Eingangspavillon der Kirche St. Leonard in Hove

Lamellentüren mit spitzen Winkeln

Der Umgang mit ungenutzten Kirchen ist eine in vielerlei Hinsicht herausfordernde Aufgabe. Bei sakralen Räumen und Bauwerken vermengen sich religiöse, symbolische, soziokulturelle, bau- und kulturgeschichtliche sowie finanzielle Aspekte – und zwar insbesondere, wenn eine Kirche nicht mehr als Kirche genutzt wird. Einhergehend mit der sinkenden Zahl von Kirchgängern und Gemeindemitgliedern droht Leerstand und damit verbunden oft Vernachlässigung und Verfall.

Gallerie

Eine Umnutzung christlicher Kirchen, wie sie laut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mittlerweile vermehrt geschieht, kann diesen Prozess verhindern. Neue Nutzungen wie beispielsweise als Bibliothek, Kindertagesstätte, Kunstgalerie und sogar Wohnraum kann diese meist bedeutenden kulturgeschichtlichen und damit erhaltenswerten Baudenkmäler retten. Dass diese Entwicklung nicht auf Deutschland beschränkt ist, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Großbritannien.

Die anglikanische Kirche St. Leonard in Hove, einem kleinen Ort nahe Brighton an der südenglischen Küste, sollte 2016 geschlossen werden, weil die Gemeinde überwiegend ihre zweite, neuere und größere Kirche St. Peter in Brighton nutzte. Teile von St. Leonard stammen aus dem 13. Jahrhundert. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie in Reminiszenz an romanische und frühe gotische Stilelemente um ein zweites Kirchenschiff erweitert, erhielt Spitzbogenfenster und eine Fassade aus trutzig gebrochenem regionalen Quarzstein.

Gallerie

Seit den 1950er-Jahren steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Eine kleine Gruppe engagierter Gemeindemitglieder entwickelte die Idee, das Kirchengebäude zu revitalisieren, es um Gemeinschaftsräume und ein Café zu ergänzen, und für Konzerte und ähnliche Aktivitäten nutzbar zu machen. Nachdem die Church of England die Finanzierung garantierte, wurde im Jahr 2020 ein Architekturwettbewerb ausgelobt, den der in London ansässige Architekt John Puttick mit seinem Team für sich entscheiden konnte.

Pavillon mit spitzwinkligen Flügeltüren

Die Transformation beinhaltete neben der Neuorganisation und technischen Sanierung einen neuen Eingangspavillon. Die vorher genutzte Pforte an der Südseite wurde als wenig einladend und deshalb eher negativ beurteilt. An der Westseite, der Stirnseite, bildet der neue Eingangspavillon nun in der Art einer Veranda einen Aufenthaltsraum zwischen Kirche und Kirchhof mit dem Friedhof. Mit einer Grundfläche von etwa 16 Quadratmetern umfasst er ein kubisches Volumen mit einer Höhe von 4,50 m und einem steilen Kreuzdach. Ein Skelett aus Brettschichtholz wurde mit Eichenbalken als diagonalen Lamellen ausgefacht. Entstanden ist ein markantes geometrisches Muster, das unweigerlich Assoziationen an gotische Diagonalrippen weckt.

Gallerie

Zwei Seiten des Pavillons – die zur Straße ausgerichtete Süd- und die gegenüberliegende Nordseite – sind als übergroße spitzwinklige Flügeltüren konstruiert. Auch sie stellen eine Variation der historischen Proportionen dar, indem sie auf die spitzen Giebel und Satteldächer des Altbaus verweisen. In geöffnetem Zustand bilden sie einen geradezu luftig durchlässigen Raum, der die Besucher wie mit offenen Armen empfängt. Die Westseite des Pavillons ist analog mit zwei spitzwinkligen Fensterflügeln gestaltet. Eine einzelne Kirchenbank im Brüstungsbereich dient als Ruhepunkt. Dieses einerseits klare und gleichzeitig komplexe Volumen wurde mittels eines Modells entwickelt und überprüft.

