Theater Le Maillon in Straßburg

Ein ganzes Haus als potenzielle Bühne

Eine eigene, unkonventionelle Spielstätte für moderne Aufführungen ist mit dem Théâtre du Maillon in Straßburg eröffnet worden. Anstelle eines klassischen Theaters mit Kassenhalle, Foyer, Zuschauerraum, Proszenium, Bühne und Bühnenturm hat das Architektenteam von LAN – Local Architecture Network den Neubau mit der Idee eines Raums, der im Wesentlichen aus offenen Bereichen besteht, gestaltet. So massiv sich der Kulturbau in seiner städtebaulichen Umgebung präsentiert, so offen ist das Innere: Es ist ein konfigurierbares Haus realisiert worden, das dem zeitgenössischen Theater die Möglichkeit bietet, die Räume und Bühnenbereiche an das jeweilige Stück flexibel anzupassen und variabel zu gestalten. Durch verstellbare Wände, Fenster und Türen lässt sich der großzügige Kulturbau räumlich an den Performances und Veranstaltungen ausrichten und zudem mit viel Licht durchfluten.

Gallerie

Die Geschichte des Theaters Maillon ist seit der Gründung 1978 von Offenheit und Variabilität geprägt: Ursprünglich in einer Werkhalle im Straßburger Randbezirk Hautepierre beheimatet, zog das Kulturprojekt, das mit dem Ziel Konventionen und Trennendes zu überwinden ins Leben gerufen wurde und dessen Name ‚Bindeglied’ bedeutet, 1999 in einen Hangar der Internationalen Messe im Stadtteil Wacken um. Hier mussten die Theaterschaffenden regelmäßig die gesamte Infrastruktur sowie die Technik abbauen, um für den Messebetrieb Platz zu machen. So hat sich ein temporärer Charakter manifestiert, der das Theater bis heute prägt – auch im neuen, maßgeschneiderten Gebäude.

Außen streng, Innen gelöst

Der Neubau befindet sich direkt neben den Straßburger Messehallen, auf der gegenüber liegenden Straßenseite liegt das Veranstaltungsgebäude Palais de la Musique et des Congrès und ganz in der Nähe erhebt sich das Europäische Parlament. Auf einem Eckgrundstück ruht der zweigeschossige Quader, der sich in auffällig dunkler, klar strukturierter Hülle zeigt. Die schwarze Betonfassade ist durch Lisenen und Öffnungen gegliedert, die dem Gebäude die Anmutung eines Containerstapels verleihen. Im Innern jedoch öffnen sich weite Räume in großen Dimensionen, die keine einschüchternde Wirkung haben.

Das Gebäude ist im Norden über einen gerahmten Vorplatz, an der langen Ostseite und von Westen zugänglich. Die gleichmäßig gegliederte Fassade gibt zwar eine Struktur vor, zeigt jedoch keinen dominanten Haupteingang. Das Ankommen der Besucherinnen und Besucher soll nach aktuellem Anlass variieren können.

Große Dimensionen mit flexiblem, offenen Raumprogramm

Der insgesamt 7.017 m² große Kulturbau beherbergt zwei Auditorien von jeweils 1.044 m² und 484 m². Des Weiteren befinden sich im Komplex ein Aufenthalts-, ein Logistik-, ein Verwaltungs-, ein Künstler- und ein Backstagebereich. Zwei Höfe werden eingefasst: ein Logistikhof und der Eingangshof.

Der nach Süden orientierte Eingangshof mit einer Fläche von knapp 500 Quadratmetern ist ein nach oben halboffener Raum, der vor Wind geschützt ist. Die innenliegenden Glasfassaden sind so konzipiert, dass sich der untere Teil zum Hof öffnen oder entsprechend einteilen lässt. So kann das Atrium zu einem Freilichttheater werden. Alle Außenbereiche können Aufführungen beherbergen und sind direkt mit den Bühnen verbunden.

Eine Eingangshalle an der Ostseite ist ebenso eine mögliche erste Etappe für die Theatergäste und kann eine Vielzahl von Aktivitäten beherbergen: Performances, Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen und Theaterstücke. Die Wände im Innenbereich können leicht neu angeordnet werden, um den Raum zu erweitern oder intimere Bereiche zu schaffen. Seine großzügige Höhe ermöglicht die Installation einer Deckenkonstruktion zum Aufhängen großer visueller Installationen, Bildschirme, Beleuchtung oder audiovisueller Geräte. 

