Fabrik in Ho-Chi-Minh-Stadt
Pflanzregal im Gewerbegebiet
Vietnams größte Stadt ist nicht etwa die Hauptstadt Hanoi im Norden, sondern die südvietnamesische Acht-Millionen-Metropole Saigon. Die Stadt wurde 1976 nach der Wiedervereinigung von Nord- und Südvietnam in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt. Der alte Name Saigon gilt aber heute noch für das von Kolonialarchitektur und Hochhausneubauten geprägte Stadtzentrum und wird im informellen Kontext weiterhin für die gesamte Stadt verwendet. Gut zwanzig Kilometer nordöstlich des Zentrums liegt Thuận An, eine Vorstadt mit 500.000 Einwohnern. Hier haben Rollimarchini Architekten aus Bern zusammen mit dem ortsansässigen Büro G8A die Jakob Factory erstellt, ein dreigeschossiges Produktionsgebäude für die vietnamesische Dependance des Schweizer Seilherstellers Jakob Rope Systems.
Gallerie
Vor Ort ist dies bereits die zweite Produktionsstätte. Beim ersten, 2008 errichteten Bau hatten sich aufgrund von Form und Materialwahl bald Mängel in Betrieb und Unterhalt herausgestellt. Der hohe Energiebedarf für die Kühlung und die unzureichende Luftzirkulation an den Arbeitsplätzen schienen nicht mehr vertretbar. Die Erfahrungen mit dem Vorgängerbau sind in das Konzept der neuen, 2013 bis 2018 geplanten „Tropenfabrik“ eingeflossen.
Natürliche Durchlüftung anstelle von Klimaanlagen
Angelehnt an ein traditionelles Konstruktionsprinzip wurden große Räume mit offenen Fassaden geplant, die eine natürliche Durchlüftung gewährleisten. Anstelle von Klimaanlagen erzeugen Ventilatoren einen konstanten, kühlenden Luftstrom. Die ortsunübliche mehrgeschossige Bauweise resultierte aus dem Ansatz eines schonenden Umgangs mit der Ressource Baugrund. Die einzelnen Funktionsbereiche sind zu einem Karree auf nahezu quadratischem Grundriss angeordnet und geben Raum für einen großzügigen, anspruchsvoll gestalteten Innenhof.
Die Produktion befindet sich im Westen, die Verwaltung mit Empfang, Garderoben und Kantine im Süden, die zweigeschossige Motorrad-Einstellhalle im Osten sowie die Lagerhalle im Norden. Die Hoffläche ist aufgeteilt in organisch fließende Formen, die teils befestigt, teils modelliert sind als leichte Grashügel mit Baumpflanzungen. Durch geschwungene Kieswege sind sie miteinander verbunden. Der Hof trägt zur Verbesserung des Mikroklimas bei und bietet sowohl Ruhebereiche als auch Raum für Fitness- und Sportaktivitäten. Weitere Freizeitangebote für die Mitarbeitenden und eine Kindertagesstätte sind noch geplant.
Fassade: Lamellenartig angeordnete Beete und Polycarbonat-Stegplatten
Die Hülle ist als dreidimensionale, begehbare Raumfassade ausgebildet. Die Stahlbetonskelettkonstruktion hat rund zwei Meter auskragende Laubengänge. An der Innenseite befinden sich geschosshohe Schiebeelemente mit Chromstahlrahmen und transluzenten, vierkammrigen Polycarbonat-Stegplatten, die bei Öffnung die Luftzirkulation gewährleisten. An der Außenseite dient eine lamellenartig ausgebildete Begrünung als Sonnen- und Regenschutz.
Übereinander angeordnete, mit Farnen, Palmen und anderen Pflanzen besetzte Beete filtern das Sonnenlicht und halten den Niederschlag ab. Sie wirken als Staubpartikelbinder und Luftreiniger und tragen außerdem durch Verdunstung zur Temperatursenkung bei. Die Beete bestehen ebenfalls aus Chromstahlrahmen, in die feinmaschige Drahtnetze mit eingelegten Pflanzfolien gespannt sind. Die vorgehängte Konstruktion wird von einer zwischen Boden und Traufe gespannten, zweilagigen Seilkonstruktion gehalten, die in der Vertikalen ein rautenförmiges Netz bildet.
Pflanzelemente, Schiebewände und Seile wurden von der Firma
Jakob Rope Systems selbst hergestellt. Die bepflanzte
Seilnetzfassade ist im Sinne einer Corporate Identity also auch
Aushängeschild. An Nord- und Osttrakt sind die Hoffassaden
geschwungen ausgebildet und korrespondieren so mit den organischen
Formen der Freifläche. Am südlichen Riegel treten zwei große, sich
trichterförmig weitende Sichtbetonportale aus der Grünfassade
hervor und markieren den Haupteingang zum Foyer sowie hofseitig die
direkt daneben befindliche Betriebskantine.
Bautafel
Architektur: Rollimarchini Architekten, Bern; G8A Architecture & Urban Planning, Genf/Hanoi/Ho-Chi-Minh-Stadt/Singapur
Projektbeteiligte: Grégoire Du Pasquier, Manuel Der Hagopian Andrea Archanco Astorga (Designteam G8A); Michael Rolli & Francesco Marchini Camia, Marika Steiner (Designteam Rollimarchini); Jakob Rope Systems / NKC Engineering, Ho-Chi-Minh-Stadt (Tragwerksplanung); G8A Architecture & Urban Planning, Genf/Hanoi/Ho-Chi-Minh-Stadt/Singapur (Landschaftsarchitektur); Artelia Vietnam, Ho-Chi-Minh-Stadt (Projektmanagement); Trung Hau Construction Company, Ho-Chi-Minh-Stadt (Generalunternehmer)
Bauherrschaft: Jakob Saigon, Ho-Chi-Minh-Stadt; Jakob Rope Systems, Trubschachen
Fertigstellung: 2020
Standort: 37 Hữu Nghị, Binh Hoà, Thuận An, Bình Dương, Vietnam
Bildrechte: Oki Hiroyuki, Da Nang; Rollimarchini Architekten, Bern; G8A Architecture & Urban Planning, Genf/Hanoi/Ho-Chi-Minh-Stadt/Singapur
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