Historisches zur Gebäudebegrünung
Vegetationsstrukturen an Gebäuden gibt es seit jeher in nahezu allen Klima- und Kulturregionen der Welt. Gemeint sind damit der bewusste Einsatz von Vegetationselementen im gebauten Raum im Gegensatz zu der spontanen Ansiedlung von Pflanzen an einem Gebäude. Die Überwucherungen von Gebäuden durch Kletterpflanzen, wie die Würgefeige an einem thailändischen Tempel oder die Ausbreitung von Blauregen und Efeu an Häuserwänden und -dächern in Mitteleuropa sind insofern keine Beispiele für die sogenannte Gebäudebegrünung oder „Grüne Infrastruktur“.
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Historische Momente der Dach- und Terrassenbegrünung
Die Hängenden Gärten von Babylon, erstmals von Ktesias von Knidos 400 v. Ch. erwähnt, sind ein frühes und einflussreiches Beispiel für Dach- und Terrassenbegrünungen. Italienische Dach- und Terrassengärten der Renaissance – nach Vorbild der Hängenden Gärten – brachten die Gebäudebegrünung nach Europe. Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich Le Corbusier mit den positiven Effekten von Dachgärten in Architektur und Städtebau. Zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde unter anderem der Architekt Emilio Ambasz mit seinem begrünten Terrassenbau in der japanischen Stadt Fukuoka zu einem der wichtigen Wegbereiter der Gebäudebegrünung.
Bereits in der Antike entstand eine Art grüne Behausung in Form von Erdhäusern – Wohnhöhlen geschützt durch grüne Hauben. Beispiele wären hier die Stadt Petra (Jordanien 300 v. Chr.) aber auch frühchristliche Siedlungen in den kappadokischen Bergen (Türkei) und in Matera (Italien). Durch Gestein, Erdreich und Pflanzen klimatisch vor Hitze und Kälte geschützt, konnten diese gebauten Strukturen Jahrtausende überdauern. Den Erdhäusern ähnlich sind Grassoden- und Seegrashäuser aus Island und Dänemark, die ab dem 17. bzw. 18. Jahrhundert aufkamen. Den geringen Ressourcen bzw. dem geringen Holzbestand der Regionen geschuldet, waren Bewohner*innen auf alternatives Baumaterial angewiesen, das ausreichend Dämmung und Schutz vor rauen Wetterbedingungen bietet. Die Behausungen bestanden aus einem einfachen Holzgerüst, das mit aus Torf geschnittenen Blöcken (Gras und bis zu 1 m dickes Erdreich) über einer Steinschicht errichtet wurde, die die Wände und Dächer bildeten. Oder im Fall der dänischen Seegrashäuser aus einer Mischung aus bearbeiteten Seegras und Torf.
Anfänge der Fassadenbepflanzung
Die Geschichte der Fassadenbepflanzung reicht ebenfalls sehr
weit zurück. In der Antike und vor allem in der europäischen
Renaissance wurden verstärkt Efeu und Spalierobst bzw. Weinstöcke
an Fassaden angebracht. Zu Ende des 19. Jahrhunderts erreichten
Kletterpflanzen in ihrer Artenvielfalt ihren Höhepunkt. Eine
Vielzahl an kultivierten Importpflanzen kamen im Zuge von
Kolonialisierung und Handel nach Europa. Rankgerüste und
Zierspaliere wurden als spezielle Gestaltungselemente der Fassade
von Architekten der Zeit entworfen. Als heutiger westlicher
Impulsgeber der Fassadengestaltung gilt der französische Botaniker
und Gestalter Patrick Blanc, der in den 1980er-Jahren die Mur
Végétal entwickelt hat. Diese Technik basiert auf einem System
der Wandbepflanzung, das Blanc 1988 patentieren ließ, und auf einem
Konzept, nach dem die Bepflanzung als eine Art abstraktes Wandbild
angelegt wird.
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Umweltbewegung und begrünte Architektur
In den 1980er-Jahren entstanden auch in Deutschland vermehrt naturnahe Architekturentwürfe, die von der damaligen Umweltbewegung wesentlich beeinflusst waren. Die Umweltbewegung, eng an die Anti-Atomkraftbewegung angebunden, etablierte sich über die 1970er- und 1980er- Jahre als soziale Bewegung sowohl in West- als auch in Ostdeutschland. Zu bedeutenden Beispielen der Architektur dieser Zeit zählen unter anderem die Ökohäuser der Berliner IBA 1984/1987, für die der Architekt Frei Otto die baukonstruktive und versorgungstechnische Infrastruktur entwarf. Diese Gebäude konnten Sonnenenergie und Grauwasser nutzen und wurden vielfach mit Fassaden- und Dachbegrünung geplant.
Baubotanik
Frei Otto forschte in den 1970er und 1980er-Jahren an dem von ihm initiierten Sonderforschungsbereich Natürliche Konstruktionen: Leichtbau in Architektur und Natur in Stuttgart zu den Möglichkeiten Bäume als lebende Pflanzenarchitektur einzusetzen. Das mittlerweile etablierte Forschungsgebiet der Baubotanik, begründet von Ferdinand Ludwig, beschäftigt sich an der Technischen Universität München mit der Verwendung von Bäumen in der Architektur.
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Klimawandel, Urbanisierung und Gebäudebegrünung
Seit Mitte der 2000er-Jahre erfährt die Gebäudebegrünung durch den fortschreitenden Klimawandel und die anhaltende Urbanisierung stetig mehr Aufmerksamkeit. Sie verbessert das Mikroklima, fördert die Artenvielfalt und Biodiversität, verhindert Überhitzung, filtert Feinstaub und Umgebungsgeräusche, entlastet die Kanalisation und dient der CO₂-Neutralität. Aufgrund dieser Eigenschaften wird die Begrünung von Gebäuden mittlerweile in vielen europäischen Ländern gefördert und verstärkt eingeplant.
In Deutschland gibt es auf kommunaler und staatlicher Ebene
verschiedenste Förderprogramme. Ein wesentliches Instrument, das
hier zum Ausbau der Dachbegrünung beigetragen hat, ist die bereits
seit 2010 wirksame Eingriffs-Ausgleichs-Regelung. Dieses
Naturschutzinstrument hat zum Ziel, negative Folgen von Eingriffen
in Natur und Landschaft auch außerhalb von naturschutzrechtlichen
Gebieten zu vermeiden und zu minimieren. Darüber hinaus sollen
nicht vermeidbare Eingriffe durch Maßnahmen des
Naturschutzes ausgeglichen werden. Die Dachbegrünung soll
entsprechend die negativen Effekte durch die Versieglung von
Flächen nivellieren.
Fachwissen zum Thema
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