der Substanz ersetzt werden. Dabei haben die Architekten die Grenze zwischen Alt und Neu deutlich markiert. Rund um den Bau wurden die Steine der eingestürzten Mauern in regelmäßigem Raster ausgelegt – eine raumgreifende Geste und vielleicht auch ein mahnendes Zeichen zum achtsamen Umgang mit Kulturerbe.
Ergänzte Fassaden und neues Dach
Die auf einem Betonanker aufsitzende Ergänzung wird von sieben äußerlich nicht sichtbaren Stahlrahmen mit Zugstäben zwischen den Traufpunkten gehalten. Vor diesen wurden – im Kontrast zum Bruchsteinmauerwerk des Bestands – regelmäßige, helle Werksteinblöcke aufgemauert. Durch die unterschnittene, unten abgekantete Außenfläche der neuen Steine entsteht im fugenlos gesetzten Mauerwerk eine geschuppte Horizontalstruktur ähnlich einer Stülpschalung. Zudem sind die Wände regelmäßig perforiert mit kleinsten Tageslichtöffnungen von nur wenigen Quadratzentimetern, da bei jedem Stein eine der beiden unteren Ecken ausgenommen wurde. Damit ist das in der Apsis vorgefundene Muster an regelmäßigen Lichtöffnungen in verkleinertem Raster auf die Seitenwände übertragen worden.
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Für den Dachaufbau sind, von innen sichtbar, schlanke Vierkantprofile auf die Rahmen montiert, die eine aussteifende Ebene aus Holzplatten tragen. Auf diese wiederum sind Lattung und Konterlattung aufgebracht, wodurch eine hinterlüftete Deckung ermöglicht wurde, und zwar mit überlappend angeordneten Werksteinplatten von gleicher Materialanmutung wie die Wandergänzungen.
2022 startete außerdem ein Projekt zur digitalen Rekonstruktion der Eremitage einschließlich ihrer Malereien in Zusammenarbeit zwischen Wasserverband, Universität Zaragoza, der Stiftung Factum und Sebastián Arquitectos.
Bautafel
Architektur: Sebastián Arquitectos, Saragossa
Projektbeteiligte: Sergio Sebastián Franco, Pablo Sebastián, Alejandro Alda, Giorgio Bernardi, Valeria Gasparini, Michela D´Angelo (Team Architekten), Javier Caamaño, Matute Manrique, Asist. Técnica CHE (Ingenieure), Paleoymás, Saragossa (Archäologie), Álex Garris Fernández, Saragossa (Historiker), Patrocinio Jimeno Victori, Saragossa (Restaurator), Cristina Marín Chaves, Saragossa (Steinkunde),Cantería Olnasa, Uncastillo (Steinmetzarbeiten), RubioMorte, Saragossa / UTE Yesa (Bauausführung)
Bauherr*in: Confederación Hidrográfica del Ebro / UTE Yesa
Fertigstellung: 2021
Standort: 50685, Saragossa, Spanien
Bildnachweis: Iñaki Bergera, Saragossa; Sebastián Arquitectos, Saragossa
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