Das ganze Haus als potenzielle Bühne durch variable Gebäudestruktur

Der Neubau ist um eine Hauptachse organisiert, die sowohl Gang, technischer Bereich, privater und öffentlicher Raum sein kann. Hohe Decken und die Zonierung ermöglichen auch hier Aufführungen und Ausstellungen. Durch die mobilen Wände kann im gesamten Gebäude alles verbunden, verändert und bespielt werden. Wenn die Eingangshalle beispielsweise zur Aufführung genutzt wird, öffnet sich die Bar zur Straße und die Lobby im Norden wird zur Eingangshalle. Beide Säle sind dank eines Baukastenprinzips total flexibel und lassen eine Vielzahl von Bestuhlungen zu. So kann aus dem Zuschauersaal eine Bühne, aus der Bühne ein Auditorium oder aus dem Atrium eine Kulisse werden. Der große Saal mit Abmessungen von 45 mal 24 Metern und einer Höhe von 14 Metern fasst bis zu 700 Besucherinnen und Besucher. Mit Ausnahme der nicht-öffentlichen Bereiche wie Büro, Backstage und Logistik wird annähernd die gesamte Fläche des Kulturbaus zu einer potenziellen Bühne.

Die Backstage-Logistik umfasst Produktion und Lager. Es gibt zwei Einheiten: Eine im Erdgeschoss, die direkt mit den Auditorien verbunden ist, die andere im Obergeschoss zwischen dem Künstleraufenthaltsbereich und den beiden Auditorien. Die Deckenhöhe in den Studios beträgt 6,50 Meter, was ihre Flexibilität erhöht und viel natürlichen Lichteinfall zulässt. Ein Nähstudio und die Kostümaufbewahrung öffnen sich direkt zu den Umkleidekabinen der Künstler und Künstlerinnen und befinden sich unmittelbar neben deren Aufenthaltsbereich. Der Backstage-Bereich umfasst zudem alle Vorbereitungsräume für die Performances. 

Fenster und Türen: Großzügige Öffnungen
Die großen quadratischen Fensteröffnungen in der dunklen Fassade ermöglichen die visuelle Verbindung zum umgebenden Stadtraum. Tagsüber kann der Blick der Theatergäste nach außen wandern und die Stadt wird zum erweiterten Bühnenbild. Abends können Passanten in das belichtete Innere sehen und so am Geschehen teilhaben.

Freilichttheater durch Schiebefenster
Nach innen lässt sich das Atrium bei Bedarf mit dem großen Foyer verbinden. Dafür wurden in eine gläserne Zwischenwand zwei großformatige Schiebefenster eingesetzt. Die beiden Systeme mit vier sowie sechs Glaselementen öffnen die Fassade über 18 und 12 Meter in der Breite und je 3,60 Meter in der Höhe. Im Boden eingelassene Schienen verbinden den Innenhof mit dem Aufgang zum großen Saal und mit dem Foyer schwellenlos. So wird das Atrium zu einer Performancekulisse.

Um die Schiebefenster bestmöglich in die Fassade einfügen zu können, wurden die Systeme ohne Automatikbetrieb ausgeführt und so ein schmales Querriegelprofil von nur 40 Millimetern realisiert. Durch die eingesetzte Technik können die je 600 Kilogramm schweren Elemente dennoch leichtgängig und leise bewegt werden. Die verdeckt eingebauten Blendrahmen fügen sich nahtlos in Boden, Wand und Decke. Entwässert werden die Elemente, die nach RC3 zertifiziert sind, über eine Glasfalzbelüftung.

Bewegliche Trennwände

Durch bewegliche Wände im Inneren können im gesamten Gebäude Bereiche verbunden, verändert und nach Belieben bespielt werden. Räume lassen sich dank zu öffnender Fenster und beweglicher Falt-Schiebe-Elemente miteinander verbinden. Ob offen oder geschlossen: Die gewählten Schiebefenster unterstützen stets das Programm des Hauses: Offenheit, Spontanität und Flexibilität. Durch die Vielfalt dieser Optionen von Trennung und Verbindung werden unterschiedliche Theaterformen ermöglicht und machen das Kulturhaus zu einem zeitgenössischen, nicht an Konventionen gebundenen Ort. -kl

Bautafel

Architektur: LAN (Local Architecture Network), Paris
Projektbeteiligte: Changement à vue, Paris (Szenografie); Lamoureux, Paris (Akustikplanung); Solarlux, Melle (Schiebefenstersysteme, Schiebefenster cero)
Bauherr/in: Stadt Straßburg
Fertigstellung: 2019
Standort: Boulevard de Dresde 1, 67000 Straßburg, Frankreich
Bildnachweis: Charly Broyez, Paris; LAN (Local Architecture Network), Paris

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
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