Labor- und Forschungsgebäude in Basel
Nutzung von Abwärme deckt Großteil der Heizlast
Das Basler Schällemätteli-Areal verdankt seinen Namen der ehemaligen Strafanstalt, die sich einst an diesem Standort befand. Die Häftlinge mussten während der Arbeit Glocken (Schellen) um den Hals tragen, um Fluchtversuche zu verhindern. Der Gefängnisbau wurde nach der Fußball-Europameisterschaft 2008 abgerissen. An seiner Stelle entstand nun ein Labor- und Forschungsgebäude für rund 600 Mitarbeitende und Studierende. Das D-BSSE, das Department Biosysteme der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), hat hier seinen neuen Standort gefunden. Der Entwurf von Nickl & Partner setzt auf eine offene Raumstruktur und nutzt für die Beheizung des Gebäudes größtenteils interne Abwärme.
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Der Standort des Neubaus ist sowohl städtebaulich als auch thematisch von Bedeutung: In unmittelbarer Nähe befinden sich bereits einige medizinische und universitäre Einrichtungen. Nickl & Partner, die 2014 den vorausgegangenen Architekturwettbewerb gewannen, legten besonderen Wert darauf, das angrenzende Kinderkrankenhaus, dessen Innenhof ist in Richtung des Baugrundstücks orientiert ist, nicht durch ein Hochhaus zu verschatten. Die daraus entwickelte Kubatur nimmt mit fünf Vollgeschossen die Höhe der umgebenden Bebauung auf; zwei weitere Geschosse sind als weit zurückspringenden Staffelgeschosse ausgeführt. Der polygonale Grundriss berücksichtigt ebenfalls das städtebauliche Gefüge bei und schafft eine vermittelnde Geste zwischen den Nachbarbauten.
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Akademische Architektur mit offener Raumstruktur
Das Erdgeschoss ist so organisiert, dass eine halböffentliche Fußwegeverbindung zwischen dem Straßenraum und dem Campus entsteht. Beim Betreten des Gebäudes gelangt man zunächst in ein lichtdurchflutetes Atrium mit hoher Aufenthaltsqualität. Von hier erhalten Besuchende und Forschende direkt einen Einblick in die vielfältigen Nutzungen, da die Räume direkt ans Atrium anschließen und nicht durch Flure abgetrennt sind. Die Labore der Forschergruppen befinden sich in den Obergeschossen, während im Staffelgeschoss die sogenannte Science Lounge als Seminar- und Veranstaltungsbereich dient. Von der angrenzenden Dachterrasse bietet sich ein weiter Blick über die Stadt. Die großzügige Innenraumgestaltung mit zahlreichen Glaswänden erlaubt vielfältige Blickbeziehungen, die den interdisziplinären akademischen Austausch versinnbildlichen.
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Effiziente Waste-Heat-Nutzung
Die Gebäudetechnik ist im Unter- und Dachgeschoss untergebracht und nimmt etwa 15 Prozent der Nutzfläche ein. Die Planung erfolgte durch Amstein + Walthert aus Zürich nach den Standards Minergie ECO, SGNI/DGNB Gold sowie Gutes Innenraumklima. Das Energiekonzept basiert auf dem Fernwärmeanschluss an das Arealnetz Schällemätteli sowie auf einem neuen Heiz- und Heißwassernetz zur Spitzenlastabdeckung. Die Kälteerzeugung erfolgt durch Kältemaschinen mit den natürlichen Kältemitteln CO₂ und Ammoniak und durch das Arealnetz. Der in den Laboren benötigte Reindampf wird elektrisch erzeugt.
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Die Abwärmenutzung (Waste heat) der Kälte- und Reindampferzeugung hat zu einer signifikanten Senkung der Betriebskosten geführt. Bei Vollauslastung der Labore können gut sechzig Prozent der benötigten Heizleistung aus internen Wärmelasten gedeckt werden: Dabei stammen 1.100 kW aus der technischen Kälte, 35 kW aus der gewerblichen Kälte und 50 kW aus der Reindampferzeugung. Die gesamte Heizleistung von 1.970 kW speist sich somit mit insgesamt 1.185 kW aus der Abwärmenutzung (1. Priorität), mit 900 kW aus dem Arealverbund (2. Priorität) und mit 50 kW aus dem Heißwassernetz (3. Priorität).
Zertifizierungen und Auszeichnungen
Neben den Zertifizierungen Minergie ECO und SGNI/DGNB Gold wurde das Gebäude mit dem German Design Award 2024 in der Kategorie Winner Excellent Architecture sowie mit dem Iconic Award 2023 in den Kategorien Innovative Material Selection und Innovative Architecture ausgezeichnet. -tg
Bautafel
Architektur: Nickl & Partner Architekten, München
Projektbeteiligte: Amstein + Walthert, Zürich (HLKK, Sanitär, Elektro, Bauphysik); ee concept, Darmstadt (Nachhaltigkeit); Leonhardt, Andrä und Partner, Stuttgart (Statik); nowak.müller Landschaftsarchitekten, München (Landschaftsarchitektur); Emmer Pfenninger Partner, Münchenstein (Fassade); Reflexion, Zürich (Licht); formTL, Radolfzell (Dachtragwerk); WBG, Zürich (Signaletik); dr. heinekamp, Karlsfeld (Labor- & Reinraumplanung); promaFox, Baden (Gastronomie)
Bauherr*in: ETH - Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Fertigstellung: 2023
Standort: Klingelbergstrasse 48, 4056 Basel, Schweiz
Bildnachweis: Achim Birnbaum, Leinfelden-Echterdingen; Rainer Taepper, Deggendorf; Amstein + Walthert, Zürich
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