Traditionelle Bauweisen
Ein Atlas zum Wohnen auf fünf Kontinenten
Birkhäuser Verlag, Basel 2019
384 Seiten mit 1050 farbigen Abbildungen, 24,0 x 30,0 cm gebunden.
Preis: 79,90 EUR
ISBN 978-3-0356-1609-5
Bemerkenswerte öffentliche Bauten sowie Kirchen stehen bis heute oft als Repräsentanten einer bestimmten Architekturepoche. Vielleicht noch prägender aber für das Bauhandwerk einer Gesellschaft in einer bestimmten Zeit dürften Profanbauten sein. Diesen historischen Bauten des Alltags hat Christian Schittich, langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift Detail, den umfassenden Band Traditionelle Bauweisen – Ein Atlas zum Wohnen auf fünf Kontinenten gewidmet. Bei der „vernacular architecture“, einem Begriff, der laut Autor der deutschen Sprache fehlt und bestenfalls mit „einheimische Architektur" übersetzt werden kann, handelt es sich um Bauweisen, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen, den vor Ort vorhandenen Rohstoffen und klimatischen Bedingungen richten.
Diesen Kriterien entsprechend werden in der Publikation die unterschiedlichen Architekturformen auf den fünf Kontinenten vorgestellt. Dabei geht es dem Herausgeber nicht um einen Blick auf historisches Bauen, sondern um den Erhalt der Erfahrungen und des Wissens um traditionelle Architektur, welche durch die sich weltweit angleichende Ökonomie teilweise verloren zu gehen drohen. Dieses Wissen birgt wichtige Informationen für unsere heutigen Planungen. Nicht von ungefähr finden Ansätze wie Suffizienz, Low-Tech, ökologisches Bauen und die Schaffung biodiverser Lebensräume immer mehr Gewicht bei heutigen Planungsaufgaben. Vielfach spielen Wohnbauten dabei eine Vorreiterrolle und dienen als Experimentierfelder für neue Antworten auf alte Fragen.
In 32 Kapiteln beschreiben Bauforscher, Architekten und Anthropologen Wohnbauten in ihrem kulturellen, klimatischen und topografischen Kontext. Die Kapitel sind nach Kontinenten geordnet. In der Einleitung werden Baumaterialien, Ressourcen und soziokulturelle Hintergründe beleuchtet: So erfährt man etwa, dass Standardisierung bereits das traditionelle Bauen Japans prägte. Die Tatamimatte, die als dämmender Bodenbelag dient, gab damals wie heute das Raster vor. Anschaulich wird nachgezeichnet, wie die lokal verfügbaren Materialien im Zusammenspiel mit dem vorherrschenden Klima die Konstruktionen vorgaben. So benötigt eine Strohdeckung eine deutlich steilere Dachneigung als später aufkommende Holzschindeln. Die Deckung mit Holzschindeln, die mit Steinen gegen Windsog gesichert wurden, sind in weit voneinander entfernten Regionen wiederum nahezu identisch. So unterscheidet sich etwa eine mit Stein beschwerte Legschindeldeckung in den bayrischen Alpen kaum von der im japanischen Hida-Gebirge.
Die spannende Reise um den Globus führt von europäischen Fachwerkbauten bis hin zu Baumhäusern in Neuguinea und von gemeinschaftlichen Wohnformen, wie den Hofhäusern in Jiangxi, China oder jenen der Maori bis hin zu temporären Bauten der Ureinwohner Nordamerikas, den Jurten in den Hochsteppen Asiens oder den Zelten nomadischer Jäger und Hirten in Sibirien. Die Publikation richtet sich in erster Linie an Interessierte auf den Gebieten Architektur, Stadtplanung und Geschichte. Einführung und einzelne Kapitel sind so lebendig und packend geschrieben, dass es Lehr- wie Lesebuch zugleich ist. Auch als Nachschlagewerk für Konstruktionen und Entwurfsideen lässt es sich nutzen.