„City of Wood” – so der Titel eines ambitionierten
Stadtentwicklungsprojektes im oberbayerischen Bad Aibling als
Modell für die Nullenergiestadt von morgen. Auf einem ehemaligen
Kasernengelände der amerikanischen Streitkräfte, welches nach Ende
des Kalten Krieges leer stand und zur Geisterstadt verkam, entstand
ein Musterprojekt für die ökologisch nachhaltige Stadt, mit
energieeffizienten Neubauten in Holzbauweise und energetisch
saniertem Bestand.
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Auch die Funktionsbauten in der City of Wood folgen dem
Charakter des Musterprojektes. So entstand inmitten eines über die
Jahre gewachsenen, teils idyllischen Grünraums das erste Parkhaus
vollständig aus Holz, geplant von Hermann Kaufmann und Partner. Es
ist 70 Meter lang und 17 Meter breit, hat zwei Geschosse und bietet
Stellplätze für insgesamt 104 Autos. Lediglich die Zufahrtsrampe
(als aussteifendes Element) und die Fundamente sind aus Stahlbeton.
Vorgefertigte Holzbauteile bilden eine offene Struktur, um
Durchlässigkeit, Helligkeit und ein gutes Sicherheitsgefühl der
Nutzerinnen und Nutzer zu bewirken.
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Hölzernes Tragwerk, Rampe aus Stahlbeton
Das Tragkonzept ist simpel: Massivholzplatten aus Brettsperrholz
als Geschossdecken lasten auf horizontalen, in Querrichtung
liegenden Holzbindern; vertikale Stützen im Raster der
Stellplatzbreiten gliedern den länglichen Baukörper. Der Boden ist
im Erdgeschoss gepflastert, im Obergeschoss dient Gussasphalt als
Fahrbahnbelag. Zur Aussteifung der Holzkonstruktion ist die
Fahrzeugrampe aus Stahlbeton hergestellt, mittig im Gebäude
erfüllen zwei Massivholzwände ebenfalls diese Funktion.
An der südlichen Stirnseite – der Rampe entgegengesetzt –
erschließt eine außenliegende Stahltreppe das Obergeschoss. Im
Sinne der allseitig offenen Bauweise wurde auf Außenwände
verzichtet, das Obergeschoss ist jedoch mit einer Fassade aus 60
Millimeter breiten, vertikalen Holzlamellen versehen. Rankhilfen im
Abstand von 30 Zentimetern vor der Fassade ermöglichen künftig eine
bodengebundene Fassadenbegrünung. So wird sich das Holzparkhaus
noch besser in das parkähnliche Außengelände integrieren.
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Eine spätere Erweiterung, Umnutzung oder gar ein Rückbau ist von
Anbeginn mitgedacht und durch den modularen Aufbau nachhaltig und
ressourcenschonend möglich.
Brandschutzaspekte
Neben der Bayerischen Bauordnung (BayBO) ist hier die bayerische
Garagenstellplatz-Verordnung (GaStellV) maßgeblich. Das Bauwerk ist
als offene, oberirdische Großgarage mit zwei Geschossen
einzustufen, was wiederum die Anforderungen an den Brandschutz
definiert. Tragwerk, Decken und Wände, Bekleidungen und Einbauten
von Großgaragen müssen gemäß GaStellV aus nichtbrennbaren
Baustoffen bestehen – eine Anforderung, die mit Holz nicht zu
erfüllen ist. Jedoch besteht die Möglichkeit, von Regelungen
abzuweichen: Die Abweichungen sind innerhalb des
Brandschutznachweises darzulegen und es ist nachzuweisen, dass sich
die Lösch- und Rettungssituation im Falle eines Brandereignisses
nicht verschlechtert.
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Feuerwiderstand
Neben der Anforderung „nichtbrennbare Baustoffe“ müssen die
Bauteile der Holzgarage jedoch nach der
Garagenstellplatz-Verordnung keinen expliziten Feuerwiderstand
erfüllen. Kern des Brandschutzkonzeptes in Bezug auf die Abweichung
war somit die Definition eines Feuerwiderstands des Tragwerks,
welcher die sichere Rettung von Menschen und sichere Löscharbeiten
durch die Feuerwehr im Brandfall gewährleistet.
