Fahrradparkhaus in Nürnberg
Automatisches Zugangskontrollsystem für flexible Nutzung
Die Infrastruktur für Fahrräder in Deutschland ist im internationalen Vergleich nach wie vor stark ausbaufähig. Dabei fehlen nicht nur funktionierende und gut geführte Radwege, sondern auch das Abstellen des Drahtesels kann zu einer echten Herausforderung werden. Vor allem in Bahnhofsnähe sieht man sich oft vor einer Vielzahl an Rädern, die behelfsmäßig an Laternenpfählen, Pfosten oder Zäunen im öffentlichen Raum angeschlossen werden – was vermehrt zu einem Hindernis für Fußgänger und Fußgängerinnen, aber auch für Rettungskräfte und für den Lieferverkehr wird.
Gallerie
Diesem Problem stand auch die Stadt Nürnberg gegenüber, deren
Bahnhofsumfeld lange Zeit wenig attraktiv war. Mit der Umgestaltung
des ehemaligen Parkplatzes auf der Rückseite des Bahnhofs zum
einladenden, begrünten Nelson-Mandela-Platz nach Plänen des
Landschaftsarchitekten Rainer Schmidt entstand auch das erste
Fahrradparkhaus der Stadt. Es bietet Platz für gut 400 Räder. Der
Entwurf für den Fahrradspeicher Nürnberg stammt vom
ortsansässigen Architekturbüro SRAP Sedlak Rissland Architekten
Partnerschaft. Diese Maßnahmen basieren auf dem Masterplan
nachhaltige Mobilität der Stadt Nürnberg, mit dem stadt- und
umweltgerechte Verkehrsarten (Fuß-, Fahrrad- und öffentlicher
Verkehr) sowie – als übergeordnetes Ziel – die Reduzierung des
verkehrsbedingten CO2-Ausstoßes gefördert werden
sollen.
Mühelos integriert
Der riegelförmige, pavillonartige Baukörper erstreckt sich über eine Länge von 112 Metern und schmiegt sich dabei unmittelbar an den Bahndamm an. Mit einer Breite von nur sieben Metern und der Orientierung parallel zu den Gleisen, erweitert das Zweiradparkhaus die bestehenden Strukturen auf zurückhaltende Weise. Zugleich definiert der Anbau als Bestandteil des neugestalteten Nelson-Mandela-Platzes dessen nördliche Kante und wertet den umliegenden Stadtraum räumlich und funktionell auf. Die Position zwischen Süd-West- und Süd-Ost-Eingang des Hauptbahnhofs erlaubt dabei einen schnellen, frequentierten Wechsel zwischen den beiden Verkehrsmitteln Bahn und Fahrrad.
Neben den Parkplätzen sind zusätzlich Schließfächer sowie Stationen vorhanden, an denen kleinere Reparaturen am Zweirad vorgenommen werden können. Haustechnik, Installationen und Lagerraum sind in den zwei weiß lackierten Frachtcontainern an den Fußgängereingängen untergebracht.
Effektvolle Fassade
Der Baukörper orientiert sich klar in Richtung Platz und hat – mit dem Bahndamm im Rücken – nur eine Schauseite. Diese Fassade lösten die Planenden in eine filigrane, weiße Stahlkonstruktion auf, die Assoziationen an Fahrradspeichen weckt. Zudem nutzte man die Länge des Bauwerks für die Umsetzung eines optischen Spiels: Hinter die schlanken, vertikalen Stahlstützten steht eine zweite Reihe leicht geneigter Stützen der gleichen Art, wodurch ein subtiler, aber spannungsvoller Moiré-Effekt erzielt wird.
Die sinusförmige Wellenstruktur ergibt sich dabei aus der Variation des Abstands der vertikalen Stützen zwischen 30 und 45 cm. Dadurch wandern die Überschneidungspunkte der beiden Stützenreihen in einer Kurve hoch und runter. Für die Umsetzung war große Präzision gefragt – daher wurden die je 5,50 Meter langen Stahlbauteile vom ausführenden Schlosserbetrieb vorfertigt und vor Ort gefügt.
