Neue Messehalle in Basel
Sieben Minuten für die Evakuierung, Entrauchungskonzept nach Brandszenarien
Weite Hallen über rechteckigem Grundriss, große Spannweiten und Deckenhöhen um die zehn Meter – diesen Anforderungen müssen Messehallen heute genügen, damit sich ihr Innenleben vielfältig und in höchstem Maße flexibel gestalten und nutzen lässt. Für Architekten bleibt in dieser Hinsicht nicht allzu viel Gestaltungsspielraum. So konzentrierten sich die Planer von Herzog und de Meuron bei der Konzeption der neuen Messehalle in Basel vor allem auf deren Gesamtwirkung: die innerstädtische Verknüpfung des Messegeländes und eine raffinierte Gebäudehülle.
Gallerie
Den ehemals in westliche Richtung offenen Messeplatz begrenzten sie durch ein langgestrecktes, dreigeschossiges Gebäude, das an den Bestand im Norden direkt anschließt. Nach Süden bildet es eine neue städtebauliche Kante zur angrenzenden Wohnbebauung. Zwei nicht mehr funktionstüchtige Häuser auf dem Gelände mussten dafür weichen. Als Verbindung zwischen Messeplatz und Innenstadt (und als Fortführung der Achse der Clarastraße von Westen) schufen sie eine breite Passage, die mittig durch das Gebäude führt, gekrönt durch eine gigantische, kreisrunde Öffnung im Zentrum des Komplexes. Als City Lounge dient diese allzeit geöffnete, weitgehend überdachte Fläche als neuer Anziehungs- und Treffpunkt des Messegeländes. Die Besucher werden über geschwungene, gläserne Fassaden von beiden Seiten hineingeleitet; die Passage bildet einen Übergang zwischen verschiedenen städtischen Nutzungen hier in Kleinbasel, dem rechtsrheinischen Teil der Schweizer Metropole.
Ein südliches und ein nördliches Foyer führen von der City Lounge aus jeweils zu einer Veranstaltungshalle und der ersten Messehalle im Erdgeschoss (mit Anschluss an bestehende Ausstellungsflächen). Darüber gestapelt sind zwei weitere Hallen, die sich über die gesamte Gebäudelänge erstrecken. Deren Erschließung und Nebenfunktionen sind an der West- und Ostseite angelagert, nicht jedoch im mittleren Bereich oberhalb der Passage. Die beiden oberen Geschosse sind leicht verdreht zueinander angeordnet, so soll ihre Eigenständigkeit betont und der Gebäudehülle eine besondere Dynamik verliehen werden. Im Gegensatz zum weitgehend gläsern und offen konzipierten Erdgeschoss sind sie von einer schrägen, phasenweise wellenartig gewölbten Fassade umhüllt, die aus Aluminiumbändern gewebt scheint. Deren Zwischenräume weiten und verengen sich, die Wirkung der Fassade variiert aus jeder Perspektive und mit der Bewegung des Betrachters. Auch die sich nach oben verjüngende Dachöffnung über der City Lounge ist mit den feingliedrigen Aluminiumbändern verkleidet.
Brandschutz
Auch wenn die Höhe mit insgesamt 32 Meter über der Hochhausgrenze
liegt, konnte das Messegebäude in Abstimmung mit der zuständigen
Brandschutzbehörde als Flachbau eingestuft werden. Wichtig war in
diesem Zusammenhang, dass die Höhe des Fußbodens der obersten
Aufenthaltsebene nicht mehr als 22 Meter beträgt. Es gilt zudem als
Gebäude mit großer Personenbelegung: Nach Schweizer
Brandschutzrichtlinien werden für Messehallen pro Quadratmeter 0,6
Personen angenommen, in diesem Fall wird allerdings aufgrund
statistischer Erhebungen rechnerisch von 0,35 Personen pro
Quadratmeter ausgegangen. Die Eventhalle im Erdgeschoss ist für
rund 2.500 Personen ausgelegt.
Das Hallentragwerk, die Ausformung der Brandabschnitte und auch die Mehrheit der übrigen Materialien sind nicht brennbar ausgeführt. Das Dachtragwerk ist so konzipiert, dass es im Brandfall lediglich lokal versagen kann. Für die Messestände gelten bestimmte Richtlinien – dort sind auch die Vorgaben des Brandschutzes in Bezug auf Freihalte- und Abstandsflächen für Flucht- und Rettungswege sowie bauliche und technische Mindestanforderungen mit eingeflossen.
Das gesamte Gebäude wird durch eine Brandmeldeanlage überwacht. Im Notfall unterstützt eine akustische Evakuierungsanlage (Sprachalarm) die visuelle Kennzeichnung der Rettungswege, um sämtliche Gebäudebereiche schnellstmöglich zu entfluchten. Innerhalb von zehn Minuten nach Detektion eines Brandes soll jede Halle vollständig evakuiert sein: Dabei wird für Erkundung und Entscheid ein Zeitraum von drei Minuten angenommen, für die vollständige Evakuierung bleiben noch sieben Minuten. Die Messezentrale ist rund um die Uhr besetzt; dazu gehört auch mindestens ein Brandschutzhelfer.
Das Erdgeschoss mit der zentralen City Lounge ist in drei Brandabschnitte aufgeteilt, die durchgehenden Hallen in den beiden Obergeschossen gelten als jeweils ein Brandabschnitt. Zur brandschutztechnischen Infrastruktur gehören auch diverse Entrauchungsanlagen sowie eine flächendeckende Sprinkleranlage. Die Rauchgase werden mittels Brandgasventilatoren über Dach abgeführt. Die Nachströmöffnungen für Frischluft befinden sich an den kurzen Gebäudefronten im Norden und Süden sowie an den Längsseiten in der Zone oberhalb der City Lounge. Zur Erstellung des Entrauchungskonzeptes wurden maßgebende Brandszenarien, ausgehend von gedeckten Messeständen, für alle Geschosse simuliert. Die Rauchfreihaltung der Treppenhäuser wird im Zuge eines besonderen Konzeptansatzes über Nachströmklappen im Erdgeschoss sowie die maschinelle Rauchabzugsanlagen in der Halle gewährleistet.
Die Messehalle lässt sich von mehreren Seiten anfahren, es gibt
zwei Aufstellflächen für die Feuerwehr. Insgesamt verfügt das
Gebäude über vier Hauptzugänge mit Bedienstellen für die Feuerwehr,
es gibt zwei Feuerwehraufzüge. Zur Verständigung der
Rettungskräfte steht digitaler Gebäudefunk zur Verfügung.
-us
Bautafel
Architekten: Herzog & de Meuron, Basel
Projektbeteiligte: Arge Scherler / Aicher de Martin Zweng / Herzog Kull Group, Basel (Haustechnik- und Elektroplanung); Arge Gruner / Ernst Basler + Partner, Basel (Statik); Zimmermann + Leuthe, Aetigkofen (Bauphysik); Neuschwander + Morf, Basel (Fassade); Gruner, Basel (Brandschutz- und Sicherheitskonzept)
Bauherr: MCH Swiss Exhibition, Basel
Fertigstellung: 2013
Standort: Messeplatz, Basel
Bildnachweis: MCH Messe Basel
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