Um-/Ausbau der Marienkirche in Neubrandenburg
Bruchloser Weiterbau eines gotischen Baudenkmals in Beton
Die wechselvolle Baugeschichte der dreischiffigen Hallenkirche in Neubrandenburg reicht bis in das Jahr 1271 zurück. Der Ostgiebel mit seinem filigranen Maßwerk macht die Marienkirche zu einem der bedeutendsten Baudenkmäler in Norddeutschland. Der 88 Meter hohe Westurm musste nach Brand- und Sturmschäden mehrfach wiederaufgebaut werden, zuletzt im Jahr 1676 mit barocken Zügen. Dem Innenausbau der Kirche zum Konzertsaal ging ein 1996 europaweit ausgeschriebener Wettbewerb voraus. Gewinner unter den ursprünglich 66 Bewerbern war der finnische Architekt Pekka Salminen. Im bewussten Gegensatz zum jahrhundertealten Backstein sind hier alle neuen Bestandteile in Beton gehalten, lediglich für die Geländer der Treppen wurde Stahl benutzt.
Gallerie
Die Architekten stellten einen beeindruckenden Tribünenbau mit steil ansteigenden Sitzreihen in das Langhaus der als Kriegsruine überkommenen spätgotischen Kirche. An Piranesis Raumvisionen erinnert die Rückseite des Tribünenhauses mit ihrer offenen Treppenanlage, ein räumlich reizvolles, theatralisches Treppenhaus zum großen Auftritt des Publikums in der Konzertpause. Eine gläserne Wand trennt Foyer und Treppenanlage vom Saal und sorgt für eine akustisch günstigere Geometrie des Saales. Das spätgotische Netzgewölbe wird durch eine technizistische Netzkonstruktion simuliert, die durch gläserne Reflexionstafeln als flirrender Raumabschluss wirkt.
Beton
Die Architekten verstehen die gotische Baukunst als
technisch-tektonische Bauweise und antworten mit ihrer
kompromisslos modernen Architektursprache in gleichem Sinn. Dem
einfachen Backstein setzen sie schlichte, samtweich geschalte
Sichtbetonoberflächen entgegen, dem gotischen Stütz- und Strebewerk
ein ebenso leicht wirkendes konstruktives Gerüst aus Beton. So
entstand eine kongeniale Adaption des Baudenkmals, die als
harmonischer und bruchloser „Weiterbau“ der 500 Jahre alten Kirche
empfunden werden kann.
Ebenfalls interessant im Hinblick auf das Material Beton, auch wenn es nicht zu sehen ist, ist die Ausführung der Weißen Wanne. Sie nimmt die gesamte Grundfläche der Kirche ein. Zum Bau wurden die Kirchenfundamente unterfangen bzw. mit Soilcrete-Säulen gesichert.
Das Projekt wurde mit dem Architekturpreis Beton 2003 ausgezeichnet.
Bautafel
Architekten: Pekka Salminen Architects, Helsinki
Projektbeteiligte: Dieterich Beratende Ingenieure, Mainz; Matti Ollila & Co. , Helsinki (Tragwerksplaner); Bilfinger & Berger (Ausführung); Seidler & Lehmann, Nürnberg (Baugrundgutachten)
Bauherr: Stadt Neubrandenburg vertreten durch: Stadtentwicklungsgesellschaft, Bauconsult Neubrandenburg
Fertigstellung: 2001
Standort: Marienkirchplatz, Neubrandenburg
Bildnachweis: Jussi Tiainen / Pekka Salminen Architects, Helsinki; Axel Rothenburg / Pekka Salminen Architects, Helsinki
Deutsche Zement- und Betonindustrie vertreten durch das
InformationsZentrum Beton | Kontakt 0211 / 28048–1 | www.beton.org