Um die Sicherheits- und Reinigungsanforderungen der städtischen
Betriebe zu erfüllen, musste ein metallischer Vorhang vor die
Stützen montiert werden. Dieser verhindert zum einen Beschädigungen
und Graffiti und dient zudem als Taubenschutz.
Form, Funktion und Konstruktion als Einheit
Die filigrane Stahlkonstruktion der Fassade bildet zusammen mit den horizontal durchlaufenden Flachstahlprofilen an Stützenkopf und Fußpunkt die lastabtragende Konstruktion. An der Rückseite entlang des Bahndamms sind ebenfalls Stahlstützen im Abstand von 5,50 Metern angeordnet, zu denen die Flachstähle von der Fassade spannen. Dadurch konnte der Innenraum stützenfrei und der Grundriss flexibel gehalten werden. Für die Aussteifung in Querrichtung sorgen die eingespannten Kragstützen in Verbindung mit den Koppelprofilen in der Dachebene. In Längsrichtung wird das Gebäude dank der Fachwerktragwirkung der Fassadenelemente ausgesteift. Vier Dehnfugen in der Längsfassade minimieren die Zwangskräfte infolge von Temperaturschwankungen und der Länge des Bauwerks. Zudem wurde die Fassadenkonstruktion auf einem durchgehenden Elastomerlager mit definierten Festpunkten aufgelagert.
Elektro: Automatische Zugangskontrolle
Die 402 Stellplätze verteilen sich auf 272 Doppelstockparker im rückwärtigen Bereich und 130 Metallbügel entlang der Fassade, die speziell für großvolumige Fahrräder wie Lastenräder, E-Bikes oder Anhänger vorgesehen sind. Sie sind über den zentralen Eingang in der Längsseite zu erreichen. Hier ist auf dem Boden eine Induktionsfläche markiert, auf die das Fahrrad gestellt werden muss. Fordern die Nutzerinnen und Nutzer am Automaten ein Ticket an, öffnen sich Tür und Drehkreuz. Das Rad kann abgestellt und das Parkhaus über einen der beiden Fußgängerzugänge an den Schmalseiten verlassen werden.
An diesen Ein- bzw. Ausgängen ist jeweils ein Kassenautomat
platziert. Hat man beim Abholen das Ticket bezahlt, öffnet sich das
Drehkreuz und der Zutritt wird gewährt. Beim Verlassen über den
zentralen Ausgang soll das Zweirad erneut auf die Induktionsfläche
gestellt werden und nach dem Einstecken des bezahlten Tickets in
den Türleser öffnen sich die Tür und das Drehkreuz
synchron.
Dank dieser Automatik ist der Zugang rund um die Uhr möglich.
Für den Betrieb in den Abend- und Nachtstunden sind LED-Lichtbänder
in die Decke eingelassen, die im Innenraum in Querrichtung
verlaufen und die konstruktive Struktur der Decke unterstreichen.
Außenseitig verläuft ein Lichtband auf der Unterseite des
auskragenden Daches entlang des Kopfpunktes der Fassade und sorgt
für eine zusätzliche gute Orientierung und Sicherheit.
-si
Bautafel
Architektur: SRAP Sedlak Rissland Architekten Partnerschaft, Nürnberg
Projektbeteiligte: Tragraum Ingenieure, Nürnberg (Tragwerksplanung); Valentin Maier Bauingenieure, Erlangen (Brandschutzplanung); Metallbau Greil, Röttenbach (Stahlbau); Orion Bausystem, Biebesheim (Doppelstock- und Einfachparksysteme); Pelger, Neuhäusel (Metallgewebe Fassade); Optigrün international, Krauchenwies (Gründachsystem); Ingenieurbüro Stahl, Oberasbach (Haustechnik- und Elektroplanung)
Bauherr/in:Stadt Nürnberg, vertreten durch das Planungs- und Baureferat
Fertigstellung: 2020
Standort: Hinterm Bahnhof 15, 90459 Nürnberg
Bildnachweis: Stefan Meyer, Berlin; SRAP Sedlak Rissland Architekten Partnerschaft, Nürnberg
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