Gallerie

Glastüren in Spitzbögen

Das Innere der Kirche setzt sich aus zwei parallelen, jedoch verschieden großen Schiffen zusammen. Beide Schiffe sind räumlich mit einer Reihe von gemauerten Spitzbögen verbunden. Um diese beiden Räume flexibel nutzen zu können, wurden in die steinernen Laibungen der Bögen gläserne doppelflügelige Türen eingefügt. Die Kämpfer sind sorgfältig entlang der sogenannten Kämpferpunkte, also den Punkten der Trennlinie zwischen senkrechter Laibung und Bogen, auf die Geometrie der Spitzbögen abgestimmt. Konturiert eingepasste Oberlichtern schließen die Fläche der Spitzbögen. So können beide Schiffe einerseits für größere Veranstaltungen wie Konzerte zusammengeschaltet und andererseits, beispielsweise für kleinere Gottesdienste, Gesprächskreise oder Kindergruppen, akustisch getrennt werden.

Gallerie

Fußbodenheizung

Zugunsten eines angenehmeren Raumklimas besonders im Winter war eine Heizung gewünscht. Die Entscheidung fiel auf eine – nahezu unsichtbare – Fußbodenheizung mit einer Wärmepumpe. Der vorhandene historische Fischgrät-Parkettboden wurde schützend abgedeckt und anschließend überbaut. Lediglich im Bereich der Apsis blieb der historische Bodenbelag unangetastet und somit weiterhin sichtbar. Im gesamten übrigen Innenraum wurde das Fußbodenniveau um 15 cm angehoben. Rampen am Eingangspavillon und an der Südpforte gewähren schwellenlose Zugänge.

Re-used Holz der Kirchenbänke

Die vormaligen Kirchenbänke wurden durch stapelbare Stühle ersetzt, um für beide Schiffe verschiedene Bestuhlungsvarianten oder deren vollständige Entfernung zu ermöglichen. Aus dem Holz der nicht mehr benötigten Bänke wurden der Tresen des Cafés und hölzerne Verkleidungen für eine Sanitärbox gefertigt.

Gallerie

Fazit

Das Ergebnis der Transformation kann sich sehen lassen und wird gut angenommen, wie der Vikar der Gemeinde bestätigt:

Es sieht umwerfend aus, funktioniert aber auch praktisch für unsere mittlerweile gut besuchten Kirchen- und Gemeindeveranstaltungen. Die Reaktionen sowohl von Menschen, die die Kirche schon vorher kannten, als auch von denen, die zum ersten Mal hierher kommen, sind voller Bewunderung und Wertschätzung. Das Zusammenfügen der besten alten mit den neuen Elementen ist großartig. Die neue Veranda ist eine wunderbare Neuerung, die neue und alte Gäste willkommen heißt und dem Gebäude auch von außen einen echten Mehrwert verleiht.-sj

Bautafel

Architektur: John Puttick Associates, London (Transformation und Sanierung)
Projektbeteiligte: Momentum, Bath (Tragwerk); Cerowski Architects, East Grinstead (Denkmalschutz); MCA Consulting Engineers, Horsham (Haustechnik); DBR, London (Bauausführung)
Bauherrin: St. Leonard Church, Hove
Fertigstellung: 2024
Standort: New Church Road, Hove, England
Bildnachweis: Gareth Gardner, London – über Salt, London

Fachwissen zum Thema

Hölzerne Fenster, Türen und sonstige hölzerne Bauteile, die im Zuge einer Sanierung entfernt wurden, werden sortiert für die Weiterverarbeitung gesammelt.

Hölzerne Fenster, Türen und sonstige hölzerne Bauteile, die im Zuge einer Sanierung entfernt wurden, werden sortiert für die Weiterverarbeitung gesammelt.

Recycling

Recycling von Holz

Holz als natürlich wachsender Roh- bzw. Baustoff stellt an und für sich kein Problem in der Entsorgung und im Recycling dar. Die...

Diese hölzerne Veranda prägt die gesamte öffentliche Fassade des Hauses.

Diese hölzerne Veranda prägt die gesamte öffentliche Fassade des Hauses.

Glaswände/​Balkone

Veranda

Eine Veranda ist ein überdachter Vorbau, der mit den Wintergärten verwandt ist. Eine Skelettkonstruktion wird – manchmal auch nur...