Für offene Parkgaragen wird gemeinhin ein Feuerwiderstand von
mindestens 30 Minuten angesetzt. Der Nachweis der
Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen wird rechnerisch über die
sogenannte „Einheitstemperaturzeit-Kurve“ (ETK) geführt. Bei einem
Autobrand in der Holzgarage ist jedoch mit einer erhöhten
Brandbeanspruchung zu rechnen, weshalb zusätzliche Reserven
vorgesehen werden sollten. Deshalb wurde der Nachweis über die
Temperaturzeitkurve „Hydrocarbon-Kurve“ nach EN 1991-1-2:
Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 1:
Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 1-2: Allgemeine Einwirkungen –
Brandeinwirkungen auf Tragwerke geführt. Das Rechenmodell
findet vorwiegend im Bereich des Tunnel- und Industriebaus
Anwendung. Für Stützen und Träger wurde eine Feuerwiderstandsdauer
von mindestens 47 Minuten ermittelt.
Für die Deckenelemente wurde ein Feuerwiderstand von F30 als
ausreichend erachtet. Da die Geschossdecke aus Einzelelementen in
Größe der einzelnen Stellplätze besteht, käme es im Brandfall
maximal zu einem Versagen der Deckenplatte oberhalb des betroffenen
Stellplatzes, d.h. lokal eingeschränkt und berechenbar.
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„Umgekehrte Deckenwannen“ zur Rauchableitung
Ein zusätzlicher Aspekt des vorbeugenden Brandschutzes im Rahmen
des Brandschutznachweises war zudem die konstruktive Begrenzung der
Brand- und Rauchausbreitung. Grundsätzlich ist der Aspekt der
Rauchausbreitung bei offenen Garagen einfacher zu bearbeiten als
bei Tiefgaragen. Das Erdgeschoss ist frei von Außenwänden, im
Obergeschoss liegt der Öffnungsanteil über 50 Prozent. Allein
dadurch ist die Rauchausbreitung im Brandfall minimiert.
Zusätzliche Sicherheit schaffen hier „Rauchwannen“ in der
Deckenstruktur: Stützen und Deckenbinder verlaufen in Querrichtung
der Garage jeweils im Abstand der Stellplatzbreite. Zwischen den
sichtbaren Deckenbindern wurden parallel zur Fahrbahn Querschotten
als Schürzen mit einer Höhe von ca. 40 Zentimetern montiert.
Oberhalb eines jeden Stellplatzes befindet sich somit eine
dreiseitig geschlossene „umgekehrte Wanne“, die zur Außenseite hin
offen ist. Im Brandfall steigen Rauch und Gase nach oben, sammeln
sich in dieser Wanne und werden nach außen abgeleitet. Damit wird
die Ausbreitung von Rauch und Heißgas bei einem lokalen
Brandereignis (Autobrand eines einzelnen Fahrzeugs) auf den
jeweiligen Stellplatz begrenzt. Die Stärke der Querschotten wurde
mit sechs Zentimetern analog zur Tragfähigkeit der darüberliegenden
Decke dimensioniert.
Durch die konstruktive Kompensation der baurechtlichen
Abweichungen konnte auf eine zusätzliche technische
Gebäudeausrüstung wie Rauch- und Brandmeldeanlagen,
Sprinkleranlagen oder ähnliches verzichtet werden.
Bautafel
Architekturbüro: Hermann Kaufmann + Partner, Schwarzach Projektbeteiligte: merz kley partner, Dornbirn (Tragwerksplanung); Fire & Timber Ing., München (Brandschutzplanung); Sabine Schwarzmann & Jochen Schneider, Rosenheim (Landschaftsplanung); EGT, Bad Aibling (Bodenmechanik); Weisser Ingenieur Gesellschaft, Bad Aibling (Entwässerungsplanung) Bauherr: B&O Parkgelände, Bad Aibling Fertigstellung: 2022 Standort: Pater-Rupert-Mayer-Straße, Bad Aibling Bildnachweis: Sebastian Schels, München
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