Kleine Konstruktionsgeschichte
Kaltdach versus Warmdach
Bis in die 1990er Jahre wurden die Architekturstudenten an den Universitäten von ihren Professoren noch vor die Entscheidung gestellt: Kaltdach oder Warmdach. Welcher Konstruktionsart ist der Vorzug zu geben? Eigentlich entbehrte diese Entscheidung jeglicher Grundlage. In der Geschichte der Dachkonstruktionen gab es keine Gegenüberstellung der beiden Konstruktionsarten. In eindeutigen Entwicklungsschritten verwandelte sich die eine Konstruktion in die nächste. In der Vergangenheit gab es grundsätzlich nur die (zweischalig) belüftete Konstruktionsart, genannt Kaltdach. In der heutigen Zeit wird von dieser Konstruktion jedoch abgeraten.
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Ein kleiner Rückblick in die Geschichte der Konstruktionen bietet Aufschluss über denWandel: Früher wurden Gebäude erstellt, deren Dachgeschosse oder Spitzböden nicht für Wohnzwecke geplant waren. Das Dach diente nur als Abschluss oder auch Schutz. Maßnahmen z.B. gegen Flugschnee waren nicht nötig. Erst später verwendete man einen Mörtelinnenverstrich und die ersten Unterspannbahnen. Alle Entwicklungen in diesem Bereich entstanden aus dem erhöhten Raumbedarf der Bewohner und den zunehmend teurer werdenden Grundstückspreisen. Der bislang nicht genutzte Dachbodenraum wurde plötzlich zu wertvollem Lagerraum. Die gelagerten Gegenstände jedoch mussten sehr wohl gegen Flugschnee, Flugasche und Treibregen geschützt werden.
Der daraufhin durchgeführte Mörtelinnenverstrich der Dachziegel schränkte die Hinterlüftung der einzelnen Dachziegel stark ein. Dies führte zu Schäden an der Eindeckung, die auch durch Abplatzungen an den Außenseiten der Dachziegel gut zu erkennen waren. Die Lösung schien in einer Luftzufuhr im Traufenbereich zu liegen. Die Luft im Dachboden war wärmer als die außerhalb des Gebäudes. Sie stieg auf und zog kühlere Luft nach. Lüfterziegel im Firstbereich ließen die aufgewärmte und mit Feuchtigkeit angereicherte Luft wieder entweichen. Dieser Luftaustausch sorgte für trockene Bodenräume. Der Einsatz von Unterspannbahnen, die aus PE-Folien mit einem Gitternetz als Verstärkung bestanden, brachte jedoch neue Probleme. Zwar hielt die Bahn Flugschnee und -asche weitestgehend ab, aber die in der Raumluft enthaltene Feuchtigkeit wurde ebenfalls gebremst und kondensierte an der Raum zugewandten Seite. Die Ursache dafür lag in dem hohen Sperrwert der Unterspannungen und ihrer Entwässerung in die Dachrinnen. Dabei wurde die Öffnung, die für eine Zuluft sorgen sollte, nicht ausreichend dimensioniert oder erst gar nicht berücksichtigt.
Die Labilität dieser Konstruktionen zeigte sich dort, wo Wechsel z.B. für Kamine oder Dachflächenfenster eingebaut wurden, sie unterbrachen den notwendigen Luftstrom. Aufwändig mussten Lüfterziegel unter- und oberhalb dieser Unterbrechung angeordnet werden. Dadurch konnte aber wieder vermehrt Flugschnee in die Konstruktion eindringen. Das erwies sich als wirklich problematisch, denn die PE-Unterspannbahnen waren nicht UV-beständig und durch die folgende Auflösung gelangte wiederum Niederschlagswasser in die Konstruktionen.
Fast gleichzeitig stiegen zum ersten Mal die Energiekosten und der bislang meist ungenutzte Sparrenzwischenraum bot sich zum Einlegen von Dämmstoffen geradezu an. Bei den zu der Zeit bestehenden Gebäuden bestand die Innenbekleidung der Sparren sehr häufig aus verputzten Schilfmatten oder Holzwolle-Leichtbauplatten – im Grunde also schon luftdichte Konstruktionen. Auf eine Dampfbremse konnte deshalb fast verzichtet werden, denn was durch Diffusion in die Konstruktion gelangte, wurde durch die Hinterlüftung mehr oder weniger sicher abgeführt. Das änderte sich als in den 1970er Jahren Paneele als Innenbekleidungen ihren Siegeszug im Dach hielten, sie wiesen keineswegs luftdichte Eigenschaften auf. In Folge dessen gelangten Konvektionsströme direkt in die Konstruktionen.
Gleichzeitig wurden, verursacht durch die Ölkrise, neue Anforderungen an die Dämmungen gestellt. Die Hinterlüftung der Ebene zwischen Dämmung und Unterspannung fiel noch geringer aus und verursachten neue Schäden. Infolge dessen wurden neue Bahnen mit geringerem Dampfdiffusionswiderstand und ohne den berüchtigten Zelteffekt entwickelt. Gleichzeitig besann man sich wieder der Forderung der DIN 4108 Wärmeschutz, in der schon seit 1952 die luftdichte Bauweise von Bauteilen gefordert wurde. Damit stand der Sparrenvolldämmung nichts mehr im Weg. Schäden, die bei einer Sparrenvolldämmung entstehen, sind fast zu 100% auf die fehlende Luftdichtheit der Konstruktion raumseits der Wärmedämmung zurückzuführen. Eine Hinterlüftung der Wärmedämmung und unterhalb der Unterspannung würde diese Schäden jedoch nicht beheben, deshalb verzichtet man auf ihre Ausführung.
Mittlerweile werden belüftete Konstruktionen, die oftmals
fälschlicherweise als Kaltdächer bezeichnet werden, von dem
Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks nicht mehr
empfohlen. Fachleute geben der nicht belüfteten Konstruktion, dem
Warmdach den Vorzug. Die Ebene zwischen der Eindeckung und der
Unterdeckung hat jedoch grundsätzlich nichts mit einer belüfteten
oder nicht belüfteten Konstruktion zu tun. Ihre Aufgabe besteht
darin, eingedrungenes Niederschlagswasser sicher in Richtung Traufe
abzuleiten.