Materialität und Authentizität von Glas und Glaskonstruktion
Forschungsprojekt MatGlas der Uni Bamberg und TU Dresden
Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas ist das heute am meisten
verwendete Basisglas. Bei der industriellen Produktion moderner
Floatgläser wird die flüssige Glasschmelze einem Floatbad aus
geschmolzenem Zinn zugeleitet, worauf es schwimmt und sich in Form
eines endlosen Glasbandes ausbreitet. Infolge der
Oberflächenspannung des Glases und der planen Oberflächen des
Zinnbades werden bei diesem Verfahren planparallele und
verzerrungsfreie Basisgläser von hoher optischer Qualität
produziert. Im Gegensatz zu bisherigen Produktionsverfahren können
neben der bessern optischen Qualität auch höhere Mengen produziert
werden. Seit den 1960er Jahren ersetzte das Floatglasverfahren
immer mehr die bisherigen Verfahren.
Gallerie
Damit einhergegangen ist jedoch auch die Tatsache, dass die Bedeutung des Materials Glas in der heutigen Gesellschaft so weit abgenommen hat, dass mitunter selbst von Denkmalpfleger*innen Gläser und Glaskonstruktionen von Profanbauten aus der Zeit der Industrialisierung bzw. der Hochmoderne als nicht-erhaltenswerte Verfügungsmasse betrachtet werden. Dieser breite Austausch alter Gläser hat zur Folge, dass wichtige Zeugnisse der Zeit- und Technikgeschichte bereits unwiederbringlich verloren gegangen sind.
Unregelmäßigkeiten im Glas: Mangel oder Zeitzeugnis?
Das unregelmäßige Erscheinungsbild von industriell hergestellten Gläsern ist ein Resultat der damaligen Herstellungsprozesse und stellte aus produktionstechnischer Sicht einen Mangel dar. Doch gerade dieser vermeintliche Mangel trägt dazu bei, dass diese Verglasungen eine Lebendigkeit, Individualität und einzigartige Materialität aufweist. Bei einem Austausch gehen daher sowohl Authentizität als auch Materialität verloren. An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt MatGlas des Instituts für Baukonstruktion der TU Dresden und der Professur für Restaurierungswissenschaft der Uni Bamberg an. Es ist Teil des DFG-Schwerpunktprogramms SP 2255: Kulturerbe Konstruktion.
Gallerie
Untersuchungsgegenstand: Historische Flachgläser von 1880 -
1970
Forschungsgegenstand sind Gläser mit Produktionszeiträumen
zwischen ca. 1880 bis ca. 1970. In diesem Zeitraum der Hochmoderne
fallen zwei signifikante Technikwechsel zur Produktion von Glas im
Bauwesen: erstens der Übergang von geblasenem Flachglas zu
gezogenem Glas Anfang des 20. Jahrhunderts und zweitens die
Einführung des Floatglases in den 1960er Jahren. Ziel des
Forschungsvorhabens ist es, charakteristische Konstruktionsarten
von Glaselementen aus der Zeit der Industrialisierung
herauszuarbeiten sowie Methoden zu deren Erkennung zu definieren.
Diese Zielsetzung setzt die Beantwortung der folgenden
Forschungsfragen voraus:
- Welche wesentlichen Hauptlinien und Neuerungen kennzeichnen die Verwendung von Glas und Glaskonstruktionen im Bauwesen?
- Wie lassen sich materialspezifische und konstruktive Innovationen der Glastechnik und der Glaskonstruktion als denkmalkonstituierende Elemente identifizieren, würdigen und vermitteln?
Ziel der Forschung ist es, bezüglich der Erhaltung historischer
Flachgläser zu sensibilisieren. Dafür soll Denkmalpfleger*innen ein
Werkzeug an die Hand gegeben werden, mit dem die Wertigkeit von
Flachglas und Glaskonstruktionen als bedeutende Elemente für die
Authentizität von Gebäuden aus dem Untersuchungszeitraum erkannt
und entsprechend bewertet werden können. Entstehen soll dafür ein
Bewertungsschema, das vor allem originale Flachgläser und
Glaskonstruktion der Hochmoderne in den Fokus rückt.
Fachwissen zum Thema
BauNetz Wissen Glas sponsored by:
Saint-Gobain Glass Deutschland