Zollingerdach

Namensgeber für das Zollingerdach war der Merseburger Architekt und Stadtbaumeister Friedrich Reinhart Baltasar Zollinger (1880-1945), der sich aufgrund der Wohnungsnot der 1920er Jahre mit der Entwicklung typisierter Konstruktionen für die fabrikmäßige Massenherstellung befasste und dafür das spezielle Dachtragwerk entwickelte. Für das leicht, schnell und kostengünstig zu errichtende Dach griff er auf das von ihm bereits vor 1910 erprobte Zollbauverfahren zurück, ein schnelles Mauererrichtungsverfahren mithilfe typisierter Schalungen und Schüttbeton. 1923 wurde das Patent auf das Dach in Zollbauweise erteilt. In der Folge fand es auch außerhalb des Wohnungsbaus Verwendung.

Gallerie

Die auch Zoll-Lamellen-Bauweise genannte Konstruktion unterscheidet sich erheblich von normalen Dachstühlen. Sie wird zumeist als Kreisausschnitt, ähnlich wie ein Tonnendach, von der Traufe zum First ausgebildet. Durch die Biegung der Dachflächen wird erreicht, dass der First keine Unterstützung durch separate Stützen benötigt, dadurch kann der Dachraum frei gestaltet und genutzt werden.

Konstruktiv werden gleichartige Brett- oder Bohlenstücke so im Winkel zueinander angeordnet, dass an jeweils einer vertikal durchlaufenden Lamelle mittig zwei andere schräg verbaute Lamellen antreffen. So entstehen viele nebeneinander und übereinander angeordneten Rauten, die eine sehr dekorative Dachuntersicht ergeben. Alle auf die durchgehende Lamelle stoßenden Lamellenenden erhalten eine Schmiege, passend zum Winkel, und werden dort mittels eines Schraubbolzens verbunden. Der Bolzen darf nicht auf Biegung beansprucht werden, deshalb erhält die durchgehende Lamelle ein schlitzförmiges Loch. Die Bolzen muss man in regelmäßigen Abständen prüfen und ggf. nachziehen, denn diese können sich lockern, wenn das Holz im Laufe der Zeit schrumpft.

Ein deutlich geringerer Holzverbrauch gegenüber herkömmlichen Dachkonstruktionen sowie große Spannweiten gehören zu den Vorteilen des Zollingerdaches. Die typisierten Abmessungen der Lamellen machen eine gebäudeunabhängige Vorfertigung in großen Stückzahlen möglich. Trotz dieser Vorzüge konnte die Bauweise sich nicht durchsetzen, da das Errichten der kleinteiligen Konstruktion einen hohen Zeitaufwand erfordert. Hinzu kommt die anspruchsvolle statische Berechnung der Konstruktion.

Auf den Webseiten des Ingenieurbüros Rug stehen eine ausführliche Dokumentation über die Zollinger-Bauweise und andere Holzbau-Publikationen zur Verfügung (siehe Surftipps).

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