Sanierung HouseZero in Cambridge
Nullenergiebilanz durch simple Maßnahmen
Die Harvard Graduate School of Design in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts gehört zu den renommiertesten Designschulen der Welt. Hier wurde im Jahr 2014 das Harvard Center for Green Buildings and Cities (CGBC) gegründet, in dem durch interdisziplinäre Zusammenarbeit Strategien für einen ganzheitlichen Wandel der gebauten Umwelt hin zu nachhaltigen, hocheffizienten Gebäuden untersucht und gefördert werden sollen. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit ist zusammen mit dem norwegisch/US-amerikanischen Architekturbüro Snøhetta das HouseZero entstanden – ein Altbau aus der Zeit vor 1940, der zu einem energiepositiven Prototypen mit minimalem Technikaufwand umgebaut wurde und nun als Hauptsitz des CBGC dient.
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Grundlage für das Forschungsprojekt ist das Pariser Abkommen von 2015 zur Eindämmung der globalen Erwärmung bis 2050, in dem unter anderem festgestellt wurde, dass allein 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und damit 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen auf den Bausektor entfallen. Ein erheblicher Teil davon sind Bestandsbauten, die oftmals nicht den heutigen energetischen Anforderungen entsprechen. Genau hier will das Forschungsprojekt ansetzen und nach Lösungen suchen, die beispielhaft für viele energetische Sanierungen in den kommenden Jahren sein können.
Nullenergiebilanz
Wie der Projektname HouseZero bereits verrät, war es das Ziel von Forschern und Planern, dass das Gebäude künftig nur soviel oder weniger Energie verbraucht wie bzw. als es erzeugt – allerdings ohne dass der Wohnkomfort darunter leiden sollte. Zum Heizen und Kühlen soll keine externe Energie und tagsüber kein elektrisches Licht benötigt werden sowie die Belüftung zu hundert Prozent natürlich erfolgen. Außerdem soll das Projekt keine Kohlenstoffemissionen erzeugen, einschließlich der in den Materialien enthaltenen Energie. Mehr noch: Auch die versteckten Emissionen, die durch Herstellung und Transport der Baumaterialien sowie deren Rezyklierung entstehen, sollen durch den ins öffentliche Stromnetz eingespeisten Energieüberschuss ausgeglichen werden.
Außen historisch, innen zeitgenössisch
Das traufständige, zweigeschossige Gebäude mit vorgelagerter überdachter Veranda wurde, wie es für diesen Baustil typisch ist, mit hellen Holzschindeln verkleidet. Das historische Antlitz des Hauses wird lediglich durch die metallenen Fensterlaibungen und -stürze um moderne Elemente bereichert. Diese kragen abhängig von den Himmelsrichtungen in unterschiedlichen Winkeln derart aus, dass sie im Sommer vor direkter Sonneneinstrahlung schützen, im Winter jedoch der solare Wärmeeintrag der tiefer stehenden Sonne genutzt werden kann.
Das natürliche Baumaterial der Fassade findet sich auch in den offen gestalteten Innenräumen wieder, wo die neu eingezogenen vertikalen und horizontalen Holzträger, welche die zuvor tragenden Zwischenwände ersetzen, materialsichtig belassen wurden. Im Obergeschoss sind die Räume teilweise bis unters Dach geöffnet. Die dadurch freiliegenden, historischen Balken sind weiß lasiert. Ebenfalls weiß verputzte Wände und hellgrauer Estrich als Bodenbelag sorgen für viel Helligkeit.
Heizen und Kühlen
Dass für Beheizung und Kühlung ausschließlich selbst und regenerativ erzeugte Energie aufgewendet werden soll, ist in Cambridge, das im Nordosten der USA auf Höhe von Toronto liegt, durchaus eine Herausforderung. Eine mit Geothermie kombinierte, sparsam arbeitende, reversible Wärmepumpe produziert Wärme bzw. Kälte, die im Gebäude verteilt wird. Die Energie für die Wärmepumpe stammt von einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Der erzeugte Strom kann auch in einer Batterie zwischengespeichert werden. Die von einer kleinen Solarthermieanlage auf der Dachgaube erzeugte Wärmeenergie wird zum Erhitzen des gesamten Warmwassers verwendet. Die solare Wärme kann außerdem zur zusätzlichen Beheizung bestimmter Bereiche genutzt werden.
Natürliche Lüftung
Damit der thermische Komfort für die Nutzer jederzeit
gewährleistet ist, passen sich die Systeme ständig an. 285 im
Gebäude verteilte Sensoren erfassen täglich rund 17 Millionen Daten
aus dem Innen- und Außenraum, etwa die Temperaturen oder den
CO2-Gehalt in der Luft. Für die Lüftung sorgt nicht etwa
eine zentrale Lüftungsanlage, sondern die Fenster werden
automatisch geöffnet und wieder geschlossen. Natürlich können die
Fenster auch manuell betätigt werden, um individuelle Bedürfnisse
zu berücksichtigen. Eine Besonderheit im Belüftungssystem ist der
Belüftungskamin aus Glas an der Ostfassade, der vom
Besprechungsraum im Keller bis über das Dach reicht. Er nutzt die
durch die Sonneneinstrahlung erzeugte Thermik, um die verbrauchte
Luft aus dem Besprechungsraum zu saugen. Das Treppenhaus ist zudem
mit von Studenten der Harvard School of Design entworfenen,
sechseckigen Paneelen ausgekleidet, die Zirkulationsströmungen
durch das Gebäude verringern sollen.
Das Projekt zeigt eindrücklich, mit welch simplen Maßnahmen sich
selbst Bestandsgebäude energetisch optimieren lassen – ohne den
Nutzerkomfort zu beeinträchtigen. Bleibt zu hoffen, dass das
Projekt die Aufmerksamkeit erhält, die ihm gebührt, insbesondere in
der US-amerikanischen Bauindustrie, in der sich energieeffiziente
Konzepte wie in Europa bisher nur schwer durchsetzen können.
-tg
Bautafel
Architektur: Snøhetta, Oslo
Projektbeteiligte: Harvard Planning & Project Management & CSL Consulting, Cambridge (Projektmanagement); Skanska Teknikk, Oslo (Energie/Klima); Silman Associates, New York (Statik); BR+A, Boston (MEP/FP, mechanical, electrical, plumbing, fire protection); Bristol Engineering (Bauingenieur); WindowMaster Hamburg (Brandschutz, Belüftungssysteme); Brekke & Strand Akustikk, Oslo (Akustik); Haley & Aldrich, Burlington (Geotechnik); Solect Energy, Hopkinton (Photovoltaik); Siemens Building Technologies, Zug (Brandschutz Sicherheit); Reed Hilderbrand, Cambridge (Landschaftarchitektur)
Bauherrschaft: Harvard Center for Green Buildings and Cities, Cambridge
Fertigstellung: 2018
Standort: 20 Sumner Rd, Cambridge, MA 02138, Vereinigte Staaten von Amerika
Bildnachweis: Harvard Center for Green Buildings and Cities, Cambridge / Michael Grimm, New York; Snøhetta, Oslo
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