Bauwerke zum Thema

Der Torre di Santa Maria ist ein erhalten gebliebener Wachturm, der 1295 als Teil des vierten Stadtmauer-Rings der norditalienischen Stadt Udine erbaut wurde.

Der Torre di Santa Maria ist ein erhalten gebliebener Wachturm, der 1295 als Teil des vierten Stadtmauer-Rings der norditalienischen Stadt Udine erbaut wurde.

Sonderbauten

Torre di Santa Maria in Udine

Transformation eines spätmittelalterlichen Verteidigungsturms in ein vielfältig nutzbares Kulturzentrum namens „La Vetrina dell’ingegno“.

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Fenster und Türen sponsored by:
Solarlux GmbH | Kontakt +49 5422 9271-0 | www.solarlux.com
Zum Seitenanfang

Boulder ist eine Stadt mit etwas mehr als 100.000 Einwohnern im US-amerikanischen Bundesstaat Colorado.

Boulder ist eine Stadt mit etwas mehr als 100.000 Einwohnern im US-amerikanischen Bundesstaat Colorado.

Kultur/​Bildung

Bibliothek in North Boulder, Colorado

Vier Eingänge und Cut-Out-Fenster

Teile der Kirche St. Leonard stammen aus dem 13. Jahrhundert. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie um ein zweites Kirchenschiff erweitert, erhielt Spitzbogenfenster und eine Fassade aus regionalem Quarzstein.

Teile der Kirche St. Leonard stammen aus dem 13. Jahrhundert. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie um ein zweites Kirchenschiff erweitert, erhielt Spitzbogenfenster und eine Fassade aus regionalem Quarzstein.

Kultur/​Bildung

Eingangspavillon der Kirche St. Leonard in Hove

Lamellentüren mit spitzen Winkeln

Das Anwesen wird von der Harmeny Education Trust für die Behandlung, Erziehung und Ausbildung traumatisierter junger Menschen genutzt.

Das Anwesen wird von der Harmeny Education Trust für die Behandlung, Erziehung und Ausbildung traumatisierter junger Menschen genutzt.

Kultur/​Bildung

Harmeny Learning Hub bei Edinburgh

Lernwerkstätten für Jugendliche

Die einst offenen Höfe erinnern mit umlaufenden Galerien und Reihen von Rundbogenfenstern an Kreuzgänge in Klöstern.

Die einst offenen Höfe erinnern mit umlaufenden Galerien und Reihen von Rundbogenfenstern an Kreuzgänge in Klöstern.

Kultur/​Bildung

Oberschule IES Práxedes Mateo Sagasta in Logroño

Mit Edelstahlgewebe verhüllte Rundbogenfenster

Die Amsterdamer Kunsthochschule Gerrit Rietveld Academie ist um einen zweiten Erweiterungsbau ergänzt worden. Der Entwurf stammt von Studio Paulien Bremmer mit FedLev und Hootsmans Architectuurbureau.

Die Amsterdamer Kunsthochschule Gerrit Rietveld Academie ist um einen zweiten Erweiterungsbau ergänzt worden. Der Entwurf stammt von Studio Paulien Bremmer mit FedLev und Hootsmans Architectuurbureau.

Kultur/​Bildung

Erweiterungsbau der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam

Transparenz und Interaktion im Raum

Von Hügeln umgeben: Im Stuttgarter Bezirk Wangen ist in Hanglage eine neue Kita nach Plänen von Reichel Schlaier Architekten entstanden.

Von Hügeln umgeben: Im Stuttgarter Bezirk Wangen ist in Hanglage eine neue Kita nach Plänen von Reichel Schlaier Architekten entstanden.

Kultur/​Bildung

Kindertagesstätte in Stuttgart-Wangen

Hanglage mit Oberlichtern, geschosshohen Fenstern und Fenstertüren

Im Zentrum von Kitakami befindet sich eine ehemalige große Shoppingmall mit mehreren Gebäudeabschnitten. Die beiden unteren Geschosse in einem dieser Teile wurden kürzlich von zwei jungen Architekturbüros radikal transformiert.

Im Zentrum von Kitakami befindet sich eine ehemalige große Shoppingmall mit mehreren Gebäudeabschnitten. Die beiden unteren Geschosse in einem dieser Teile wurden kürzlich von zwei jungen Architekturbüros radikal transformiert.

