Institutsgebäude des ZSW in Stuttgart
Schwarze Energiefassade
Die Energiegewinnung durch Photovoltaik ist im Neubau mittlerweile Standard. Rund drei Viertel der Solaranlagen befinden sich auf Dächern, ein weiteres Viertel auf Freiflächen. Selten findet man dagegen bisher die gebäudeintegrierte Photovoltaik. Dabei weist diese viele Vorteile auf: Zusätzlich zur Gewinnung elektrischer Energie übernimmt sie auch Funktionen einer klassischen Fassade, bietet also Schutz vor Wind und Wetter, Schallschutz und Wärmedämmung. Dass deren Einsatz auch ohne Einbußen der architektonischen Qualität möglich ist, zeigt der Entwurf von Henning Larsen Architects für das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart-Vaihingen, das fast vollständig mit schwarzen, vertikal angeordneten Solarmodulen bekleidet ist.
Gallerie
Das ZSW gehört zu den führenden Instituten für angewandte
Forschung auf den Gebieten Photovoltaik, regenerative Kraftstoffe,
Batterietechnik und Brennstoffzellen und Energiesystemanalyse. Das
neue Institutsgebäude, das Teil des Stuttgart Engineering Park ist
– einem Technologiepark, der Firmen und Institute mit ähnlichen
Tätigkeitsfeldern zusammenführt und mit der benachbarten
Universität verbindet, vereint nun verschiedene Fachbereiche sowie
Werkstätten, Maschinenhallen, Labore, Büros und Seminarräumen unter
einem Dach. Aus diesem vielfältigen Nutzungskonzept entwickelten
die Planer einen aus mehreren unterschiedlich großen und ineinander
geschobenen Gebäudeteilen bestehenden Baukörper. Ein zum südlich
angrenzenden Kreisverkehr orientiertes kubusförmiges Volumen
überragt die anderen mit seinen fünf Geschossen deutlich. Hier
markiert ein verglastes, doppelgeschossiges Foyer den Haupteingang.
Die Zufahrt zu den Pkw-Stellplätzen unmittelbar gegenüber dem
Eingang erfolgt direkt vom Kreisverkehr aus.
Der Bauherr wünschte sich flexibel nutzbare Räumlichkeiten zur Förderung einer lebendigen Kommunikation unter den 110 Mitarbeitern, die bisher an verschiedenen Standorten untergebracht waren. Die Planer wiesen jedem Fachbereich einen eigenen Gebäudeteil zu. Diese sind jedoch untereinander über einige Schnittstellen miteinander verzahnt. Mehrere Lichthöfe und überdachte Atrien dienen außerdem der internen, informellen Kommunikation oder dem Pausieren im Freien. Bei der Konzeptentwicklung wurden die Mitarbeiter von Beginn an eingebunden. Einer der Fachbereiche entschied sich dabei für eine offene Bürostruktur. In allen anderen sind die Zwischenwände nicht tragend ausgeführt und können bei sich wandelnden Bedürfnissen entfernt werden.
Großflächige, raumhohe Fenster lassen viel Tageslicht ins Innere. Dieser offene und helle Eindruck wird durch Möbel im skandinavischen Stil und Linoleumböden in hellen, warmen Farben noch verstärkt.
Gebäudetechnik
Im Dialog zwischen Planenden und Bauherrschaft entstand die
Idee, dass an der Fassade des Gebäudes ablesbar sein soll, woran
drinnen geforscht wird. So wurden die ursprünglich in hellem,
repräsentativem Naturstein geplanten Fassaden nun mit
Dünnschicht-Photovoltaikmodulen versehen, die das ZSW gemeinsam mit
Industriepartnern entwickelt hatte. Deren Vorteil besteht darin,
dass ihre Zellenstruktur – anders als bei herkömmlichen
Silizium-PV-Modulen – kaum sichtbar ist. Optisch entsteht also eine
homogene Glasfläche.
Bei dem Institutsgebäude bekleiden die PV-Module den größten
Teil der geschlossenen Flächen und unterscheiden sich optisch kaum
von der schwarzen, eloxierten Aluminiumverkleidung, welche die
Bereiche bedeckt, auf die zu wenig Sonnenlicht trifft, als das die
Anwendung von Solarmodulen zweckmäßig wäre. Die Sockelzone ist
passend dazu mit schwarz durchgefärbten Sichtbeton-Fertigteilen
ausgeführt – mit Ausnahme vom Eingangsbau, der im Parterre verglast
wurde. Die Gesamtfläche der Solarmodule beträgt 170 Quadratmeter,
bei einer Nennleistung von rund 27 kW. Auf dem Dach befindet sich
eine weitere Solaranlage mit zwanzig Kilowatt Leistung.
Ein Vorteil der fassadenintegrierten Solarmodule besteht zudem
darin, dass sie insbesondere die tiefer stehende Morgen- und
Abendsonne „auffangen“. Der oftmals problematische Mittagspeak
lässt sich so umgehen, wodurch auch die Batterien für die Abend-
und Nachtstunden weniger Speicherkapazität benötigen. Mehr noch: Im
Winter kann die tief stehende Sonne mit vertikalen Fassadenmodulen
wesentlich besser genutzt werden als mit den klassischen
Aufdachanlagen.
Auch bei der Klimatisierung setzen die Stuttgarter
Wissenschaftler auf erneuerbare Energien: 32 Erdwärmesonden und eine Wärmepumpe
führen im Sommer überschüssige Wärme aus Büros und Labors in den
Boden ab. Im Winter wird die Erdwärme zur Erzeugung der Heizwärme
genutzt. So wird rund die Hälfte der für den Betrieb notwendigen
Wärmeenergie aus regenerativen Quellen gedeckt. Auch einen guten
Teil der benötigten Prozesskälte wollen die Forscher durch diese
Technik bereitstellen. Die Atrien werden natürlich be- und
entlüftet. -tg
Bautafel
Architektur: Henning Larsen, München
Projektbeteiligte: nps Bauprojektmanagement, Ulm (Projektsteuerung); g+o Architekten, Geretsried (Bauleitung); Mayer-Vorfelder und Dinkelacker Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Sindelfingen (Tragwerksplanung); NBB Ingenieurbüro Nitsch, Neu-Ulm (SiGeKo); Sigmund Freianlagenplanung, Grafenberg (Landschaftsarchitektur); Transsolar Energietechnik, Stuttgart (Energiesimulationen); Klett Ingenieurgesellschaft, Fellbach (HLSK-Planung); Müller & Bleher Filderstadt, Filderstadt (Elektroplanung), BBI Bayer Bauphysik Ingenieurgesellschaft, Fellbach (Bauphysik);
Bauherrschaft: Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), Stuttgart
Fertigstellung: 2018
Standort: Meitnerstraße 1, 70565 Stuttgart
Bildnachweis: Jens Willebrand, Köln
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