Kultur/​Bildung

Medizin- und Kinderbetreuungszentrum mit Bürgertreffpunkt in Kitakami

Umbau und Re-Use

Die Kindertagesstätte im Keltenweg in Baden-Baden beruht auf den Plänen vom erst 2017 gegründeten Büro Schweikert und Schilling und bietet Platz für 64 Kinder.

Die Kindertagesstätte im Keltenweg in Baden-Baden beruht auf den Plänen vom erst 2017 gegründeten Büro Schweikert und Schilling und bietet Platz für 64 Kinder.

Kultur/​Bildung

Kita Keltenweg in Baden-Baden

Spiel von offen und geschlossen

Das Königliche Museum für Zentralafrika (rechts und mittig im Bild) im belgischen Tervuren wurde ursprünglich erbaut, um für die koloniale Politik Leopold II. zu werben.

Das Königliche Museum für Zentralafrika (rechts und mittig im Bild) im belgischen Tervuren wurde ursprünglich erbaut, um für die koloniale Politik Leopold II. zu werben.

Kultur/​Bildung

Erweiterung Königliches Museum für Zentralafrika in Tervuren

Zeitgemäßer Zugang zur schwierigen Vergangenheit

Eine eigene, unkonventionelle Spielstätte für moderne Aufführungen ist mit dem Neubau für das Théâtre du Maillon in Straßburg eröffnet worden.

Eine eigene, unkonventionelle Spielstätte für moderne Aufführungen ist mit dem Neubau für das Théâtre du Maillon in Straßburg eröffnet worden.

Kultur/​Bildung

Theater Le Maillon in Straßburg

Ein ganzes Haus als potenzielle Bühne

Längs der Konrad-Adenauer-Straße, vis-à-vis des Stuttgarter Landtaggebäudes, ist die Württembergische Landesbibliothek erweitert worden.

Längs der Konrad-Adenauer-Straße, vis-à-vis des Stuttgarter Landtaggebäudes, ist die Württembergische Landesbibliothek erweitert worden.

Kultur/​Bildung

Erweiterung der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart

Lesen mit Ausblick hinter aufgefalteter Fassade

Mit dem Umbau eines Lokdepots zur Bibliothek LocHal im niederländischen Tilburg gelingt dem Büro Civic Architects ein Schritt zur Aufwertung des Bahnhofsviertels.

Mit dem Umbau eines Lokdepots zur Bibliothek LocHal im niederländischen Tilburg gelingt dem Büro Civic Architects ein Schritt zur Aufwertung des Bahnhofsviertels.

Kultur/​Bildung

Bibliothek LocHal in Tilburg

Innenverglasung als Raumteiler

Mit dem Erweiterungsbau nach Plänen von gmp Architekten erhielt die Kunsthalle Mannheim nicht nur weitaus mehr Ausstellungsfläche, sondern auch das Restaurant Luxx.

Mit dem Erweiterungsbau nach Plänen von gmp Architekten erhielt die Kunsthalle Mannheim nicht nur weitaus mehr Ausstellungsfläche, sondern auch das Restaurant Luxx.

Kultur/​Bildung

Restaurant in der Kunsthalle Mannheim

Schaufenster der Stadt

Das Haus der Musik nach Plänen von Erich Strolz und Dietrich Untertrifaller vereint mehrere Kulturinstitutionen; u.a. die Kammerspiele, zwei Konzertsäle, das Landeskonservatorium, das Institut für Musikwissenschaft und das Mozarteum

Das Haus der Musik nach Plänen von Erich Strolz und Dietrich Untertrifaller vereint mehrere Kulturinstitutionen; u.a. die Kammerspiele, zwei Konzertsäle, das Landeskonservatorium, das Institut für Musikwissenschaft und das Mozarteum

Kultur/​Bildung

Haus der Musik in Innsbruck

Nathloser Übergang von Innen und Außen

Vorgehängte Balkonfassaden

Für die Fassadensanierung: Modulare Komplett-Systeme von Solarlux schließen die Gebäudehülle energieeffizient und schallschützend!

Partner-Anzeige